Eine Erde reicht nicht mehr
Nicht alle Menschen setzen die Erkenntnis, dass wir mit unserem Handeln die Welt ein bisschen besser machen können, so konsequent in die Tat um wie die 14-jährige Isabel. Es besteht eine tiefe Kluft zwischen Problembewusstsein und Aktion. Sonst würden die CO2-Emissionen nicht weiter ansteigen, die Müllberge nicht weiter wachsen, der Regenwald nicht weiter schrumpfen. Unser "ökologischer Fußabdruck" ist mehrere Nummern zu groß. Alle zwei Jahre, zuletzt 2012, veröffentlicht der World Wide Fund for Nature (WWF) den (Living Planet Report). Darin berechnet der WWF den Naturverbrauch an der Erde. Das Ergebnis für Deutschland: Der Fußabdruck pro Person und Jahr beträgt 4,6 Hektar - mehr als vier Fußballfelder. Zur Verfügung hätten wir 2 Hektar. Wenn wir so weitermachen wie bisher, benötigen wir bis zum Jahr 2030 zwei Planeten.
"Die Lösung kann nur darin bestehen, das globale Industriesystem auf ein ökologisch dauerhaft tragbares Niveau zurückzubauen. Das setzt genügsamere Lebensstile voraus", sagt Ökonom und Wachstumskritiker Niko Paech. "Befreiung vom Überfluss" heißt eines seiner Bücher, "Wir konsumieren uns zu Tode" ein anderes. Der außerplanmäßige Professor der Universität Oldenburg lebt, was er schreibt und in seinen Vorlesungen predigt. Er ist noch nie geflogen, besitzt weder Handy noch Auto, lebt vegetarisch und organisiert kerosinfreie Vorlesungen - Wissenschaftler, die er zu seiner Ringvorlesung einlädt, müssen sich verpflichten, nicht mit dem Flugzeug zu kommen. "Wer nicht bereit ist, seinen jährlichen CO2-Verbrauch absehbar auf 2,7 Tonnen zu senken, nimmt sich mehr, als ihm zusteht", erklärt Paech seine Radikalität. Denn anders sei das lebenswichtige 2-Grad-Klimaschutzziel nicht einzuhalten. Es besagt, dass die Erderwärmung auf weniger als 2 Grad gegenüber dem Niveau vor Beginn der Industrialisierung begrenzt werden muss. Um das zu erreichen, müssten die weltweiten Treibhausgas-Emissionen bis 2050 halbiert werden.
Sparen ist das Gebot der Stunde
2,7 Tonnen CO2 - wie ist das zu schaffen? Der Durchschnittsverbrauch der Deutschen liegt bei knapp 11 Tonnen im Jahr. Da heißt es verzichten. Zum Beispiel auf Fleisch: Nach Angaben des Umweltbundesamtes gelangten 2010 in Deutschland 52,3 Tonnen Methan, ein Treibhausgas wie CO2, aus Rindermägen in die Atmosphäre. Hinzu kamen 12,7 Tonnen Methan, die von der Gülle auf den Feldern ausgedünstet wurden. Auch ein Verzicht auf Mobilität spart Treibhausgas: Wer von Berlin nach Bangkok fliegt, verbraucht allein auf dem Hinflug 2,3 Tonnen CO2. Damit ist das Jahresbudget also nahezu ausgeschöpft. Wer dennoch nicht aufs Fliegen verzichten kann oder möchte, kann seine Flugmeilen kompensieren, etwa bei www.atmosfair.de. Die Klimaschutzorganisation berechnet die Menge an Klimagasen, die während des Fluges entstehen. Der Reisende kann dann einen Betrag spenden, den atmosfair an ein Klimaschutzprojekt weiterleitet. Ein hohes Einsparpotenzial hat Strom aus erneuerbaren Energien - Wasser, Wind, Sonne -, da er völlig emissionsfrei erzeugt werden kann. Zum Vergleich: Bei der Erzeugung einer durchschnittlichen Kilowattstunde Strom entstehen 506 Gramm CO2. Geht man für eine dreiköpfige Familie von einem Stromverbrauch von jährlich 3900 Kilowattstunden aus, ergibt sich mit Ökostrom eine CO2-Ersparnis von knapp 2 Tonnen. Zwar ist die grüne Energie für den Verbraucher (derzeit noch) etwas teurer als konventioneller Strom. Die Mehrkosten können jedoch kompensiert werden: Ein Gerät muss nicht im Stand-by-Modus dauerhaft einsatzbereit sein (Stecker ziehen oder schaltbare Steckerleiste einbauen), ein Kühlschrank muss nicht kälter als 8 Grad sein, ein Backofen muss nicht vorgeheizt werden, ein Topf sollte einen Deckel haben, schmutzige Wäsche wird auch ohne Vorwäsche sauber.
Fokus auf das Wesentliche
"Nachhaltig leben sollte aber nicht als ,schlechter leben' gesehen werden. Verzicht ist etwas Gutes", sagt Florian Schreckenbach, Mitglied im Wirtschaftsrat der Deutschen Umweltstiftung und Gründer des Blogs "Nachhaltig sein - Die gute Absicht praktisch umsetzen"). "Verzicht gibt einem den Fokus auf das Wesentliche." Er frage sich bei allem, was er kaufen wolle, ob er es wirklich langfristig braucht. Wer sein Leben ändern wolle, solle dies in einem Maße tun, mit dem er sich wohlfühlt. "Mir vorzustellen, dass ich nie wieder Fleisch esse, um die Umwelt zu schützen, hat mich blockiert. Deshalb bin ich einen Schritt zurück und habe mir gesagt, dass ich nur an vier Wochentagen Vegetarier bin. Das war relativ einfach. Mittlerweile esse ich werktags kein Fleisch mehr, teils auch an 6 Tagen die Woche. Und ich vermisse es gar nicht." Das Fleisch, das der Nachhaltigkeits-Blogger verzehrt, stammt vom Biobauern oder Metzger, der seine Produkte regional bezieht. "Das mag auf den ersten Blick teurer sein. Aber da ich heute viel weniger Fleisch esse als früher, spare ich sogar."
Das oft gehörte Argument, ein umweltbewusstes Leben sei zu teuer, greift demnach nicht. Für Paech gibt es ohnehin keinen Zweifel: "Wie könnte ich mit Dingen und Handlungen glücklich werden, die ich - gemessen an meinem Bewusstsein für globales Wohlergehen - nie verantworten könnte? Ehrliches Glück setzt voraus, mit sich selbst im Reinen zu sein, statt bohrende Widersprüche aushalten oder durch Lügen verdrängen zu müssen. Nachhaltigkeit ist auch eine Frage der Würde."