CLAUS WECHSELMANN, PD
Schwer ist sie geworden, mit einem permanent wachsenden Personalkörper, der inzwischen knapp 300 Milliarden Euro der zur Verfügung stehenden Mittel im Jahr verbraucht. Dabei sind die Ruheständler noch nicht eingerechnet.
Nun, es handelt sich um die deutsche Verwaltung, das Aushängeschild von einst, das dringend einer grundlegenden Reform bedarf, damit es dafür nicht zu spät ist. Wie groß die Notwendigkeit ist, zeigt sich an der bisher nur punktuellen Fähigkeit, sich auf im Markt längst etablierte Standards zu verständigen, oder auch dem eingeschränkten Bestreben, an der Schnittstelle zu Bürgern und Bürgerinnen breiter und ansonsten durch eine höhere Effizienz sparsamer und schlanker aufgestellt zu sein.
Strukturelle Defizite dürfen nicht mit dem Ruf nach mehr Stellen beantwortet werden. Dort, wo es eine komfortable Ausstattung an fähigen Mitarbeitenden gibt, müssen moderne Methoden des Arbeitens Einzug halten, damit sich der Abstand zwischen Privatwirtschaft und Verwaltung nicht weiter vergrößert. Andere Länder können als Vorbild dienen. Zum Teil hat man dort die Anzahl von Ressorts und deren Zuständigkeiten reduziert und ist längst dazu übergegangen, die Haushaltsplanung am Output zu orientieren. Die überall raren Mittel werden dahin gelenkt, wo der größtmögliche Nutzen zu erwarten ist.
Die deutsche Verwaltung sitzt auf einem Schatz, den es zu heben gilt, damit der Punkt, an dem Veränderung kaum noch möglich ist, nicht überschritten wird. Dieser Schatz sind die öffentlich Bediensteten, die über einen riesigen Fundus an Erfahrungswissen verfügen und mit denen man die Aufgabe nicht nur angehen, sondern ganz sicher erfolgreich umsetzen könnte. In der Verwaltung wird der Wandel gewünscht, insbesondere da, wo am falschen Ende gespart wird, damit anderswo die notwendigen Mittel zur Verfügung stehen.
Vorbilder gibt es genug. Auch an der Einsicht in die Notwendigkeit dürfte es inzwischen nirgends mehr mangeln. Was uns fehlt, ist der Mut, uns grundsätzlich infrage zu stellen, Privilegien zu hinterfragen und mit Traditionen zu brechen, die auf Dauer niemand bezahlen können wird.
Wir brauchen ein strategisches Zielbild, an dem sich Politik und Verwaltung orientieren können. Ziel muss sein, dass staatliche Leistungen mehr und mehr ›datenbasiert‹ gewährt werden, ohne dass die Berechtigten sich darum kümmern müssten. Insofern sind es nicht die Formulare, die inzwischen als PDF vorliegen, sondern angepasste gesetzliche Rahmenbedingungen und die Integration von Daten, die eine echte Digitalisierung ermöglichen. Damit helfen sie, einen besseren Service mit einer deutlich schlankeren Verwaltung anbieten zu können.
Konzerne aus der Privatwirtschaft, die vor einer ähnlichen Herausforderung wie die deutsche Verwaltung heute standen und die sich den neuen Gegebenheiten nicht anpassen konnten, sind nur noch Geschichte. AEG, Motorola, Nokia oder Pan Am sind Beispiele von vielen, und es hätte Bedeutung zu verstehen, was bei diesen versäumt und bei denen geändert wurde, die letztlich auch in veränderten Zeiten ihre Position gehalten oder ausgebaut haben. Die Begründung, es handele sich bei der Verwaltung um eine staatliche Funktion, die öffentliche Aufgaben erfülle und deshalb nicht vergleichbar sei, muss schon deshalb zurückgewiesen werden, weil es inzwischen unzählige Staaten gibt, die den Weg der transformatorischen Modernisierung gefunden haben.
Natürlich stimmt es, dass der deutsche Föderalismus bei bestimmten Modernisierungsvorhaben einen Prozess erfordert, bei dem viele zu überzeugen oder wenigstens mitzunehmen sind. Doch es gibt auch in Deutschland zentral organisierte Zuständigkeiten, die es erlauben, „Einer-für-alle-Leistungen“ zu erbringen. Damit können Standardisierung und Geschwindigkeit bei wichtigen Maßnahmen erreicht und als Vorbild genutzt werden. Die Zielstellung, um die es geht, wird für die Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands die entscheidende Rolle spielen.
Es bedarf eines politischen Konsenses, der im Nachgang gesetzlich so verankert werden muss, dass dieser unumkehrbar umgesetzt werden kann. Dafür wird es an mancher Stelle Neuanfänge brauchen und Lösungen für jene Organisationseinheiten, die es langfristig nicht mehr brauchen wird. Die Spitzen der Verwaltung bei Bund, Ländern und Kommunen müssen unternehmerische Verantwortung übernehmen, sich als Person bei den großen und übergreifenden Veränderungsprojekten einbringen. Es muss aufhören, bei diesen strukturell relevanten Projekten in Legislaturperioden zu denken.
Die Erneuerung der deutschen Verwaltung ist ein Programm, das mehr als ein Jahrzehnt in Anspruch nehmen wird und das sich auf Basis von Zielbild und Business-Case in Dimensionen bezahlt machen wird, die heute nur erahnt werden können. Wir sind es wert, dass dies angegangen wird. Die Kompetenzen sind vorhanden. Privilegien sind zu überdenken. Jeder ist eingeladen, sich mit Ideen einzubringen und zu helfen, den Karren anzuschieben.
Das Creative Bureaucracy Festival verbindet die Menschen, die für diese Erneuerung stehen, zu einer Plattform und positiven Bewegung, für Modernisierung und Veränderung der Verwaltung – in Deutschland und weltweit.