Fürsorgepflicht des Dienstherrn: Wofür gilt sie?
Da im Gesetz nur formuliert ist, dass der Dienstherr „für das Wohl seiner Beamten sorgen muss“ nicht aber konkrete Einsatzfälle dafür definiert werden – gilt das Prinzip für sehr viele verschiedene Bereiche. Einige sollen hier beschrieben werden.
Fürsorge im Krankheitsfall
Da der Dienstherr verpflichtet ist, für das Wohl seiner Beamten und Beamtinnen zu sorgen, muss er dies natürlich und vor allem im Fall von Krankheit oder Pflegebedürftigkeit tun. Im Rahmen der Beihilfe erstattet er daher einen Teil der für die Behandlung anfallenden Kosten. Das Beihilfesystem ist ein eigenständiges Krankenversicherungssystem, ähnlich dem Arbeitgeberzuschuss zur gesetzlichen Krankenversicherung bei Arbeitnehmenden. Wie diese sind auch Beamte verpflichtet, zusätzlich selbst Vorsorge zu leisten – die Beihilfe ergänzt lediglich die zumutbare Eigenvorsorge.
Eine bundeseinheitliche Regelung der Krankheitsfürsorge gibt es nicht: Sie ist in der Bundesbeihilfeverordnung (BBhV) geregelt, in den meisten Ländern gibt es jedoch eigene Landesbeihilfeverordnungen, die sich teilweise von der BBhV unterscheiden. Zusätzlich resultiert aus der Fürsorgepflicht auch die Heilfürsorge: Diese erhalten Beamte und Beamtinnen, die – wie Mitarbeitende des Justizvollzugs oder der Polizei – während ihres Dienstes besonderen Gefahren ausgesetzt sind. Die Krankheitskosten werden hier zu 100 Prozent übernommen (Beihilfe für Beamte ohne Kinder meist 50 Prozent). Dem liegt zugrunde, dass sich die Betroffenen in diesen Bereichen aufgrund der erhöhten Risiken nur zu unzumutbar hohen Tarifen selbst zusätzlich krankenversichern könnten.
Bei einem Dienstunfall greift die Fürsorgepflicht des Dienstherrn dagegen nicht: Wird beispielsweise eine Bundesbeamtin im Dienst verletzt, wird die Unfallfürsorge nach § 30 Absatz 1 des Beamtenversorgungsgesetzes (BeamtVG) wirksam. Bundesbeamte sind nicht durch die gesetzliche Unfallversicherung gemäß Sozialgesetzbuch geschützt.
Psychische Erkrankung: Pflichten des Dienstherrn
Wenn beispielsweise wegen einer psychischen Krankheit wie Burnout oder Depression der Amtsarzt aufgesucht wird, gebietet es die Fürsorgepflicht, dass dieser zur Ergänzung oder Bestätigung seiner eigenen medizinischen Einschätzung eine weitere fachliche Stellungnahme einholt, um den Gesundheitszustand des Beamten umfassend abzuklären. Grundsätzlich umfasst die Fürsorgepflicht, dass der Dienstherr psychischen Erkrankungen oder auch vorübergehenden seelischen Unausgeglichenheiten achtsam begegnet.
Fürsorgepflicht bei Mobbing und Shitstorms
Bei Umständen wie Mobbing, das zu psychischen Beeinträchtigungen führen kann, erstreckt sich die Fürsorgepflicht des Dienstherrn auch auf den Schutz des allgemeinen Persönlichkeitsrechts einer Beamtin vor verletzenden Angriffen durch Vorgesetzte und andere Mitarbeiter.
Das gilt auch für das Internet: Plattformen, auf denen beispielsweise Professoren bewertet werden können, aber auch soziale Netzwerke sorgen dafür, dass immer mehr Beamte von „Shitstorms“ betroffen sind. Der Dienstherr – in diesem Fall je nach Bundesland die Universität oder das Land – darf sich im Rahmen der Fürsorgepflicht nicht daran beteiligen oder die Professorin durch Kritik an ihrer Amtsführung nach außen bloßstellen.
In einem solchen Fall einer durch Dritte geäußerten Kritik hat die Beamtin einen Anspruch, gegenüber dem Urheber der Vorwürfe durch eine „Ehrenerklärung“ des Dienstherrn rehabilitiert zu werden. Da in § 45 BeamtStG ausdrücklich der Schutz „bei ihrer amtlichen Tätigkeit und in ihrer Stellung“ beschrieben wird, kann sich der Dienstherr nicht auf freie Meinungsäußerung berufen, sondern muss vielmehr im Rahmen der Diskussion auf die Lehr- und Meinungsfreiheit verweisen. Er hat sich – jedenfalls außerhalb des strafrechtlich relevanten Bereichs – schützend vor die Beschäftigten zu stellen. Auch bei Lehrern, deren Dienstherr immer das jeweilige Bundesland ist, gilt in gleicher Weise die Fürsorgepflicht für diesen Fall.
Urlaub ist Fürsorge
Um psychischen Beeinträchtigungen und Erschöpfung vorzubeugen, muss der Dienstherr dem Anspruch auf Urlaub seiner Beamtinnen nachkommen. Zur Erholung von der Arbeit müssen sie jedes Jahr eine längere Zeit unter Fortzahlung des Gehaltes von ihrem Dienst befreit werden.
Fürsorgepflicht gegenüber Menschen mit Behinderung
Die Fürsorgepflicht des Dienstherrn im öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis erstreckt sich auch auf den Umgang mit seinen schwerbehinderten Beschäftigten. So muss der Dienstherr bei einer „Verwendungsentscheidung“ – also der Entscheidung, welche Stelle der Beamte ausfüllen soll, – die persönliche und familiäre Situation in seine Überlegungen einbeziehen.
Fürsorge nach Ende des Dienstverhältnisses
Wie im Bundesbeamtengesetz und Beamtenstatusgesetz formuliert, gilt die Fürsorgepflicht für Beamte und ihre Familien „auch für die Zeit nach Beendigung des Beamtenverhältnisses“. So darf es beispielsweise nicht passieren, dass die Witwe eines Beamten Sozialhilfe beantragen muss, wenn die vom Dienstherrn gezahlten Witwenbezüge und regulären Beihilfeleistungen die Kosten ihres Pflegeheims nicht decken – vielmehr muss er die Beihilfeleistungen in diesem Fall aufstocken.
Verletzung der Fürsorgepflicht: Rechtliche Konsequenzen
Was passiert jedoch, wenn der Dienstherr den beschriebenen Pflichten nicht nachkommt, die aus seiner Fürsorgepflicht erwachsen? Gemäß dem gesetzlichen Charakter dieser Pflicht können sich Beamtinnen bei Verletzung der Fürsorge auf rechtlichem Wege gegen den Dienstherrn wenden.
Der erste Schritt ist, zunächst die Erfüllung der Pflicht vor dem Verwaltungsgericht einzuklagen. Ist die Erfüllung nachträglich nicht mehr möglich, können Ansprüche auf Schadensersatz und Schmerzensgeld entstehen.
Dies ist zum Beispiel der Fall, wenn der Dienstherr sich bei Entscheidungen über eine Beförderung oder Versetzung nicht ausschließlich vom Leistungsprinzip des Art 33 Abs. 2 im Grundgesetz leiten lässt: „Jeder Deutsche hat nach seiner Eignung, Befähigung und fachlichen Leistung gleichen Zugang zu jedem öffentlichen Amte.“ Jeder Beamte hat also Anspruch darauf, ermessensfehlerfrei befördert zu werden. Geschieht dies nicht, kann der Beamte eine Konkurrentenklage einreichen. Ähnlich ist die Lage in Bezug auf eine Benachteiligung bei der Einstellung oder bei unrechtmäßiger Entlassung.
Mobbing: So geht man vor, wenn die Fürsorgepflicht verletzt wird
Wenn eine Beamtin in ihrem Dienstverhältnis schikaniert wird, kann sie beantragen, dass der Vorgesetzte gegen das Mobbing einschreitet – sie kann aber auch ihre Versetzung beantragen. Ansprechpartner ist immer der direkte Vorgesetzte. Geht das Mobbing vom Vorgesetzten aus, sollte die Beamtin den nächsthöheren Vorgesetzten ansprechen. Bleibt der Dienstherr (verkörpert durch den Vorgesetzten) untätig, kann er sich wegen Verletzung seiner Fürsorgepflicht schadensersatz- oder schmerzensgeldpflichtig machen – vor allem, wenn die Beamtin durch das Mobbing erkrankt oder sogar dienstunfähig wird.
Der Schadensersatzanspruch richtet sich immer an den Dienstherrn. Die Kollegen, die sich des Mobbings schuldig gemacht haben, haften nicht unmittelbar, der Dienstherr kann aber Abmahnungen aussprechen oder Versetzungen anordnen.
Wer Opfer von Mobbing im Dienstverhältnis wird, sollte auf Folgendes achten: Das Mobbing muss nachgewiesen werden. Die Beamtin muss also alle erfolgten Handlungen und Aussagen konkret darlegen. Dazu empfiehlt es sich, ein Mobbingtagebuch anzulegen, in dem die Ereignisse mit Datum, den beteiligten Personen und weiteren Details notiert werden. Zusätzlich sollten Betroffene frühzeitig rechtlichen Rat einholen.