Industriepromotion
Promotionsstellen in Unternehmen: Die Industriepromotion

Regenrinne Mann Symbolbild Industriepromotion

Was sind die Vorteile einer Industriepromotion? © Saimen. / photocase.de

In der Wirtschaft Berufspraxis sammeln und gleichzeitig promovieren: Die Industriepromotion macht es möglich. Das Thema wird meist vom Unternehmen vorgegeben, die Arbeit entsprechend vergütet. Alles über die Vor- und Nachteile erfahren Sie hier.

Veröffentlicht: 05.04.2021

Von: Florian Heil

Bei der Industriepromotion handelt es sich um eine Kooperation zwischen einer promotionsberechtigten Hochschule und einem Industrieunternehmen. Dabei werden wissenschaftliche Fragestellungen der Hochschule und Forschungsinteressen des Unternehmens miteinander verbunden. Der Doktorand wird beim Unternehmen angestellt und erforscht dabei in der Regel ein von diesem vorgegebenen Thema. In manchen Fällen geht die Themenfindung laut dem VDI-Verein Deutscher Ingenieure e. V. auch von der Universität aus, vor allem wenn Professoren gute Verbindungen in die Industrie haben. Das Promotionsrecht obliegt dabei ausschließlich den berechtigten Hochschulen. Diese beurteilen auch die fachliche und persönliche Eignung des Promotionskandidaten.

Das Modell der Industriepromotion ist allerdings eine Randerscheinung: Wie der VDI ermittelte, entschlossen sich im Jahr 2014 nur sechs Prozent der Doktoranden eines Absolventenjahrgangs in den Ingenieurwissenschaften zu einer Dissertation in einem Unternehmen. Diese Zahlen sollen sich auch im Jahr 2021 nicht wesentlich verändert haben.

In der Regel sehen die Promotionsordnungen der Universitäten die Möglichkeit einer Industriepromotion vor. Schwieriger wird es für Absolventen von Fachhochschulen (FH) bzw. HAW, da diese – bis auf wenige Ausnahmen – nicht über ein eigenes Promotionsrecht verfügen. Masterabsolventen von FHs/HAWs müssten sich dann auf Kooperationsvereinbarungen berufen. 

In der Praxis ist eine Industriepromotion jedoch immer an Voraussetzungen gebunden, die hochschulunabhängig gelten: Die Durchführung hängt insbesondere davon ab, ob der Absolvent einen betreuenden Professor findet, den das Thema interessiert und der es als ausreichend wissenschaftlich relevant erachtet, um darüber zu promovieren. Dies kann sich nach Einschätzung des VDI als durchaus schwierig darstellen. Bestenfalls haben die Firmen bereits Kooperationen mit Universitäten geschlossen, sodass sich der organisatorische Aufwand einer Industriepromotion insgesamt in Grenzen hält.

Einige Hochschulen werben allerdings sogar um Doktoranden für eine Industriepromotion und sehen sich für dieses Vorhaben als Partner besonders gut aufgestellt. Denn es ergeben sich dadurch vielfältige Vorteile für die Institutionen. So erhalten sie Zugang zu wissenschaftlichen Fragestellungen in den Unternehmen und zu dort vorhandenen Forschungsinfrastrukturen, wie beispielsweise zu hochspezialisierten Laboren. Ein Beispiel ist die Graduiertenschule GSaME der Universität Stuttgart, die die berufliche Prägung durch das zugrunde gelegte duale Qualifizierungsprinzip hervorhebt.

Viele größere Industrieunternehmen buhlen ebenfalls um wissenschaftlichen Nachwuchs und bieten spezielle Doktorandenprogramme, darunter Bosch, BMW oder Siemens.

Prinzipiell ist eine Industriepromotion für alle Fachbereiche machbar, sofern sie in den Promotionsordnungen der Hochschulen nicht explizit ausgeschlossen wird. Besondere Relevanz hat diese Promotionsform für Fächer, die typischerweise für eine Industriekarriere qualifizieren sowie generell für Bereiche mit technischen oder kaufmännischen Themenstellungen. Dazu gehören der Maschinen- und Anlagenbau, die Elektrotechnik, die Prozesstechnik, die Medizintechnik, die Informatik, die Physik, die Chemietechnik oder auch die Wirtschaftswissenschaften.

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Die Industriepromotion hat für den Doktoranden gegenüber anderen Promotionsmodellen mehrere Vorteile:

  • Gegenstand der Forschung ist in der Regel ein aktuelles Thema mit hoher praktischer Relevanz. Die Ergebnisse werden oft direkt umgesetzt.
  • Die Doktoranden haben durch die Kooperation bereits einen Fuß im Unternehmen und können sich so für eine Anschlussbeschäftigung empfehlen.
  • Sie werden fachlich gezielt unterstützt und in der Regel auch persönlich gut betreut.
  • Sie sind finanziell durch einen befristeten Arbeitsvertrag finanziell abgesichert.


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Den Vorteilen stehen aber auch einige Nachteile dieses Promotionsmodells gegenüber:

  • Im Vorfeld der Promotion ist oft ein erheblicher Abstimmungsaufwand zwischen Industriepartner und betreuendem Professor beziehungsweise Hochschule notwendig. Besonderes Augenmerk gilt dabei der Zeit der Niederschrift. Hier entstehen potenziell die größten Spannungen zwischen den Beteiligten in der Erwartungshaltung. Eine klare Betreuungsvereinbarung im Vorfeld hilft, Unklarheiten zu vermeiden. 
  • Die Wissenschaftlichkeit einer Arbeit kann umstritten sein, da die Forschung die Problemlösung in den Mittelpunkt stellt und nicht den wissenschaftlichen Mehrwert. Zudem kann der Verdacht aufkommen, dass die Note aufgrund von Abhängigkeiten nicht der tatsächlichen Leistung entspricht. 
  • Promovierende werden in manchen Fällen nicht ausreichend in die Wissenschaftsgemeinde eingebunden und sehen sich von der Scientific Community mit Vorwürfen konfrontiert, dass nicht wissenschaftlich genug gearbeitet wurde.
  • Aufgrund von Geheimhaltungsklauseln kann das Veröffentlichen von Forschungsergebnissen erschwert werden. Auch der wissenschaftliche Wert einer Veröffentlichung kann dadurch vermindert sein.
  • Doktorväter und -mütter können dazu neigen, an Industriedoktoranden schlechtere Noten zu vergeben, da oft unterstellt wird, dass diese nach der Promotion keine wissenschaftliche Hochschulkarriere anstreben.
  • Die Promotion zieht sich in die Länge oder wird nicht beendet. Gründe hierfür können unklare Vereinbarungen zur Betreuung sein oder dass die Promovierenden aus betrieblichen Zwängen heraus in ein anderes Projekt eingebunden werden.


Die Bezahlung während der Promotion ist eine individuelle Angelegenheit und stark abhängig vom jeweiligen Unternehmen. Ein in der Praxis mögliches Modell ist laut VDI die Bezahlung eines halben Masterabsolventengehalts, wenn der Doktorand die Hälfte der Vertragszeit im Unternehmen forscht und die andere Hälfte zum Verfassen der Doktorarbeit nutzt. Bei BMW erhalten Doktoranden beispielsweise einen Vertrag über drei Jahre, der eine monatliches Gehalt von 2.712 Euro brutto beinhaltet.

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