Promotionsrecht
HAW-Promotion: Promovieren mit FH-Abschluss?

Eine lächelnde HAW-Doktorandin mit Unterlagen

Promotion an einer HAW? Klar, warum nicht? © PaulBiryukov / iStock

Seit der Umsetzung der Bologna-Erklärung ist das Promotionsrecht auch für Hochschulen für Angewandte Wissenschaften vorgesehen. Doch bislang bestehen nur in der Hälfte der Bundesländer gesetzliche Rahmenbedingungen für die Verleihung des Promotionsrechts an HAWs. Grundsätzlich sind in ganz Deutschland mit HAW- oder FH-Abschluss aber kooperative Promotionen oder Industriepromotionen möglich.

Veröffentlicht: 19.12.2023

Von: Florian Heil

Hochschulen, die sich durch eine starke Praxis- und Anwendungsorientierung auszeichnen, wurden in Deutschland lange Zeit traditionell als Fachhochschule (FH) bezeichnet. Durch das zunehmende Fächerspektrum und in Anlehnung an den englischen Begriff „University of Applied Sciences“ hat sich jedoch die Bezeichnung „Hochschulen für Angewandte Wissenschaften“ (HAW) durchgesetzt. Nur in Schleswig-Holstein und in Einzelfällen in Nordrhein-Westfalen bezeichnen sich die Institutionen noch als Fachhochschule. Das Fächerspektrum der HAWs konzentriert sich überwiegend auf technisch-ingenieurwissenschaftliche, wirtschaftswissenschaftliche und sozialwissenschaftliche Bereiche.

In Deutschland gibt es nach Angaben des Hochschullehrerbundes (hlb) 213 HAWs, darunter rund 80 meist kleinere private Einrichtungen und knapp 20 in kirchlicher Trägerschaft. Zudem existieren noch etwa 35 Hochschulen für Angewandte Wissenschaften für die öffentliche Verwaltung des Bundes und der Länder, die für die Laufbahn des gehobenen Dienstes ausbilden und nur angehende Beamt:innen des Öffentlichen Dienstes aufnehmen.

Das Bundesverfassungsgericht hat 2010 grundlegend anerkannt, dass Fachhochschulen ebenso wie Universitäten Orte der Wissenschaft sind. Denn weder findet an Universitäten ausschließlich Grundlagenforschung statt, noch wird an Hochschulen für Angewandte Wissenschaften ausschließlich anwendungsbezogen geforscht. Vielmehr nimmt der Bereich der Forschung an den HAWs im Vergleich zur Lehre einen immer größeren Stellenwert ein. 

Dennoch haben viele Hochschulen für Angewandte Wissenschaften auch im Jahr 2023 noch kein Promotionsrecht, da dieses von den Bundesländern in den Hochschulgesetzen erst verankert werden muss. Laut des Hochschullehrerbunds (hlb) haben Baden-Württemberg, Hessen, Nordrhein-Westfalen und Sachsen-Anhalt den Hochschulen für angewandte Wissenschaften das eigenständige Promotionsrecht verliehen.

Im Oktober 2023 befürwortete der Wissenschaftsantrag zudem einen Antrag der HAW Hamburg auf eigenständiges Promotionsrecht. Unter dem Dach einer neuen Research School sind in den drei Programmen„Interdisziplinäre Sozial- und Gesundheitsforschung“, „Computational Engineering and Applied Data Science“ sowie „Sustainable Technologies and Systems“ nun (zunächst befristet auf acht Jahre) eigenständige Promotionen möglich.

In Bayern, Berlin, Bremen und Schleswig-Holstein bestehen die gesetzlichen Rahmenbedingungen, einzelnen HAWs unter gewissen Voraussetzungen – also vor allem der Nachweis über entsprechende Forschungsschwerpunkte – das Promotionsrecht zumindest probeweise zu verleihen.

Seit der Umsetzung des Bologna-Prozesses berechtigt der Masterabschluss an einer HAW/FH zur Promotion; die Art der Hochschule spielt dabei keine Rolle mehr. Mit den an HAWs erworbenen Bachelor- oder Diplomabschlüssen müssen Promovend:innen allerdings zusätzliche Voraussetzungen erfüllen. Oft sind dies eine sehr gute Abschlussnote und das erfolgreiche Durchlaufen eines sogenannten Eignungsfeststellungsverfahren.

Da jede Promotionsordnung ihre eigenen Eingangsvoraussetzungen aufstellt, kann es jedoch sein, dass Masterabsolvent:innen von Hochschulen für Angewandte Wissenschaften die fachlichen Vorgaben nicht erfüllen können. So haben beispielsweise Wirtschaftsjurist:innen mitunter Probleme, an juristischen Fakultäten zu promovieren. Denn die Universitäten setzen für die Promotionszulassung unter anderem Kenntnisse in Strafrecht voraus. Dieser Teilbereich wird in der Ausbildung zum Wirtschaftsjuristen an HAWs jedoch in der Regel nicht gelehrt. Sie verfügen zwar über andere Kompetenzen, die aber in der auf klassisch ausgebildete Jurist:innen zugeschnittenen Promotionsordnung nicht relevant sind.

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Immerhin: Auch wer an einer nicht promotionsberechtigten Hochschulen für angewandte Wissenschaften studiert, kann heute promovieren – oft in Form einer kooperativen Promotion. Bei diesem Modell schließen sich Fachhochschulen mit Universitäten zusammen, um ihren Absolvent:innen den Weg zum Doktortitel zu ermöglichen. So arbeitet die Hochschule Augsburg beispielsweise gleich mit elf Universitäten im In- und Ausland zusammen. 

Die wissenschaftliche Arbeit erfolgt in der Regel an der HAW, und ein:e Professor:in der kooperierenden Universität fungiert als Doktorvater oder -mutter. Dabei schaffen die Universitäten die Möglichkeit, dass Professor:innen der HAW als Betreuer:innen, Gutachter:innen und Prüfende im Promotionsverfahren gleichberechtigt mitwirken. Die Betreuung des Doktoranden sowie die Erst- und Zweitbegutachtung werden individuell koordiniert.

Doch auch unabhängig von solchen institutionellen Kooperationsabkommen können Masterabsolvent:innen an Hochschulen für angewandte Wissenschaften ihren Doktor machen. In der Praxis hängt diese Möglichkeit laut hlb jedoch in erster Linie davon ab, ob Lehrende an den HAWs gut vernetzt sind. Haben sie gute Kontakte zu Professor:innen von promotionsberechtigten Hochschulen im In- oder Ausland haben, können sie darüber Absolvent:innen eine Promotion ermöglichen

Noch sind die Anzahl der Promotionen an HAWs vergleichsweise gering: Laut Destatis promovierten am 1. Dezember 2022 nur 329 von insgesamt 205.302 Doktorand:innen an einer HAW/FH.

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Der inhaltliche Anspruch der Promotionen ist in der Theorie gleich – schließlich werden die Titel in der Regel auch nur von den Universitäten verliehen. Die Qualitätsstandards entsprechen denen universitärer Promotionen. Auch für Dissertationen von HAW-Absolvent:innen gilt, dass sie der Wissenschaft einen Erkenntnisfortschritt verschaffen sollen.

In der Praxis werden an die Promotion von Doktorand:innen der Hochschulen für Angewandte Wissenschaften laut hlb sogar oft höhere Ansprüche gestellt, da sie in vielen Fällen noch kritischer beäugt würden.

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