HAW-Professur
HAW-Professur - Mit Berufspraxis zum Lehrstuhl

Ein HAW-Professor erklärt Student:innen eines Ingenieurstudiengangs eine Maschine

Die HAW-Professur: Lehre mit Wirkung. © andresr / iStock.com

Eine Professur an einer Hochschule für angewandte Wissenschaften (HAW) bietet Lehre und Forschung mit anwendungsbezogenem Schwerpunkt. Was kann als Berufspraxis geltend gemacht werden, was sind weitere Voraussetzungen und welche Aufgaben haben Professor:innen?

Veröffentlicht: 19.06.2023

Von: Anke Wilde/Gaby Köchel

Schon seit einigen Jahren preschen die Hochschulen für Angewandte Wissenschaften (HAWs) nach vorne und treten selbstbewusst aus dem Schatten der Universitäten heraus. Viele haben sich im Zuge ihrer Neuaufstellung bereits umbenannt – früher trugen sie die Bezeichnung Fachhochschule (FH). Praxisorientierung, angewandte Forschung und qualitativ hochwertige Lehre sind die Markenzeichen der Hochschulen für angewandte Wissenschaften.

Hochschulen für angewandte Wissenschaften bieten anwendungsbezogene Studiengänge und ziehen hoch qualifizierten Nachwuchs heran. Ihre fachlichen Schwerpunkte liegen oft in den Ingenieur-, Medien-, Rechts- und Sozialwissenschaften. Spezielle Verwaltungsfachhochschulen sind zur Ausbildung von Personal für die öffentliche Verwaltung abgestellt.

Forschung spielt an vielen Hochschulen für angewandte Wissenschaften eine größere Rolle. Auch hier geht es jedoch weniger um die Grundlagenforschung als vielmehr um praktische Anwendung. Es gibt vielfältige Kooperationen mit kleinen und mittelständischen Betrieben, aber auch mit größeren Unternehmen sowie mit Nichtregierungsorganisationen und gesellschaftlichen Akteur:innen.

Zunehmend wird es an Hochschulen für angewandte Wissenschaften auch möglich, neben dem Modell der kooperativen Promotion in Zusammenarbeit mit einer Universität auch nach dem eigenständigen Promotionsrecht zu promovieren. In 12 von 16 Bundesländern wurde diese Möglichkeit in den vergangenen Jahren bereits umgesetzt oder ist derzeit in Vorbereitung (Stand: April 2024).

Aufgrund gesetzlicher Vorgaben zur Lehrverpflichtung sind HAW-Professor:innen durchschnittlich deutlich mehr in die Lehre involviert als Universitätsprofessor:innen. Dies bedeutet häufig weniger Zeit für die Forschung, dafür aber eine intensive Auseinandersetzung mit dem wissenschaftlichen Nachwuchs. Aufgrund der Entwicklung in den vergangenen Jahren gewinnen aber auch Forschung und Transfer genau wie die Einwerbung von Drittmitteln immer mehr an Bedeutung im Arbeitsalltag von Professor:innen.

Die HAW-Professur erfordert andere Karriereschritte als die Universitätsprofessur. Wesentliches Unterscheidungsmerkmal ist die Berufserfahrung. In fast allen Landeshochschulgesetzen wird festgehalten, dass HAW-Professor:innen in ihrem Fachgebiet mindestens eine fünfjährige Berufspraxis in der Entwicklung und Anwendung von wissenschaftlichen Methoden und Erkenntnissen vorweisen müssen. Mindestens drei Jahre davon müssen außerhalb des Hochschulbereichs verbracht werden.

Ausnahmen: In Sachsen-Anhalt ist nur eine dreijährige Berufspraxis außerhalb der Hochschule gefordert; in Brandenburg ist eine dreijährige Berufspraxis, zwei Jahre davon außerhalb der Hochschule, Voraussetzung für eine HAW-Professur.

Im Gegenzug benötigen die HAW-Lehrenden nicht zwingend „zusätzlichen wissenschaftlichen Leistungen“, die für ihre Kolleg:innen an der Universität im Rahmen von Habilitation, Juniorprofessur oder Nachwuchsgruppenleitung eine obligatorische Voraussetzung darstellen. Für eine HAW-Professur ohne Berufserfahrung halten die meisten Landeshochschulgesetze aber eine kleine Hintertür offen: In „besonders begründeten Ausnahmefällen” kann auch sie auf Basis der eher akademisch orientierten Kriterien für eine Universitätsprofessur vergeben werden.

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Die geforderte berufliche Praxis sieht von Fach zu Fach unterschiedlich aus. Wer im eigenen Fachgebiet in den Lebensläufen von HAW-Professor:innen stöbert, wird auch hier ein breites Spektrum von Werdegängen finden. Einige haben erst nach mehreren Jahren in der freien Wirtschaft festgestellt, dass sie ihr Wissen an Studierende weitergeben wollen, und sich daraufhin auf eine Professur beworben. Genau diese langjährige Praxiserfahrung macht sie jedoch für HAWs attraktiv – nicht umsonst heißen diese Einrichtungen oft „Hochschule für angewandte Wissenschaften“.

Eine Postdoc-Stelle in der freien Wirtschaft bietet Gelegenheit, diese praktischen Erfahrungen auf hohem Niveau zu sammeln. Allerdings finden Sie diese nur in den wenigsten Fachgebieten außerhalb des Hochschul- und Forschungssektors, und so qualifiziert Sie grundsätzlich jede Stelle, in der Sie Ihre fachliche Expertise voll entfalten können, für die HAW-Professur.

Letztlich gilt: Ihre berufliche Praxis muss einschlägig sein. Das heißt, sie muss in einem erkennbaren Zusammenhang stehen mit dem Fach, das Sie unterrichten wollen. Schließlich dient diese Zeit als Nachweis Ihrer Fähigkeit, anwendungsorientiert zu lehren und zu forschen. Viele Hochschulen erwarten zwar, dass diese Tätigkeit in Vollzeit ausgeführt wurde, die meisten aber geben sich auch mit einer Teilzeittätigkeit zufrieden.

Lassen Sie während Ihrer Berufspraxis in der freien Wirtschaft nicht den Draht in die Wissenschaftswelt abreißen. Bleiben Sie Mitglied in den Fachgesellschaften und besuchen Sie, wenn möglich, gelegentlich Tagungen. Vor allem aber können Sie auch regelmäßig Lehraufträge an einer Hochschulen für angewandte Wissenschaften annehmen, denn belastbare Erfahrungen in der Lehre sind bei Bewerbungen um eine HAW-Professur von großem Vorteil.

Auch die Tätigkeit an einer außeruniversitären Forschungseinrichtung kann als externe Berufspraxis anerkannt werden. Dies wird an den einzelnen Hochschulen für angewandte Wissenschaften jedoch unterschiedlich gehandhabt. Dabei macht es einen Unterschied, an welchem Institut Sie tätig waren und wie praxisnah die Forschung dort ist. Ein Aufenthalt an einem Fraunhofer-Institut wird meist als die erforderliche Berufspraxis außerhalb der Hochschule gewertet, eine Stelle bei einem Max-Planck-Institut hingegen nicht unbedingt, da die Institute in erster Linie Grundlagenforschung betreiben.

Wer hingegen seine gesamte Forschungslaufbahn ausschließlich an Hochschulen und Universitäten zugebracht hat, hat bei der Bewerbung auf eine HAW-Professur schlechtere Karten. Habilitierte müssen sich in der Bewerberrunde definitiv auf die Frage einstellen, warum sie an einer Hochschulen für angewandte Wissenschaften arbeiten wollen.

Im Einzelfall kann die Habilitation jedoch auch als hinreichende Berufserfahrung anerkannt werden. Allerdings sollten Sie den Praxisbezug Ihrer Habilitation im Bewerbungsanschreiben erläutern. Gerade wenn eine HAW-Professur wiederholt ausgeschrieben wird, weil es bisher keine passenden Bewerber:innen gab, sind die Berufungskommissionen zu Kompromissen bereit.

Zudem besteht mittlerweile in vielen Bundesländern die Option einer Tandem- oder Nachwuchsprofessur; hierbei handelt es sich in aller Regel um eine Teilzeitprofessur, sodass die Nachwuchslehrkräfte parallel zur Lehrtätigkeit die nötige Berufserfahrung sammeln oder an ihrer Dissertation schreiben können.

Wo können HAW-Professoren und -Professorinnen Berufserfahrung sammeln?

  • Außeruniversitäre Forschungseinrichtungen
  • Industrieunternehmen
  • Hochschule
  • Selbstständigkeit
  • Beratungsunternehmen

Die Vermittlung von Wissen steht an den Hochschulen für angewandte Wissenschaften im Vordergrund. Die Lehrverpflichtung umfasst in der Regel 18 Semesterwochenstunden. Zur Vor- und Nachbereitung der Lehrveranstaltungen kommen noch Verwaltungstätigkeiten und die Forschung hinzu. Die Einwerbung von Drittmitteln war an Hochschulen für angewandte Wissenschaften in der Vergangenheit weniger wichtig als an den Universitäten, rückt aber durch die stärkere Ausrichtung zur Anwendungsforschung zunehmend in den Fokus.

HAW-Professuren werden oft mit sehr spezifischem Anforderungsprofil ausgeschrieben. Dieses wird jedoch nur in den seltensten Fällen erfüllt. Daher ist es wichtig, dass Sie sich im Vorfeld überlegen, mit welchen Erfahrungen Sie dem gesuchten Profil entsprechen, und welche zusätzlichen Erfahrungen, Netzwerke und mögliche Kooperationspartner Sie mitbringen, von denen Studierende und Hochschulen für Angewandte Wissenschaften profitieren können.

Das Berufsbild HAW-Professur steht oft weniger im Fokus als das der Universitätsprofessur, doch zahlenmäßig sind beide fast ebenbürtig: Exakt 21.586 Professor:innen lehrten laut Statista 2022 an den Hochschulen für angewandte Wissenschaften in Deutschland – einen Überblick über die HAWs in Deutschland finden Sie auf dieser interaktiven Karte.

Die gesetzlichen Vorgaben an die Berufung von Hochschulen für angewandte Wissenschaften sind die gleichen wie an den Universitäten: Die Professur muss öffentlich ausgeschrieben werden, eine Berufungskommission kommt zum Einsatz, die aus den Bewerber:innen den am besten geeigneten Kandidat:innen zum „Vorsingen“ einlädt. Die drei besten Bewerbenden kommen auf die Berufungsliste. Haben die jeweils erforderlichen Gremien dieser zugestimmt, dann erhält der oder die Erstplatzierte den Ruf.

Auch HAW-Professor:innen haben das Recht, den Titel „Professor“ oder „Professorin“ zu führen. Hier gibt es keinen Unterschied zur Universitätsprofessur. Föderale Unterschiede gibt es jedoch, wenn ein:e Professor:in aus dem Hochschuldienst ausscheidet. Der Titel darf dann weitergeführt werden, wenn der Professor oder die Professorin bereits die Altersgrenze erreicht hat oder dienstunfähig wird. Meist gibt es in den jeweiligen Gesetzen aber einen zusätzlichen Passus, wonach unter bestimmten Bedingungen bereits nach fünf oder sechs Jahren Dienstzeit der Titel behalten werden darf.

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Für die HAW-Professur wird eine einschlägige Promotion als Nachweis der Befähigung zu wissenschaftlicher Arbeit benötigt. Ausnahmen sind nur äußerst selten möglich. Der Hochschullehrerbund, der Berufsverband der Lehrkräfte an Hochschulen für angewandte Wissenschaften, empfiehlt Interessierten außerdem, sich langfristig auf eine solche Bewerbung vorzubereiten. Ihr Arbeitsgebiet sollte nicht zu eng gefasst werden.

Schärfen Sie – wie auch im universitären Forschungsbetrieb – Ihr wissenschaftliches Profil zum Beispiel durch Veröffentlichungen und Fachvorträge. Sammeln Sie zudem Lehrerfahrungen durch Lehraufträge, Vertretungs- und Gastprofessuren. Auch Tätigkeiten als Ausbilder:in in einem Unternehmen werden als Lehrerfahrung anerkannt. Zudem sollten Sie Mitglied in den einschlägigen Netzwerken, Fachgesellschaften und Berufsverbänden sein und die dort angebotenen Möglichkeiten auch tatsächlich nutzen.

Sie sind unsicher, ob Sie die Voraussetzungen für eine HAW-Professur erfüllen? Finden Sie es hier mit wenigen Klicks heraus.

Welche Voraussetzungen müssen HAW-Professoren und -Professorinnen erfüllen?

  • Abgeschlossenes Hochschulstudium
  • Promotion
  • Erfahrung in Anwendung und Entwicklung wissenschaftlicher Erkenntnisse und Methoden
  • Berufserfahrung außerhalb des Hochschulsektors
  • Publikationen
  • Lehrerfahrung

HAW-Professor:innen sind in der Regel verbeamtet und werden nach W1, W2 oder W3 besoldet. Einen Überblick über die Richtlinien der einzelnen Bundesländer beziehungsweise Hochschulen hat der Hochschulverband zusammengestellt.

Auch an einer HAW erhalten Sie zusätzlich zur Grundbesoldung Leistungsbezüge, die Sie bei Ihrer Berufung, bei Bleibeverhandlungen, aber auch nach Ablauf von jeweils fünf Jahren aushandeln können. Das gilt auch für Professor:innen, die nicht verbeamtet sind, sondern Angestellte ihrer Hochschulen. Diese Zulagen werden für besondere Leistungen in Lehre, Forschung, Kunst, Weiterbildung, Nachwuchsförderung, Selbstverwaltung und anderen Bereichen gewährt. Sie können auf das spätere Ruhegehalt angerechnet werden.

Für spezielle Leitungsfunktionen gibt es zudem noch Funktionsleistungsbezüge. Das betrifft in der Regel die Rektor:innen, Dekan:innen sowie Frauenbeauftragte. Die Vergabe von Leistungsbezügen wird vom Bundesland gesetzlich geregelt. Viele Hochschulen für angewandte Wissenschaften haben eine eigene Ordnung für die Vergabe von Leistungsbezügen, in der das Verfahren, die Vergabebedingungen sowie die maximale Höhe dieser Bezüge festgelegt sind. 

Wenn Sie Ihre Vielseitigkeit in Wirtschaft und Wissenschaft unter Beweis gestellt haben, möchten Sie vielleicht nicht allein auf eine HAW-Professur festgelegt sein, sondern denken über eine zusätzliche Nebentätigkeit nach. Grundsätzlich ist diese Beamt:innen gestattet, doch sie ist mindestens anzeige- und meist auch genehmigungspflichtig. Keine Genehmigung benötigen Sie in der Regel für Nebentätigkeiten, die in den privaten Bereich fallen, unentgeltlich sind oder auch für Vortragstätigkeiten – sofern Sie mit der Ausübung nicht Ihre dienstlichen Pflichten verletzen.

Mit einer Absage müssen Sie rechnen, falls Ihre Nebentätigkeit im Konflikt mit Ihrer Haupttätigkeit als HAW-Professor:in steht. Also etwa wenn ...

  • Ihre Unbefangenheit oder Überparteilichkeit dadurch beeinflusst wird,
  • Sie mehr als 40 Prozent Ihres jährlichen Endgrundgehalts dafür erhalten oder
  • Sie mehr als ein Fünftel Ihrer regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit dafür aufbringen.

Die genauen Modalitäten lassen sich aus der Bundesnebentätigkeitsverordnung und den Hochschulnebentätigkeitsverordnungen der Länder entnehmen.

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