Nachwuchsprofessur / Tandemprofessur
HAW: Was hat es mit der W1-Nachwuchsprofessur auf sich?

Ein rotes Tandemfahrrad hängt an einer Wand

Tandem: eine schlaue Lösung, auch bei HAW-Professuren. © Adolfo Félix / unsplash.com

Wer sich um eine HAW-Professur (FH-Professur) bewirbt, muss für gewöhnlich einen Doktortitel, fundierte Lehrerfahrung und eine mehrjährige Berufspraxis mitbringen. In einigen Bundesländern ist es aber möglich, die Berufserfahrung oder auch Promotion parallel zur Lehrtätigkeit zu absolvieren. Alle Infos zur Nachwuchs- oder Tandemprofessur.

Veröffentlicht: 02.03.2023

Von: Maike Schade

Der Job als Professor oder Professorin an einer Hochschule für angewandte Wissenschaften (HAW) ist anspruchsvoll: Er umfasst nicht nur die praxisnahe Lehre, sondern auch die anwendungsorientierte Forschung, meist in Kooperation mit Unternehmen. Wer einen Ruf erhalten will, muss deshalb in den meisten Bundesländern eine fünfjährige Berufspraxis (drei Jahre davon außerhalb der Hochschule) und Lehrerfahrung nachweisen können. Eine Habilitation ist nicht nötig – wohl aber ein Doktortitel.

Diese anspruchsvollen Voraussetzungen bringen nicht viele mit, weshalb viele HAWs Probleme haben, vakante Professuren zu besetzen. Abhilfe schaffen sollen – unter anderem – die sogenannten Tandem- oder Nachwuchsprofessuren.

Die Lehr- und Forschungstätigkeit ist hierbei in der Regel auf 50 Prozent reduziert; die Professoren und Professorinnen sammeln parallel in einem (kooperierenden) Unternehmen die nötige Berufspraxis oder schreiben ihre Dissertation. Nach erfolgreichem Absolvieren dieser dreijährigen, halben W1-Professur erfüllen diese HAW-Nachwuchslehrkräfte die Voraussetzungen für eine Bewerbung um eine W2-Professur.

Prof. Dr. Jörg Bagdahn, Präsident der Hochschule Anhalt, Vizepräsident der Hochschulrektorenkonferenz (HRK) und Sprecher der Mitgliedergruppe der Hochschulen für Angewandte Wissenschaften (HAWs) in der HRK, unterscheidet dabei zwischen Tandemprofessuren und Tandemstellen.

Bei ersteren ist wie bei einer Tenure-Track-Professur die anschließende W2-Professur bei erfolgreichem Abschluss bereits vertraglich vorgesehen. Bei zweiterer erlangen die Nachwuchslehrenden „nur“ die nötigen Voraussetzungen, um sich um eine HAW-Professur zu bewerben. Ob die Hochschule den vakanten Lehrstuhl als Tandem-Professur mit Tenure-Track oder als Tandemstelle ausschreibt, ist ihr selbst überlassen.

Neben den Tandemmodellen sollen weitere Maßnahmen eines groß angelegten, von Bund und Ländern finanzierten Förderprogramms helfen, den Professorenmangel an HAWs zu lindern:

  • mehr Schwerpunktprofessuren mit W3-Besoldung und geringerem Lehrdeputat
  • mehr Promotionskooperationen
  • Etablierung oder Ausbau von Vernetzungsstrukturen.

Laut Bagdahn werden Anfang 2023 knapp 100 HAWs gefördert; insgesamt belaufen sich die Fördermittel von Bund und Ländern auf 431,5 Millionen Euro.

„Das Modell der Tandemstellen ist sehr positiv angelaufen.“

Prof. Dr. Jörg Bagdahn, Präsident der Hochschule Anhalt und Vizepräsident der Hochschulrektorenkonferenz (HRK)

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Und wer hat's erfunden? Nein, nicht die Schweizer – es war die Fachhochschule Münster (NRW), die im Jahr 2012 einen Modellversuch startete. Und das Modell hat (Hoch-)Schule gemacht: Mehrere Bundesländer haben die Idee übernommen. Eingeführt wurde die Nachwuchs- bzw. Tandemprofessur mittlerweile in

  • Baden-Württemberg,
  • Rheinland-Pfalz,
  • Bayern
  • Hessen und
  • dem Saarland.

Dabei sind die Rahmenbedingungen und auch die Bezeichnung in den jeweiligen Landesgesetzen unterschiedlich geregelt. Die folgende Tabelle gibt einen Überblick.

Bundesland Gesetzliche Regelung

Baden-Württemberg

Tandemprofessur zur Erlangung von fehlender pädagogischer Erfahrung, Promotion oder Berufspraxis; die außerhochschulischen Aufgaben müssen der Erlangung der fehlenden Qualifikation dienen und müssen aus den Mitteln Dritter bezahlt werden.

Bayern

Nachwuchsprofessur zur Erlangung von Promotion oder Berufspraxis; Beamtenverhältnis auf Zeit oder privatrechtliches Arbeitsverhältnis; Dauer: mind. 3 und max. 6 Jahre (Bayerisches Hochschulinnovationsgesetz, Art. 64)

Hessen

Tandemprofessur zur Erlangung der fehlenden dreijährigen außerhochschulischen Berufspraxis (Promotion ist Voraussetzung); höchstens auf vier Jahre befristetes Arbeitsverhältnis in hälftiger Teilzeit an der HAW; Vergütung orientiert sich an W1 (Hessisches Hochschulgesetz § 71)

Rheinland-Pfalz

Tandemprofessur zur Erlangung der fehlenden Berufspraxis (Promotion ist Voraussetzung); privatrechtliches Dienstverhältnis für die Dauer von bis zu drei Jahren (befristete Verbeamtung nicht vorgesehen); hälftige Teilzeit an der HAW; Vergütung orientiert sich an W1 (Hochschulgesetz Rheinland-Pfalz § 56)

Saarland

Nachwuchsprofessur zur Erlangung der fehlenden Berufspraxis (Promotion ist Voraussetzung) für eine Dauer von bis zu drei Jahren, nach der Hälfte findet eine Zwischenevaluation statt; Vergütung orientiert sich an W1 (Saarländisches Hochschulgesetz § 42a)

In Sachsen und Brandenburg ist die Einführung beabsichtigt. Ein Sonderfall ist Nordrhein-Westfalen: Hier ist die Nachwuchsprofessur zwar nicht im Hochschulgesetz verankert, das Modell ist aber gängige Praxis.

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Ob die Tandemprofessur ein geeignetes Mittel ist, das Problem der Besetzung von HAW-Professuren zu lösen? Zahlen, die Rückschlüsse erlauben würden, gibt es Anfang 2023 kaum – wie viele Tandem- und Nachwuchsprofessuren es in Deutschland gibt, wird noch nicht zentral erfasst.

Laut Dr. Karla Neschke, stellvertretende Geschäftsführerin des Hochschulbundes (hlb), wechselt etwa die Hälfte der Nachwuchsprofessor:innen, die parallel Berufserfahrung sammeln, nach den drei Jahren in die Wirtschaft. Sie ist skeptisch: „Das Modell wird nicht dazu führen, die bisherige Qualität in der angewandten Lehre und in der anwendungsorientierten Forschung zu sichern. Es sollte nur in jenen Fällen genutzt werden, in denen anderweitig die Professuren nicht besetzt werden können und auch dann nicht mehr als insgesamt fünf Prozent aller Professuren an HAW abdecken, um einen Qualitätsverlust zu vermeiden.“

Um für hochqualifizierte Bewerber und Bewerberinnen attraktiv zu werden, sei es nötig, andere „Anreizsysteme“ zu schaffen: mehr W3-Professuren, weniger Lehrverpflichtung und mehr Zeit für anwendungsorientierte Forschung. Derzeit beträgt das Lehrdeputat für HAW-Professuren 18 Semesterwochenstunden – „das ist viel zu viel, um daneben noch vernünftig Forschung und Transfer zu leisten“, so Neschke.

Schon gewusst?

HAW, FH – wo ist da der Unterschied? Ganz einfache Antwort: Es gibt keinen. Mit der Umbenennung von Fachhochschule (FH) in Hochschule für angewandte Wissenschaften (HAW) soll das Image dieser Hochschulen verbessert werden und klarer kommuniziert werden: HAWs arbeiten zwar praxisbezogener als die theoretisch ausgerichteten Universitäten, sind aber aber genauso gut.

Prof. Dr. Jörg Bagdahn von der HRK bewertet Tandemstellen bzw. -professuren dagegen positiv. „Selbst wenn sich die Hälfte der Tandemprofessoren und -professorinnen nach den drei Jahren dafür entscheidet, in die Wirtschaft zu wechseln, bleibt die andere Hälfte den HAWs erhalten, die Professuren konnten erfolgreich besetzt werden. Und, ebenso wichtig: Über die Personen, die in die Wirtschaft wechseln, entstehen langfristig Beziehungen zwischen Unternehmen und Hochschulen.“ Es sei wichtig, frühzeitig Perspektiven und Optionen zur persönlichen Zielfindung zu bieten.

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