Diversität
Diversity – was ist das eigentlich?

Bunte Puzzleteile als Symbolbild für Diversität

Diversität: Viele bunte, unterschiedliche Teile ergeben zusammen ein Bild. © Hans-Peter Gauster / unsplash.com

Diversität hier, Vielfalt da, Diversity überall. Aber muss das wirklich sein? Was genau bedeutet Diversität eigentlich? Und was hat es mit der Charta der Vielfalt auf sich?

Veröffentlicht: 10.05.2023

Von: Maike Schade

Was bedeutet Diversität oder, auf englisch, Diversity? Grundsätzlich erst einmal: Vielfalt, Ungleichheit. Im gesellschaftlichen Kontext ist hierbei gemeint, dass wir Menschen alle unterschiedlich sind – beispielsweise im Aussehen, der Herkunft, der Religion, der sexuellen Orientierung, dem Geschlecht oder der Geschlechtsidentität, dem Alter und auch in unseren Talenten, Vorlieben und Überzeugungen.

Im heutigen Sprachgebrauch hat Diversity aber eine über den Wortsinn hinausgehende Bedeutung. Gemeint ist hier, dass niemand aufgrund der oben aufgeführten sogenannten Diversity-Dimensionen benachteiligt werden darf. Dass jede:r vorurteilsfrei wertgeschätzt wird und dieselben Chancen erhält.

Seinen Ursprung hat dieser Diversity-Ansatz in den USA, wo in den 1960er-Jahren vor allem Frauen, Bürgerrechtler:innen, Homosexuelle und Menschen mit Beeinträchtigungen verstärkt begannen, für Gleichberechtigung und gegen Diskriminierung zu kämpfen. Erfolgreich: Mit dem Civil Rights Act (1964), der Equal Employment Opportunities (1965) und der Affirmative Action (1965) wurde das Recht auf Gleichberechtigung in der US-Verfassung verankert.

Auf den Punkt gebracht

Diversity heißt nicht, dass wir alle gleich sind oder sein sollten. Sondern, dass wir unsere Gemeinsamkeiten und Unterschiede erkennen, respektieren und wertschätzen. 

Nach Deutschland kam die Diversity-Bewegung erst in den 1990er-Jahren. Seitdem wuchs die Aufmerksamkeit für die Thematik – zunächst im wissenschaftlichen Diskurs, nach und nach auch in der Gesellschaft. Heute, in den 2020er-Jahren, hat Diversität und damit einhergehend das sogenannte Diversity-Management, das die Chancengleichheit herbeiführen soll, einen hohen Stellenwert.

Auch wenn in vielen Bereichen – vor allem in der Bildung – von Chancengleichheit noch keine Rede sein kann, gibt es doch viele positive Entwicklungen, zum Beispiel in der Mode, in der Gesetzgebung (z. B. die gleichgeschlechtliche Ehe) und in der Arbeitswelt. So gibt es in vielen Unternehmen, Einrichtungen und Behörden gibt es sogenannte Diversity-Manager:innen oder Gleichstellungsbeauftragte (was dasselbe ist).

Die zunehmende Relevanz der Diversity-Thematik belegt nicht nur der 2013 eingeführte Diversity Day, sondern auch die Diversity-Studie der PageGroup 2021. Hier gaben 69 Prozent der befragten Diversity-Beauftragten in mehr als 300 Unternehmen an, dass Diversity in ihrem Unternehmen relevant sei – 2018 waren es waren 63 Prozent, 2015 nur 45 Prozent. Schwerpunktthemen sind laut der Erhebung hierbei:

  • das Recruiting von Mitarbeiter:innen mit vielfältigem kulturellen Hintergrund (90 Prozent; 2018: 82 Prozent)
  • ein ausgewogenes Geschlechterverhältnis (78 Prozent; 2018: 70 Prozent)
  • ein offener Umgang mit LGBT-Themen (54 Prozent; 2018: 33 Prozent)
  • die Integration von Menschen mit Behinderung (47 Prozent; 2018: 36 Prozent).


Als wichtigste Stellschrauben nannten die Befragten dabei flexible Arbeitszeitmodelle (80 Prozent) und die Umstrukturierung von Recruitingprozessen (69 Prozent). Ist eine Stelle vakant, muss jede:r Bewerber:in ungeachtet etwa seiner Hautfarbe, seiner Religion, seiner sexuellen Orientierung, seines Geschlechts oder seiner Herkunft dieselbe Chance auf den Job haben.

Das heißt somit keineswegs, dass der in diesem Zusammenhang häufig als bevorzugt betrachtete und sprichwörtlich genannte (alte) weiße Mann nicht eingestellt werden darf, selbst wenn das Team vornehmlich bereits aus weißen Männern besteht. Auch das wäre eine Diskriminierung – aufgrund des Geschlechts. Selbstverständlich aber nur dann, wenn ebenjener Mann wirklich der Geeignetste für die vakante Position ist.  

Denn genau das ist der Punkt. Diversity in der Arbeitswelt (und überall sonst) meint nicht, dass Minderheiten bevorzugt behandelt werden sollen. Sondern dass bei gleicher Eignung der- oder diejenige eingestellt wird, dessen oder deren Geschlecht, Ethnie etc. im Unternehmen unterrepräsentiert ist. Der Grundsatz der Gleichbehandlung und Chancengleichheit gilt selbstverständlich nicht nur für Bewerbungsverfahren, sondern auch am Arbeitsplatz. Hierzu zählen auch Faktoren wie beispielsweise Barrierefreiheit, flexible Arbeitszeiten oder die Möglichkeit, im Homeoffice zu arbeiten. 

Dass viele Menschen in Deutschland aus unterschiedlichen Gründen wie fehlendem Zugang zur Bildung überhaupt keine Chance haben, sich auf dem Arbeitsmarkt zu positionieren, ist ein anderes, vor allem politisches Thema. Genau wie die Tatsache, dass wir aufgrund von Vorurteilen unterbewusst dazu neigen, Menschen mit gewissen Merkmalen wie zum Beispiel Größe oder Attraktivität positiver zu bewerten als andere.  

Doch zurück zum Thema: Diversität im Arbeitsleben. Ist ein Team, das beispielsweise aus einer jungen weißen Frau aus einer Akademikerfamilie, einer Hörgeschädigten, einem älteren Transmann, einer türkischen Muslimin aus einem bildungsfernen, sozial schwachen Elternhaus und einem Hindu besteht, perfekt divers? Vielleicht. Vielleicht aber auch nicht. Denn es gibt noch eine weitere Dimension, die oftmals vergessen oder unterschätzt wird: die Talente und Charaktereigenschaften der Teammitglieder. Auch in diesem Punkt unterscheiden wir uns.  

Zum Glück. Denn wie funktionabel ist ein Team, in dem alle zwar äußerst kommunikativ und teamorientiert sind, es aber an Ideen fehlt – und an jemandem, der diese umsetzt? Oder ein Team, im dem alle vor Kreativität sprühen, aber keine der unzähligen Ideen und Projekte zu Ende gebracht wird, weil niemand das große Ganze überblickt, sodass sich alle heillos verzetteln?  

Zu dieser Frage gibt es vielfältige Forschung. So entwickelte beispielsweise der britische Wissenschaftler Meredith Belbin in den 1970er-Jahren sein Modell der Teamrollen. Er unterscheidet zwischen jeweils drei handlungsorientierten, drei wissensorientierten und drei kommunikationsorientierten Rollen. Wichtig dabei: Jede dieser neun Rollen ist gleich wichtig. Und je diverser ein Team auch in Hinsicht auf diese Rollen besetzt ist, desto produktiver, effektiver und zufriedener ist es. Und desto glücklicher und erfüllter jede:r einzelne:r Mitarbeiter:in.

Davon profitieren selbstverständlich auch die Unternehmen. Und das nicht nur, weil Prozesse und Projekte besser und effektiver gelingen, wenn das Team möglichst in jeder Hinsicht vielfältig aufgestellt ist. Auch wenn der schnöde ökonomische Aspekt eventuell einen Beigeschmack hat: Ein gutes Diversity-Management ist auch gut fürs Image – was den Verkauf und auch das Recruiting deutlich einfacher macht. Und damit kommen wir nun zur Charta der Vielfalt. Und der Kritik daran.  

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Die Charta der Vielfalt wurde im Dezember 2006 von vier Unternehmen gegründet: der BP Europa SE (ehemals Deutsche BP), der Deutschen Bank, Daimler und der Deutschen Telekom. Das Ziel der Non-Profit-Organisation aus Arbeitgebenden ist es, ein wertschätzendes Arbeitsumfeld zu schaffen, das frei von Vorurteilen ist. 2023 haben sich mittlerweile mehr als 4.900 Unternehmen mit ihrer Unterschrift dazu verpflichtet – auch beispielsweise der ZEIT Verlag, zu dem academics gehört.  

Die Urkunde, auf der diese Unterschrift geleistet wird, ist die eigentliche Charta. Die gleichnamige Organisation, Charta der Vielfalt e.V., ist seit 2010 ein gemeinnütziger Verein. Schirmherr ist seit 2022 Bundeskanzler Olaf Scholz, der seine Vorgängerin Angela Merkel auch in dieser Rolle ablöste. 

Dass sich Unternehmen zu mehr Diversität und Gleichbehandlung verpflichten, ist selbstverständlich positiv zu bewerten. Auch, dass die Sensibilität und Aufmerksamkeit für das Thema seit Jahren wächst und es gute Entwicklungen – beispielsweise bei der Frauenquote, auch in Führungspositionen, oder in Sachen Offenheit gegenüber LGBTQIA+ Themen – gibt.  

Dennoch erfahren beispielsweise Menschen mit Behinderung immer noch systematische Benachteiligung bei Bewerbungsprozessen und haben somit kaum Zugang zum ersten Arbeitsmarkt. Und zahllose Studien belegen, dass Kinder aus bildungsfernen, sozial schwachen Familien nur geringe Chancen auf einen höherwertigen Schulabschluss haben.  

Damit wir das Ziel einer ganzheitlich diversen Gesellschaft mit Chancengleichheit für jedes Individuum erreichen, bedarf es – unter anderem – eines Umdenkens und einer ehrlichen Reflexion eines jeden: Begegne ich meinen Mitmenschen wirklich vorurteilsfrei? Oder behaupte ich es nur, vielleicht auch mir selbst gegenüber? Was nur der erste Schritt in einem langen, tiefgreifenden, komplexen Prozess ist.

Und auch wenn Kritiker:innen bemängeln, dass möglicherweise manche Unternehmen mit der Unterzeichnung der Charta der Vielfalt nur ihr Image aufpolieren wollten, ist die Absichtserklärung, das Bekenntnis zur Gleichberechtigung doch ein wichtiger erster Schritt – dem die meisten Unterzeichner auch konkrete Schritte und ein hohes Engagement in Sachen Diversität folgen lassen.

Dennoch gibt es noch viel zu tun. Packen wir es an!

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