Frauenförderung in der Wissenschaft
Programme, Stipendien, Anlaufstellen – wie und wo werden Wissenschaftlerinnen gefördert?

Frauenförderung in der Wissenschaft: Eine ältere Professorin und ihre Mentee

Finanzielle Förderung oder auch Mentoring-Programme: Frauenförderung kann auf vielerlei Arten geschehen © fizkes / iStock.com

Frauenförderung in der Wissenschaft wirkt der Unterrepräsentanz von Akademikerinnen in Forschung und Lehre entgegen. academics stellt die wichtigsten Programme vor.

Veröffentlicht: 04.04.2024

Von: Inga Barth

Die Bundesregierung verabschiedete 2001 das Bundesgleichstellungsgesetz (BGleiG), das unter anderem die Gleichstellung von Frauen und Männern in den Unternehmen und Dienststellen des Bundes sowie die Verbesserung der Vereinbarkeit von Beruf, Familie und beispielsweise der Pflege als Ziel formulierte. Trotz dieser Maßnahmen auf Bundesebene sieht die Lebens- und Berufsrealität vieler Menschen – vor allem von Frauen in der Wissenschaft – anders aus. 

Nach wie vor sind Frauen im Wissenschaftsbetrieb im Vergleich zu ihren männlichen Kollegen unterrepräsentiert. Insbesondere in der Karrierephase nach der Promotion geht der Prozentsatz an Frauen in Forschung und Lehre sichtbar zurück – die sogenannte „Leaky Pipeline“. Lag der Frauenanteil der bestandenen Promotionen an deutschen Hochschulen laut Statista 2022 bei rund 46 Prozent, liegt der Prozentsatz bei den Habilitationen (2023) bei 37 Prozent. Weibliche Profs machen nur 28 Prozent der besetzten Professuren aus. Die Ursachen dafür sind individuell sehr unterschiedlich.

Der Diskurs um diesen Themenkomplex behandelt strukturelle Benachteiligungen von Frauen im Wissenschaftsbetrieb ebenso wie hierarchische Geschlechterverhältnisse, in der Gesellschaft verankerte Stereotype und die sogenannte Gläserne Decke. Letzteres beschreibt das Phänomen einer zunächst nicht sichtbaren Barriere, die spezifische Gruppen – in diesem Fall Frauen – an einem beruflichen Aufstieg in Führungspositionen hindert. Auch der Gender Pay Gap, also die Lohnlücke und Differenz des durchschnittlichen Bruttoverdienstes zwischen Frauen und Männern, wird in diesem Zusammenhang häufig verhandelt. 

Dieser aktive Diskurs ist Grundlage für zahlreiche Programme, Projekte und Initiativen, die sich der Förderung und – ein Begriff, der häufig in dem Zusammenhang genutzt wird – Enthinderung von Frauen in der Wissenschaft widmen. academics stellt eine Auswahl an Förderprogrammen vor, die Interessierten eine Übersicht geben soll.

Das Ziel der meisten Programme und Projekte zur Förderung von Frauen in der Wissenschaft ist die proaktive Unterstützung der Umsetzung struktureller Gleichstellungsmaßnahmen innerhalb des institutionellen Forschungs- und Wissenschaftsbetriebs sowie die Etablierung von Coachings, Workshops und Netzwerkangeboten für die Wissenschaftlerinnen selbst.

  • Das Professorinnenprogramm des BMBF
  • Kontaktstelle „Frauen in die EU-Forschung (FiF) des BMBF
  • Metavorhaben „Innovative Frauen im Fokus“ (meta-IFiF) (BMBF-gefördert)
  • Forschungsprojekt WIM – Wissenschaftlerinnen in die Medien (BMBF-gefördert)
  • Förderprogramme und Einzelförderungen der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG)
  • Deutscher Akademikerinnenbund e.V.

Mit dem Professorinnenprogramm des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) will die Regierung einen Anreiz für den wissenschaftlichen Betrieb schaffen, gleichstellungsfördernde Maßnahmen umzusetzen. Hochschulen mit besonders überzeugendem Gleichstellungskonzept können die Förderung von bis zu vier Stellen für weiblich besetzte Professuren beantragen. Das Gleichstellungskonzept kann beispielsweise die Förderung junger Nachwuchswissenschaftlerinnen, umfangreiche Kinderbetreuungsangebote und ein gleichstellungsförderndes Berufungskonzept beinhalten.

Die Kontaktstelle „Frauen in die EU-Forschung“ (FiF) ist ein Angebot des Referats für Chancengerechtigkeit in Bildung und Forschung des BMBF. Sie bietet Wissenschaftlerinnen Informationen und Beratung rund um die EU-Forschungsrahmenprogramme an. Dazu werden neben Beratungen auch Workshops und Vorträge angeboten. Ziel des Programms ist es, mehr Frauen in die EU-Forschungsprogramme zu integrieren und so deren Förderung in der Wissenschaft voranzubringen. Die Kontaktstelle FiF selbst bietet aber keine Stipendien an.

Das Metavorhaben „Innovative Frauen im Fokus“ (meta-IFiF) forscht zur Sichtbarkeit von Frauen in der Wissenschaft und bietet viele Informationen zum Thema. Plus: Vorträge und Impulse.

Das Forschungsprojekt WIM – Wissenschaftlerinnen in die Medien ist ein dreijähriges Forschungsprojekt, dass untersucht, wie es um die Präsenz von Wissenschaftlerinnen in den (sozialen) Medien steht – und was für eine bessere Sichtbarkeit getan werden kann.

Die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) bietet sowohl Wissenschaftlerinnen als auch wissenschaftlichen Einrichtungen verschiedene Maßnahmen zur Erlangung von Chancengleichheit. Förderprogramme und Einzelförderungen beispielsweise in Form von Stipendien oder Sachbeihilfen sollen dabei helfen, akademische Arbeitsrahmenbedingungen familienfreundlicher zu gestalten und mehr weibliche Wissenschaftlerinnen in Forschung und Lehre zu bringen sowie dort zu etablieren.

Der Deutsche Akademikerinnenbund e.V. ist ein Verein, der es sich zum Ziel gesetzt hat, Frauen in der Wissenschaft zu fördern, zu vernetzen und mithilfe von Mentoring-Programmen in ihrer wissenschaftlichen Karriere zu begleiten und zu beraten. 

Das Programm MINTvernetzt wird ebenfalls vom BMBF gefördert und durch Universitäts-, Projekt- und Stiftungsorgane begleitet und umgesetzt. Ziel des Programms ist es, das Interesse von Mädchen und jungen Frauen (und anderen benachteiligten Gruppen) für MINT-Berufe (Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik) zu wecken und zugleich Vernetzungs- und Transfermöglichkeiten innerhalb der MINT-Community zu schaffen.

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Mentoringprogramme dienen seit Jahrzehnten der Begleitung und Unterstützung von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern in ihrer akademischen Karriere. Das Konzept stützt sich ursprünglich auf die Idee, dass Wissen von Erfahrenen an Neulinge weitergegeben wird. Zeitgemäße Mentoring-Programme erweitern diesen Ansatz und denken das Mentoring als einen Austausch zwischen den Mentorinnen und den Personen, die diese Form der Unterstützung in Anspruch nehmen, den sogenannten Mentees. Es entsteht ein beidseitig profitabler Arbeitsprozess.

Spezielle Mentoringprogramme widmen sich gezielt der Förderung von Frauen in der Wissenschaft. Der Bundesverband Mentoring in der Wissenschaft bietet eine deutschlandweite Übersicht zu Mentoringprogrammen – nach Bundesländern und Universitäten sortiert. Zudem stellt beispielsweise die Max-Planck-Gesellschaft mit dem Minerva-FemmeNet ein Programm zur Verfügung, das die Wissenschaftskarriere von Frauen innerhalb der Gesellschaft auf allen Qualifikationsebenen fördert.

Ein weiteres Beispiel: Die RWTH Aachen hat für Medizinstudentinnen das Mentoringprogramm TANDEM ins Leben gerufen, das Frauen auf unterschiedlichen Karrierestufen und Fachbereichen unterstützt. Eins der Programme ist TANDEMmed, das sich an Medizinstudentinnen ab dem siebten Semester wendet; academics-Nachwuchswissenschaflterin Prof. Carolin Schneider hat hier als Mentee Unterstützung erfahren und gibt ihr Wissen nun als Mentorin an jüngere Studierende oder Promovierende weiter.

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Der Auf- und Ausbau von Netzwerken ist im Berufskontext heute wichtiger denn je. Auch im Wissenschaftsbetrieb ist der Austausch mit und die Kontaktpflege zu anderen Forschenden des eigenen Fachbereichs in vielerlei Hinsicht hilfreich. Speziell in Forschung und Lehre gibt es gezielte Programme zur Netzwerkpflege für Frauen:

  • AcademiaNet ist ein Projekt, das ursprünglich von der Robert Bosch Stiftung ins Leben gerufen und 2020 von der Swiss National Science Foundation übernommen wurde. Ziel des Projektes ist es, eine Datenbank und ein Netzwerk von weiblichen Wissenschaftlerinnen zu etablieren, um diese mehr in den Wissenschaftsbetrieb einbeziehen zu können. So wird der Zugang zu Informationen zu Wissenschaftlerinnen in einem spezifischen Fachbereich erleichtert. Das Projekt bezieht sich auf Deutschland und den EU-Raum.
  • Ein Mix aus Mentoring-Programm und Netzwerk-Arbeit bietet das Elisabeth-Schiemann-Kolleg der Max-Planck-Gesellschaft an. Es richtet sich an Naturwissenschaftlerinnen der Max-Planck-Gesellschaft, die sich in der Phase nach ihrem Postdoc befinden. Das Projekt fördert die Aktivitäten der Wissenschaftlerinnen durch Netzwerktreffen, Führungskräfte-Coachings und der Möglichkeit von Hospitanzen bei der Direktion.
  • Die Organisation Femtec widmet sich der Förderung von Wissenschaftlerinnen in den MINT-Berufen. Die Maßnahmen umfassen Trainings und Coachings, die Vermittlung von Kontakten zur Wirtschaft und Industrie sowie die Bildung profitabler Netzwerke.
  • Zia – Visible Women in Science and Humanities, das Fellowship-Programm des Zeitverlags, inspiriert, fördert und vernetzt junge Wissenschaftlerinnen


Eine wichtige Form der Förderung von Frauen in der Wissenschaft sind die bundesweit zahlreichen Stipendien, die von Akademikerinnen beantragt werden können. Stiftungen, private Fonds, kirchliche Verbände, Unis und Hochschulen, außeruniversitäre Forschungseinrichtungen sowie große Unternehmen wie beispielsweise Google bieten spezielle Förderungen für Frauen in der Wissenschaft an. 

Diese sind in der Regel auf eine bestimmte weibliche Zielgruppe zugeschnitten. Förderungen für Bachelor- oder Masterstudentinnen, Promotions- und Habilitationsstipendien sowie Wiedereinstiegsstipendien sollen Frauen ebenso bei ihrer Karriere in der Wissenschaft unterstützen wie spezielle Förderungen für Mütter und schwangere Wissenschaftlerinnen. Eine Übersicht über Programme und Fördermöglichkeiten in Deutschland und dem EU-Raum bietet das Leibniz-Institut für Sozialwissenschaften an.

Erfahren Frauen im Berufskontext Diskriminierung oder Benachteiligung aufgrund ihres Geschlechts, gibt es je nach Anliegen unterschiedliche staatliche und institutionelle Anlaufstellen. Die deutsche Regierung bietet mit ihrer Antidiskriminierungsstelle des Bundesin Berlin eine zentrale Anlaufstelle bei Anliegen rund um Diskriminierungsangelegenheiten. Sie navigiert auf ihrer Homepage mithilfe eines Wegweisers zielgenau zu entsprechenden Unterstützungsangeboten. 

Universitäten und Hochschulen sind ebenfalls verpflichtet, Maßnahmen gegen geschlechtsbezogene Diskriminierung umzusetzen. Pro Hochschule gibt es zentral eine Frauen- bzw. Gleichstellungsbeauftragte, an vielen großen Universitäten und Hochschulen gibt es pro Fakultät oder Fachbereich zusätzliche dezentrale Anlaufstellen.

Geht es um eine Benachteiligung im Rahmen einer Bewerbung im öffentlichen Dienst oder auf Grundlage des Beamtenrechts, haben Wissenschaftlerinnen die Möglichkeit einer Konkurrentenklage. Diese kann eingereicht werden, wenn sich Bewerberinnen auf eine Stelle zu Unrecht nicht berücksichtigt oder benachteiligt fühlen.

Im öffentlichen Dienst gibt es zudem die sogenannte Fürsorgepflicht des Dienstherrn. Diese umfasst, dass der jeweilige Dienstherr unter anderem für den Schutz am Arbeitsplatz, für die gesetzlich vorgeschriebene Besoldung und den Schutz vor Mobbing und Diskriminierung Sorge zu tragen hat. Kommt der Dienstherr seinen Aufgaben nicht nach, können Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer Klage beim Verwaltungsgericht einreichen.

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