Trend zur sozialen Schließung
In den letzten 20 Jahren sind zunehmend Professorinnen und Professoren aus der hohen Herkunftsgruppe berufen worden und geringfügiger aus der niedrigen. Dieser Trend zur sozialen Schließung zeigt sich besonders drastisch, wenn die Daten mit Studierendenkohorten in Bezug gesetzt werden, aus denen sich die Professorinnen und Professoren hypothetisch rekrutiert haben.
Wie die Sozialerhebung belegt, stammten die Studierenden im Jahr 1963 zu zehn Prozent aus der niedrigen und zu 50 Prozent aus der hohen Herkunftsgruppe. Die Professorinnen und Professoren, die zeitlich entsprechend später berufen wurden (Berufungskohorten 1981 bis 1990), haben sich häufiger aus der niedrigen Herkunftsgruppe rekrutiert und deutlich seltener aus der hohen (13 zu 30 Prozent). Dieses Ergebnis ist ein Hinweis darauf, dass die im Zuge der Bildungsexpansion geschaffenen Universitäten und der dadurch erhöhte Bedarf an Hochschullehrerinnen und -lehrern Gelegenheitsfenster für qualifizierte Nachwuchswissenschaftlerinnen und -wissenschaftler aus niedrigen sozialen Schichten boten und sie so leichter auf eine Professur gelangen konnten.
Wie die Sozialerhebung weiterhin belegt, erzeugte die Bildungsexpansion in den nachfolgenden Jahrzehnten unter den Studierenden eine deutliche soziale Öffnung. In 1985 stammten allein 18 Prozent aus der niedrigen Herkunftsgruppe und lediglich 25 Prozent aus der hohen. Diese soziale Öffnung beim Hochschulzugang hat sich jedoch nicht in der Universitätsprofessur verstetigt, im Gegenteil: Die soziale Herkunft hat in der wissenschaftlichen Karriere an Bedeutung zugenommen. Die 2001 bis 2010 berufenen Professorinnen und Professoren stammten lediglich zu 10 Prozent aus der niedrigen und zu 38 Prozent aus der höchsten Kategorie. Begleitet wird die soziale Schließung zudem durch eine Halbierung der eh schon seltenen Personen mit einem zweiten Bildungsweg (von rund sieben auf rund vier Prozent in der jüngsten Berufungskohorte), sodass die universitäre Karriere mittlerweile fast ausschließlich über einen geraden Bildungsweg erreicht wird und ungerade Bildungs- und Berufsbiografien, z.B. über frühe Berufsausbildungen und einen späteren Eintritt in die Hochschule, verschwindend gering vorkommen.
Zudem haben die Anteile jener Personen, die einen akademisch gebildeten Vater haben (d.h. einen Vater mit Fachhochschul- oder Universitätsabschluss), in den letzten Geburtskohorten drastisch zugenommen. Die jüngsten Professorinnen und Professoren (Geburtskohorte 1975 bis 1984) stammen zu rund 60 Prozent aus einem akademischen Elternhaus, während im Vergleichsjahr unter den Erwerbstätigen lediglich 12 Prozent akademisch gebildet waren. Als Vergleichsjahr wurde 1990 herangezogen, in dem die Professorinnen und Professoren im Kindheits- bzw. Jugendalter waren und wichtige Bildungsentscheidungen anstanden. Zwar sind auch die Akademikeranteile unter den Erwerbstätigen in der BRD im Zeitverlauf angestiegen, jedoch deutlich moderater als unter den Professorinnen und Professoren (vgl. Abb.1).
Status der Professur
Während die Langzeitperspektive insgesamt eine soziale Schließung der Universitätsprofessur verdeutlicht, zeigen sich u.a. beim Status der Professur große Unterschiede. Während die soziale Zusammensetzung der C4-/W3- bzw. C3-/W2-Professorinnen und Professoren mit nur geringen Abweichungen der bereits aufgezeigten Gesamtverteilung entspricht, sticht die Juniorprofessur mit einer extremen sozialen Geschlossenheit hervor: Lediglich je sieben Prozent stammen aus der niedrigen und mittleren, 25 aus der gehobenen und 62 Prozent aus der hohen Herkunftsgruppe. Die Statuskategorie der Juniorprofessur wird meist kurz nach der Promotion besetzt und ist zwar zeitlich befristet, aber bereits mit weitgehender Autonomie in Forschung und Lehre ausgestattet. Bei der Besetzung scheinen Personen mit hoher sozialer Herkunft von ihrem ,kulturellen Erbe' profitieren zu können, da es ihnen in der Regel leichter fällt, zu einem frühen Zeitpunkt Erfolge zu erreichen.
Ganz anders verhält es sich bei der außerplanmäßigen (APL-) Professur. APL-Professorinnen und -Professoren werden in der Regel nach Erreichung ihrer Habilitation und dadurch deutlich später ernannt. Ihre Position ist weniger prestigeträchtig, da sie mit geringerer materieller Vergütung und weniger Machtbefugnissen ausgestattet ist. Sie stammen zu 17 Prozent aus der niedrigen, zu 28 Prozent aus der mittleren, zu 31 aus der gehobenen und zu 24 Prozent aus der hohen Herkunftsgruppe und sind daher sozial deutlich heterogener zusammengesetzt als alle anderen untersuchten Statuskategorien. Soziale Differenzierungen zeigen sich auch in den Fächergruppen: Während die juristischen und medizinischen Fächer als traditionsträchtige Disziplinen, aber auch Sportwissenschaften und Kunst und Musik, zu den sozial eher geschlossenen Disziplinen gehören, sind insbesondere erziehungswissenschaftliche, sozial- und politikwissenschaftliche Fächer als auch die Agrar-, Forst- und Ernährungswissenschaften offener für soziale Aufsteigerinnen und Aufsteiger (vgl. Tabelle).