Ist eine (jährliche) Gehaltserhöhung Pflicht?
In der freien Wirtschaft sind Arbeitgeber nicht zu einer regelmäßigen Gehaltserhöhung verpflichtet. Aber auch langgediente Mitarbeiter können in regelmäßigen Abständen mehr Geld erwarten – vorausgesetzt, sich haben sich in dieser Zeit weiterentwickelt. Arbeitsrechtsexperten empfehlen, etwa alle 18 bis 24 Monate eine Gehaltsanpassung zu fordern.
Entscheidend sind stichfeste Argumente, die nachvollziehbar machen, dass eine Gehaltserhöhung gerechtfertigt ist, beispielsweise positives Feedback aus einem Jahresgespräch oder konkrete Erfolge. Gerade in einer Arbeitswelt, in der Fachkräfte fehlen und der Wert von Arbeitnehmer:innen in vielen Branchen deutlich steigt, ist falsche Bescheidenheit fehl am Platz.
Trainer und Berater Karsten Noack hält seit 1998 Coachings zum Thema Gehaltserhöhung ab. Seiner Ansicht nach sind Gehaltsverhandlungen dann erfolgreich, wenn sich der Arbeitgeber eine Zukunft ohne den Mitarbeiter nur schwerlich vorstellen kann. „Unternehmen sind in der Regel nicht bereit, mehr Geld zu bezahlen, weil der Angestellte bestimmte Dinge in der Vergangenheit geleistet hat, sondern weil sie sich für die kommenden Jahre weitere Impulse durch ihn erhoffen, die andere Mitarbeitende eher nicht erbringen“, sagt Noack. „Und natürlich ist die Bereitschaft, künftig mehr Verantwortung zu übernehmen, in diesem Zuge immer gern gesehen.“
Zudem sind Gehaltsforderungen aussichtsreicher, wenn es der Firma wirtschaftlich gut geht. Müssen Mitarbeiter:innen entlassen werden oder droht Kurzarbeit, ist der Zeitpunkt sicherlich schlecht gewählt. Wird hingegen seit Monaten Personal für die eigene Abteilung gesucht, sind die Chancen ungleich besser.
Und selbstverständlich kann auch ein Auslöser wie eine besonders starke Inflation ein Argument sein, eine Gehaltserhöhung einzufordern. Beschäftigte haben zwar ohne explizite Regelung keinen Anspruch auf einen Inflationsausgleich, denn der Arbeitgeber wird ja genauso mit höheren Ausgaben konfrontiert. Doch viele Unternehmen preisen es ein, dass neben vielen anderen Kostenpunkten auch die Gehälter steigen.
Marktwertbestimmung: Wie viel kann ich fordern?
Als Vorbereitung auf ein Gehaltsgespräch ist es von Vorteil, wenn Beschäftigte ihren eigenen Marktwert gut einschätzen können. Wer weiß, was der Kollege oder die Kollegin in ähnlicher Position verdient, hat bereits einen Anhaltspunkt.
Doch in den meisten Fällen wird das eigene Gehalt eher verschwiegen behandelt. Es besteht aber die Möglichkeit, den Arbeitgeber über Teamvertreter:innen, den Betriebsrat oder andere Vertrauensleute aufzufordern, eine unternehmensinterne Gehaltsstruktur offenzulegen, an der sich dann alle Beschäftigte orientieren können.
Eine weitere Option zur Bestimmung des eigenen Marktwertes sind Gehaltsportale wie gehalt.de, Arbeitgeberbewertungsplattformen wie kununu.com, Gehaltsratgeber oder der Lohnspiegel der Hans-Böckler-Stiftung, die für viele Berufe Durchschnittsgehälter ausweisen, in der Regel aufgesplittet nach Berufserfahrung. Und natürlich lassen sich auch Stellenanzeigen durchforsten – oft genügt ein Anruf beim Ansprechpartner, um die Gehaltsrange auszuloten.
Noack empfiehlt zudem, ein aussagekräftiges Profil bei Karrierenetzwerken wie Xing oder LinkedIn einzurichten. „Sehr viele Beschäftigte werden derzeit von Headhuntern über solche Portale kontaktiert. Diese Personaldienstleister bekommen von ihren Arbeitgebern immer eine Gehaltsrange mit, die gut zur eigenen Positionierung dienen kann.“