Wiedereingliederung
Stufenweise zurück in den Job – Rechte und Pflichten bei einer Wiedereingliederung

Ein Mann im Rollstuhl an einem Schreibtisch, an dem zwei Krücken lehnen

Schritt für Schritt geht es bei einer Wiedereingliederung zurück in den Job. © AndreyPopov / iStock.com

Unfall, Krankheit, Schicksalsschlag – es gibt viele Gründe, weshalb Arbeitnehmer:innen im Job ausfallen. Nach sechs Wochen oder mehr hilft eine Wiedereingliederung. Wie läuft sie ab, welche Rechte und Pflichten haben betroffene Arbeitnehmer:innen? Was ist der Unterschied zwischen dem Hamburger Modell und dem sogenannten BEM, und was passiert, wenn die Rückkehr in den Job nicht klappt? Wir klären auf.

Veröffentlicht: 17.06.2024

Von: Maresa Wolbert

Sind Arbeitnehmer:innen sechs Wochen oder länger raus aus ihrem Job – etwa aufgrund einer Krankheit oder wegen eines Unfalls –, kann sie die Rückkehr an den Arbeitsplatz vor viele Herausforderungen stellen. Für diese Fälle helfen Wiedereingliederungsmaßnahmen. Sie sollen Betroffene dabei unterstützen, wieder in den Arbeitsalltag zu finden.

Voraussetzung für eine Wiedereingliederungsmaßnahme ist, dass die betreffende Person bereit und in der Lage ist, ihren Job – auch in reduziertem Umfang – wieder aufzunehmen. Steht einer Rückkehr auch aus ärztlicher Sicht nichts im Wege, kann eine Wiedereingliederungsmaßnahme in Frage kommen. Dabei gelten folgende Besonderheiten:

  • Arbeitnehmer:innen können sich an ihren Arbeitgeber wenden und um eine Wiedereingliederungsmaßnahme bitten. In der Regel ist der Arbeitgeber verpflichtet, die Rückkehr bei Vorlage einer ärztlichen Empfehlung für die stufenweise Eingliederung zu ermöglichen.
  • Der Wunsch nach einer Wiedereingliederungsmaßnahme kann ebenso vom Arbeitgeber ausgehen. Er kann die Wiedereingliederungsmaßnahme jedoch nicht gegen den Willen der betreffenden Person anordnen.  
  • Arbeitnehmer:innen müssen also keine Wiedereingliederungsmaßnahme wahrnehmen, wenn sie das nicht möchten. Sie können auch auf die Maßnahme verzichten und erst dann wieder starten, wenn sie voll einsatzfähig sind.

Es gibt zwei Systeme, die die Rückführung in die Arbeitsfähigkeit ermöglichen sollen: 

  • Betriebliches Eingliederungsmanagement (BEM): Sind Mitarbeiter:innen länger als sechs Wochen in einem Jahr wegen der gleichen Krankheit arbeitsunfähig, haben sie Anspruch auf ein BEM. Es ist im Sozialgesetzbuch SGB IX verankert und hilft beim Wiedereinstieg. Im Rahmen dieser Maßnahme beraten Arbeitgeber und Arbeitnehmer:innen gemeinsam mit dem Betriebsarzt darüber, wie die Gesundheit am Arbeitsplatz sichergestellt werden kann. Auch gesundheitsfördernde Angebote und Qualifizierungsmaßnahmen können auf dem Plan stehen. 
  • Das Hamburger Modell: Bei der Wiedereingliederung nach § 74 Sozialgesetzbuch (SGB) V werden Mitarbeiter:innen Schritt für Schritt zurück ins Arbeitsleben geführt. Dabei gilt ein Stufenmodell: Die Anzahl der Arbeitsstunden wird über mehrere Wochen hinweg immer weiter angehoben. Die stufenweise Wiedereingliederung kann Teil eines BEM sein.


Das Hamburger Modell soll bei der Rückkehr in den Job den Gesundheitszustand stabilisieren – und zwar mit regelmäßiger Arbeit. Es setzt auf eine stufenweise Wiedereingliederung, um Betroffene wieder an den Alltag heranzuführen. 

Es ist möglich, zuvor eine stationäre oder ambulante Rehamaßnahme zu durchlaufen, bei der Mediziner prüfen, ob das Hamburger Modell die geeignete Methode ist, um in die Arbeitswelt zurückzufinden.

Damit eine stufenweise Eingliederung nach dem Hamburger Modell möglich ist, müssen folgende Voraussetzungen gegeben sein: 

  • Arbeitnehmer:innen sind gesetzlich krankenversichert und haben Anspruch auf Krankengeld.
  • Arbeitnehmer:innen stimmen der stufenweisen Wiedereingliederung zu. 
  • Arbeitnehmer:innen möchten nach der Erkrankung zurück in den Beruf.
  • Arbeitnehmer:innen sind teilweise wieder belastbar, gelten allerdings als arbeitsunfähig. 
  • Behandelnde Ärzte, der Arbeitgeber und die Betroffenen stimmen zu. 

Liegen diese Voraussetzungen vor, erarbeiten die behandelnden Ärzt:innen gemeinsam mit dem Patienten oder der Patientin einen Wiedereingliederungsplan, den sogenannten Stufenplan. Dem Plan muss auch der Arbeitgeber zustimmen. Er umfasst folgende Informationen: 

  • anfängliche Anzahl der Arbeitsstunden zu Beginn der Maßnahme sowie ihre Steigerung
  • Reihenfolge und Dauer der Stufen 
  • bestehende Einschränkungen in der Arbeitsfähigkeit
  • Informationen zu benötigten Hilfsmitteln am Arbeitsplatz

Betroffene stehen während der Eingliederung in stetigem Austausch mit den behandelnden Ärzt:innen. In enger Absprache kann der Stufenplan dem tatsächlichen Tempo gemäß den erzielten Fortschritten angepasst werden. Sollten sich durch kürzer oder länger andauernde Stufen das Ende der Wiedereingliederung verschieben, muss die Krankenkasse oder die Rentenversicherung hierüber in Kenntnis gesetzt werden. 

Wenn sich alle Beteiligten auf einen Stufenplan geeinigt haben, müssen Arbeitnehmer:innen die Wiedereingliederung nach dem Hamburger Modell bei der Kranken- oder Rentenversicherung beantragen. 

Schon gewusst?

Bei Arbeitnehmer:innen, die in Teilzeit angestellt sind, wird die reduzierte Stundenanzahl im Stufenplan in Form einer geringeren Abstufung des zeitlichen Arbeitsumfangs berücksichtigt. Sie gelten – wie auch Vollzeitbeschäftigte – als wiedereingegliedert, wenn sie ihren Job im bisherigen Umfang wieder nachgehen können.

Beabsichtigen Arbeitnehmer:innen direkt im Anschluss an eine Reha-Leistung eine Wiedereingliederung, leiten die behandelnde Ärzt:innen der Reha-Einrichtung das Verfahren ein. Sie wenden sich zunächst an die Rentenversicherung. Dabei benötigen sie eine Beginnmitteilung vom Reha-Träger mit Angaben zur Laufzeit der Maßnahme sowie den Bedingungen des Stufenplans. 

Für einen Anspruch auf alle Leistungen darf die Wiedereingliederung nicht später als vier Wochen nach der Reha starten. Wird die Maßnahme bewilligt, erhalten Betroffene monatliche Folgebescheinigungen, die zunächst von den Beteiligten gegengezeichnet werden müssen. Nur bei ihrer Vorlage gibt es regelmäßige finanzielle Unterstützung. Neigt sich die Wiedereingliederung dem Ende zu, gibt es vom Reha-Träger eine Abschlussbescheinigung. 

Stimmt die Rentenversicherung dem Plan nicht zu, haben Betroffene die Möglichkeit, sich an ihre Krankenkasse zu wenden. Sie prüft dann gegen, ob die Maßnahme doch sinnvoll ist. 

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Bei der Wiedereingliederung ergeben sich für Betroffene Rechte, aber auch Pflichten. Einige Beispiele: 

  • Bezahlung während der Wiedereingliederung: In dem eher seltenen Fall, dass die stufenweise Wiedereingliederung bereits innerhalb der ersten sechs Wochen der Arbeitsunfähigkeit stattfindet, muss der Arbeitgeber in dieser Zeit den Lohn als Entgeltfortzahlung leisten. Ab der siebten Woche der Arbeitsunfähigkeit erhalten Arbeitnehmer:innen anstelle des Gehalts eine Lohnersatzleistung – in der Regel Verletztengeld, Krankengeld oder Übergangsgeld. Diese wird vom zuständigen Träger (Berufsgenossenschaft, Kranken- oder Rentenversicherung) auch während der Wiedereingliederung weiter gezahlt. 
  • Urlaub während der Wiedereingliederung: Während der Wiedereingliederung haben Arbeitnehmer:innen grundsätzlich keinen Anspruch auf Urlaub, da sie als krank gelten. Sie können sich aber mit ihrem Arbeitgeber individuell auf eine Ausnahme einigen. Dann müssen sie den Sozialleistungsträger davon in Kenntnis setzen. 
  • Krankheit während der Wiedereingliederung: Werden Arbeitnehmer:innen während der Wiedereingliederung krank, kann die Maßnahme für maximal sieben Tage pausieren. Diese Pause muss in den Stufenplan eingetragen werden. Dauert die Krankheitsphase länger an, gilt die Wiedereingliederung als fehlgeschlagen.
  • Überstunden während der Wiedereingliederung: Da Überstunden dem Sinn der Wiedereingliederung entgegenstehen, sollten sie vermieden werden. 


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Die Wiedereingliederungsmaßnahme kann sowohl vom behandelnden Arzt als auch vom Betroffenen oder dem Arbeitgeber abgebrochen werden – zum Beispiel, wenn sich der Gesundheitszustand der betreffenden Person unerwartet deutlich verbessert oder verschlechtert hat. Ersteres führt dazu, dass Arbeitnehmer:innen nach Absprache mit allen Parteien schneller als geplant wieder voll in den Beruf einsteigen können. Letzteres kann dazu führen, dass die Eingliederung nicht mehr möglich ist und aus gesundheitlichen Gründen beendet wird. Beide Entwicklungen werden entsprechend im Stufenplan vermerkt. 

Wird der Plan abgebrochen, erhalten Arbeitnehmer:innen dennoch weiterhin Kranken- oder Verletztengeld, maximal jedoch für die gesetzlich festgeschriebene Zeit. Es ist empfehlenswert, dass alle Beteiligten gemeinsam entscheiden, wie es weitergeht. Optionen sind eine weitere Reha, ein zweiter Versuch der Wiedereingliederung oder die Erwerbsminderungsrente, falls sich der Gesundheitszustand auf absehbare Zeit nicht bessert.

Die Informationen auf dieser Seite ersetzen keine anwaltliche Beratung. Für die Richtigkeit übernehmen wir keine Gewähr.

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