Die berüchtigte 12-Jahres-Regelung
Ein Begriffe ist das WissZeitVG vielen vor allem aufgrund seines § 2, Absatz 1, besser bekannt als 12-Jahres-Regelung. Die Idee dahinter ist, dass jede wissenschaftliche Qualifizierungsstufe nicht länger als sechs Jahre dauern darf. Nichtpromovierte Wissenschaftler dürfen sechs Jahre lang wissenschaftliche Tätigkeiten ausüben, dann aber sollte auch die Promotion abgeschlossen sein. Weitere sechs Jahre haben Sie für die Postdoc-Phase. Aus diesem 6+6-Jahre-Konstrukt ergibt sich die sogenannte 12-Jahres-Regelung. Diese Beschränkung von sogenannten sachgrundlosen Befristungen gilt allerdings nur für Qualifikationsstellen.
Wer die sechs Jahre bis zur Promotion nicht ausgeschöpft hat, darf die gesparte Zeit bei der Postdoc-Phase draufschlagen. Sonderregeln gelten für die Medizin, dort sind gemäß § 2, Absatz 2 WissZeitVG in der Postdoc-Phase neun Jahre auf befristeten Stellen möglich. Für Mediziner ist also eine 15-Jahres-Regelung maßgeblich.
Die sechs beziehungsweise neun Jahre markieren damit die maximal mögliche Befristung. So lange dürfen staatliche Hochschulen und Forschungseinrichtungen wissenschaftliches und künstlerisches Personal längstens ohne besonderen Sachgrund befristen. In der Regel sind wissenschaftliche Stellen jedoch deutlich kürzer befristet. Relevant für die 12-Jahres-Regelung ist daher die Summe der Befristungen in der jeweiligen Phase.
Nicht berücksichtigt werden dabei befristete Beschäftigungen als studentische Hilfskraft während des Studiums. Anders sieht es allerdings aus, wenn Sie nach Ihrem Abschluss in einer befristeten Anstellung als wissenschaftliche Hilfskraft arbeiten. Diese Zeiten werden auf die Höchstbefristung angerechnet. Für studentische Hilfskräfte sieht das WissZeitVG seit seiner Novelle im Jahr 2016 eine maximale Beschäftigungszeit von sechs Jahren vor.
Sonderfall Drittmittelstelle
Entgegen eines weit verbreiteten Irrglaubens, können auch befristete Drittmittelstellen auf die zwölf Jahre angerechnet werden. Das WissZeitVG regelt in § 2 Absatz 3, dass alle befristeten Arbeitsverhältnisse “mit mehr als einem Viertel der regelmäßigen Arbeitszeit, die mit einer deutschen Hochschule oder einer Forschungseinrichtung [...] abgeschlossen wurden [...] anzurechnen [sind].”
Nach Überschreiten der Höchstbefristungsdauer von zwölf beziehungsweise 15 Jahren stellen Drittmittelstellen aber tatsächlich einen Sonderfall dar. Denn wenn
- eine Stelle überwiegend aus Drittmitteln finanziert wird,
- diese Finanzierung für eine bestimmte Aufgabe und einen festen Zeitraum bewilligt wurde und
- der Mitarbeiter oder die Mitarbeiterin überwiegend dieser Zweckbestimmung entsprechend eingesetzt wird,
sind befristete Verträge auch über die Höchstbefristungsdauer hinaus möglich.
Vorteil für Eltern: Erziehungszeiten werden angerechnet
Gegenüber Nachwuchswissenschaftlern mit Kindern unter 18 Jahren ist das WissZeitVG ausgesprochen freundlich. Pro Kind werden noch einmal zwei Jahre zusätzlich gewährt, die sie in befristeten Arbeitsverhältnissen verbringen können. Sind beide Eltern in der Wissenschaft tätig, dann verlängert sich die Frist bei beiden. Zeiten, die Sie wegen Mutterschutz oder Elternzeit von Ihrer wissenschaftlichen Tätigkeit aussetzen, werden zudem nicht berechnet. Treten Sie nach zwei Jahren Tätigkeit als wissenschaftliche Mitarbeiterin in den Mutterschutz ein, bleiben Ihnen nach der Rückkehr in den Beruf noch immer vier Jahre zuzüglich der zwei zusätzlichen Jahre für die Erziehung eines Kindes.
Aber Vorsicht: Das heißt nur, dass sich die grundsätzliche Frist nach hinten verschiebt. Eine Verlängerung Ihres Arbeitsvertrags ergibt sich daraus nicht automatisch. Manche Einrichtungen kommen aber in diesem Punkt ihren Angestellten entgegen und verlängern die Verträge um eine bestimmte Zeit.
Reform des WissZeitVG
Das WissZeitVG stand seit seiner Einführung im Jahr 2007 in der Kritik: Die Befristungssonderregelungen würden zu einer Prekarisierung der Arbeitsverhältnisse von Wissenschaftlern führen. Das Gesetz traf in seiner ursprünglichen Fassung keine Aussagen über die Länge der einzelnen Vertragsbefristungen. Tatsächlich waren Vertragslaufzeiten von einem Jahr oder weniger in der Wissenschaft durchaus üblich. Im März 2016 trat eine im Vorfeld heftig diskutierte Novelle in Kraft, mit der gegen diese Praxis der Kurz- und Kettenbefristungen vorgegangen werden sollte.
Seither gilt, dass Vertragsbefristungen bei Qualifikationsstellen dem jeweiligen Qualifikationsziel, etwa der Promotion oder Habilitation, angemessen sein müssen. Allerdings lässt das Gesetz offen, was eine “angemessene Dauer” ist. Und auch, was genau unter wissenschaftliche oder künstlerische Qualifizierung fällt, ist nicht genauer definiert. Hier gibt es von verschiedenen Seiten Forderungen, die bestehenden Regeln zu konkretisieren. So beantragte beispielsweise die Linksfraktion im Bundestag eine weitere Novelle des WissZeitVG, mit der unter anderem konkrete Mindestvertragslaufzeiten aufgenommen werden sollen.
Eindeutiger sind die Regelungen seit 2016 bezüglich der Befristung von Drittmittelstellen: Hier gilt für Qualifizierungsstellen vereinfacht gesagt: Die Laufzeit des Arbeitsvertrags muss der Laufzeit des Forschungsprojekts entsprechen.
Da zu wenig Habilitationsstellen zur Verfügung stehen und befristete Anstellungen in der Wissenschaft nach wie vor üblich sind, führt die 12-Jahres-Regelung nicht selten zu einem unfreiwilligen Ende wissenschaftlicher Karrieren. Wenn nach Ablauf der Befristungshöchstdauer keine unbefristete Anstellung möglich ist, bleibt Wissenschaftlern nur noch die Möglichkeit, auf befristeten Drittmittelstellen nach § 2 Absatz 2 WissZeitVG zu arbeiten.
Evaluation des WissZeitVG
In der ersten Novelle des WissZeitVG wurde in § 8 eine Evaluation im Januar 2020 festgeschrieben, um die Wirksamkeit des Gesetzes zu prüfen. Diese Evaluation mit zweijähriger Laufzeit findet derzeit statt. Es ist jedoch nicht geregelt, wie mit den voraussichtlich im Frühjahr 2022 zur Verfügung stehenden Ergebnissen verfahren werden soll. Ungeklärt ist auch, ob weitere, regelmäßige Evaluationen stattfinden sollen.
Sonderregelungen aufgrund der Corona-Pandemie
Der Ausbruch des Coronavirus hat zu Einschränkungen im Hochschul- und Wissenschaftsbetrieb geführt. Deshalb hat die Bundesregierung im April 2020 eine vorübergehende Verlängerung der Höchstbefristungsdauer für wissenschaftliches Personal in Qualifizierung um sechs Monate verlängert. Befristete Verträge, die zwischen dem 1. März und dem 30. September bestanden, können um sechs Monate verlängert werden.
Im Oktober wurde eine weitere mögliche Verlängerung um sechs Monate beschlossen. Sie gilt auch für Beschäftigungsverhältnisse, die zwischen dem 1. Oktober 2020 und dem 31. März 2021 geschlossen wurden oder werden.