Unterfordert im Job
Boreout: Wenn Langeweile im Job krank macht

Eine erschöpfte, verzweifelte Frau am Schreibtisch

Unterforderung im Job kann in den Boreout führen. © filadendron / iStock

Langeweile und Unterforderung im Job können zu einem Boreout führen – eine ernsthafte Erkrankung. Was steckt hinter dem weit verbreiteten Syndrom? academics klärt auf.

Veröffentlicht: 16.11.2022

Von: Maresa Wolbert

Ein, zwei Stündchen auf E-Mails antworten, kurz ein paar Telefonate führen – und dann: Füße hoch. Was nach einem entspannten Arbeitstag klingt, kann auf Dauer zum Problem werden. Denn wer seine Fähigkeiten im Job dauerhaft nicht unter Beweis stellen kann und stattdessen unterfordert ist, ist schnell frustriert, ein sogenannter Boreout droht. 

Der Begriff leitet sich vom englischen Wort boredom ab, zu Deutsch: Langeweile. Unter Boreout leidet, wer sich im Arbeitsleben langweilt beziehungsweise extrem unterfordert fühlt. Damit ist das Boreout-Syndrom quasi das Gegenteil des Burnout-Syndroms – jedoch mit sehr ähnlichen Symptomen.

Boreout ist weit verbreitet. Das zeigt die repräsentative Befragung „Arbeitszufriedenheit in Krisenzeiten“. Im Auftrag des Personaldienstleisters Avantgarde Experts befragte das Forschungs-, Daten- und Analyseunternehmen YouGov im Jahr 2022 hierzu 1.062 Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer.

Eine der Kernfragen der Untersuchung lautete „Wie sehr fordert Sie Ihr aktueller Job?“. Das Ergebnis zeigt: Vielen Angestellten droht nicht etwa ein Burnout, sondern ein Boreout: 

  • 25 Prozent der Befragten sind der Meinung, ihr Potenzial werde nicht ausgeschöpft. 
  • 13 Prozent finden, sie könnten wertvoller für das Unternehmen sein. 
  • Drei Prozent fühlen sich komplett unterfordert. 

Das sind insgesamt 41 Prozent. 

Viele sehen ihren Arbeitgeber in der Verantwortung für ihre Unterforderung, so die Studie. 35 Prozent der Befragten kritisieren, dass ihr Arbeitgeber nur schlecht die Bedürfnisse der Mitarbeitenden erkenne und beachte. Wundert es da, dass 18 Prozent der Befragten überlegen, innerhalb des nächsten halben Jahres den Job zu wechseln? Wohl kaum. Bei den 18- bis 34-Jährigen sind laut der Umfrage sogar 29 Prozent auf dem Sprung.

Dauerhafte Unterforderung kann auf zwei Arten passieren: Bei der quantitativen Unterforderung ist für den Arbeitnehmenden schlicht zu wenig zu tun. Bei der qualitativen Unterforderung bleibt der Arbeitnehmende stets unter seinen Möglichkeiten. Das heißt, er kann seine Qualifikationen und sein Know-how gar nicht zeigen. So bleibt sein Potenzial ungenutzt. 

Wenn Arbeitgebende einen Boreout bewusst provozieren, spricht man von „Straining“. Diese besondere Form des Mobbings leitet sich vom englischen Verb to strain ab, was mit belasten, anstrengen übersetzt werden kann. 

Straining bedeutet, dass einem Arbeitnehmer die Arbeitsinhalte bewusst entzogen werden. Betroffene werden mit voller Absicht von Aufgaben entbunden, von Meetings ausgeschlossen oder von Projekten abgezogen. Das hat zur Folge, dass sie sozial ausgegrenzt werden und anfangen, sich zu langweilen – mit oftmals ernsthalten Konsequenzen. Die Belastungssituation führt zu vermehrten Krankschreibungen und kann in einem Boreout enden.

In vielen Fällen kündigen Betroffene letztlich oder machen aufgrund der Stresssituation Fehler, die Arbeitgebende zur Kündigung veranlassen. Und damit erreicht der Arbeitgeber sein Ziel. Denn wer Straining betreibt, ist darauf aus, dass die Betroffenen aus dem Unternehmen ausscheiden. 

So können Unternehmen Angestellte loswerden, die sie aufgrund des Arbeitnehmerschutzes nicht oder nicht abfindungsfrei kündigen könnten. Sie sollen Platz machen für Personen, die ihrer Ansicht nach besser in die Firma passen, etwa, weil sie günstiger sind.

Boreout-Betroffene entwickeln häufig Strategien, die die Unterforderung und Langeweile vertuschen sollen. Sie dehnen eigentlich schnell zu erledigende Tätigkeiten unnötig aus oder machen Überstunden, um vielbeschäftigt zu wirken. 

Hält das Boreout-Syndrom über einen längeren Zeitraum an, schwindet das Interesse am Job, am Unternehmen und an der Branche. Betroffene reduzieren ihr Engagement und leisten nur noch Dienst nach Vorschrift. Sie haben Angst davor, sich an den Arbeitsplatz zu binden, während der Gedanke an einen Jobwechsel sie gleichzeitig überfordert – ein krankmachender Mix aus Stress, Belastung und lähmender Ohnmacht.

Das Boreout-Syndrom kann sich in einer Vielzahl von psychischen und physischen Symptomen niederschlagen. Zu den psychischen Anzeichen gehören: 

  • Antriebs- und Schlaflosigkeit
  • Orientierungs- und Ziellosigkeit
  • Niedergeschlagenheit bis hin zu sozialem Rückzug
  • Unzufriedenheit bis hin zur Verzweiflung
  • Gereiztheit bis hin zu Panikattacken

Zu den körperlichen Symptomen zählen:

  • Magen-Darm-Beschwerden
  • Kopf- und Rückenschmerzen
  • Verspannungen
  • Müdigkeit
  • Tinnitus
  • Schwindelgefühle
  • Infektionsanfälligkeit

Boreout-Betroffene geraten schnell in eine Negativspirale: Die dauerhafte Unterforderung belastet Körper und Geist gleichermaßen. Das tägliche Versteckspiel vor Kolleginnen und Kollegen artet oft aus in einen permanenten Gewissenskonflikt, die gesundheitliche Belastung nimmt zu. Die Langeweile führt zu Stress, der Stress führt wiederum zu psychischen Problemen. Ein Abwärtstrend, der sich in verschiedene Phasen unterteilen lässt:

  • Kein Interesse, mehr Ablenkung: Wer dauerhaft im Job unterfordert ist, hat irgendwann wenig Interesse an seiner Arbeit und lenkt sich während seiner Arbeitszeit häufig mit privaten Dingen ab – die Leistung schwindet. 
  • Mehr Frust, weniger Wertschätzung: Unterforderung führt zu Frustration. Und wer frustriert ist, neigt zur Verbitterung oder Sarkasmus.
  • Negative Außenwirkung: Diese schlechte Stimmung und Gereiztheit fallen auch dem Umfeld aus. Arbeitgebende und Kollegen oder Kolleginnen ziehen Konsequenzen: Aufgaben werden an andere Mitarbeiter verteilt, die soziale Interaktion mit den Kollegen nimmt ab. 
  • Innere Kündigung und Krankmeldung: Frustration und Monotonie nehmen zu. Viele Betroffene haben innerlich bereits gekündigt, sie werden krank. 
  • Belastete Zusammenarbeit: Das hohe Frustrationslevel sowie die häufige Abwesenheit machen eine loyale und konstruktive Arbeit im Unternehmen immer schwieriger. Die möglichen Folgen: Krisengespräche, Abmahnungen und letztlich die Kündigung. 


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Betroffene, die keinen Weg aus dieser Krankheit finden, benötigen Unterstützung. Das Problem zu ignorieren und es zu überspielen, verstärkt hingegen das Gefühl von innerer Erschöpfung und Unzufriedenheit. 

Ein erster sinnvoller Schritt ist es oftmals, mit dem Arbeitgeber zu sprechen, um gemeinsam mit ihm wieder einen Sinn in den eigenen Aufgaben zu finden. Betroffene sollten den Verantwortlichen in diesem Gespräch klar machen, dass sie bereit für eine neue Herausforderung sind. So können den Neigungen angepasste Aufgabenbereiche und Verantwortungen wieder Schwung in die Arbeitswelt bringen und zu Zufriedenheit führen. Bringt das Gespräch mit dem Personalverantwortlichen oder der Führungskraft allerdings nichts, sollten Betroffene in einem zweiten Schritt einen Unternehmenswechsel in Betracht ziehen. 

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Doch auch die Jobsuche kann herausfordernd sein. Denn die permanente Unterforderung und Langeweile können Boreout-Betroffene in eine regelrechte Sinnkrise stürzen. Viele glauben nicht mehr an ihre Expertise, schalten ab und resignieren – schlechte Voraussetzungen, um bei einem neuen Arbeitgeber zu punkten. 

In dieser Situation kann eine Psychotherapie, in der über eigene Interessen und Ziele gesprochen wird, die Lösung sein. Innerlich gestärkt kann die Suche nach einem neuen Arbeitgeber leichter fallen. 

Wenn ein Boreout droht, ist außerdem eine gute Work-Life-Balance hilfreich. Sinnstiftende Hobbys, Ehrenämter und andere Freizeitbeschäftigungen können dazu beitragen, den eigenen Fokus nicht so sehr auf die Arbeitswelt zu legen und das Risiko für ein Boreout minimieren.

Wer den Verdacht hat, unter Boreout zu leiden, sollte sich mit diesen Fragen auseinandersetzen. Wer mehrere dieser Fragen mit einem Ja beantworten kann, läuft Gefahr, an Boreout erkranken zu können. Es könnte an der Zeit sein, sich Hilfe zu holen.

  • Langweile ich mich bei der Arbeit? 
  • Fühle ich mich unglücklich im Job? Gibt er mir einen tieferen Sinn?
  • Verbringe ich meine Arbeitszeit häufig mit privaten Dingen? 
  • Lasse ich mir bei der Arbeit unnötig Zeit?
  • Gebe ich vor dem Arbeitgeber und Kolleginnen vor, gut beschäftigt zu sein?
  • Bin ich nach einem Arbeitstag erschöpft, obgleich nicht viel zu tun war? 
  • Denke ich über einen Jobwechsel nach, lasse aber eine Bewerbung aus finanziellen Aspekten oder aus Angst vor weiterem Stress sein?


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