Desgleichen ist an die mit der Selbstverwaltung betrauten Mitglieder der Hochschulen zu appellieren, speziell in Berufungsverfahren nicht die Menge an Publikationen zu werten, sondern im Sinne der neuen DFG-Regelung, ausschließlich die Qualität einer begrenzten Anzahl von Schriften zu prüfen und etwaige 'Fehlstellen' mit Blick auf familiäre Verpflichtungen zu betrachten. Schließlich und selbstverständlich obliegt es der Verantwortung der Nachwuchswissenschaftlerin, sich flexibel auf Situationen einzustellen und wissenschaftliche Höchstleistung, wenn auch in geringerem Umfang, zu erbringen. In diesem Sinne möchten wir Frauen in der Wissenschaft ermutigen, Kinder auch und gerade in den Qualifikationsphasen zu bekommen. Erst wenn familiengeprägte Lebensläufe bei der Durchsicht von Bewerbungen auf Professuren normal werden, ist eine Chancengleichheit für Wissenschaftlerinnen in Sicht!
Über die Autoren
Dr. phil. Eveliina Juntunen ist wissenschaftliche Assistentin am Lehrstuhl II für Kunstgeschichte der Universität Bamberg. Sie war Mittelbauvertreterin im Fakultätsrat und ist stellvertretende Frauenbeauftragte an der Fakultät Guk.
Dr. jur. Henning Juntunen ist Abteilungsleiter am Staatlichen Bauamt in Schweinfurt. Er ist 1. Vorsitzender des Mittagsbetreuungsvereins einer Bamberger Grundschule.
Das Paar hat vier gemeinsame Kinder zwischen 8 und 2 Jahren.
Aus Forschung und Lehre :: Oktober 2011
Work-Life-Balance als Herausforderung
VON RUTH STOCK-HOMBURG
In den obersten Unternehmensebenen sind die Arbeitsbelastung und der Leistungsdruck besonders hoch. Wenn ein Topmanager an Burnout erkrankt, entstehen den Unternehmen direkte und indirekte Ausfallkosten. Wie können beide Seiten vorbeugen?
Seit nunmehr zwei Jahrzehnten wurden zahlreiche Belege dafür vorgelegt, dass sowohl die Persönlichkeit als auch die Verhaltensweisen von Topmanagern den stärksten Einfluss auf den Erfolg von Unternehmen haben. Ein gravierendes Beispiel war der Apple-Gründer Steve Jobs; der Aktienkurs des Unternehmens bewegte sich quasi parallel zu dessen Gesundheitszustand. Allerdings hat das Managerdasein auch Schattenseiten: Arbeitstage mit zwischen 14 und 18 Stunden, mehrfach wöchentliche Reisetätigkeit über größere Zeitzonen hinweg, ständige Erreichbarkeit, regelmäßiges Arbeiten an Abenden und Wochenenden, wenig Urlaub sowie Zeit- und Kostendruck gehören bei vielen Topmanagern und Topmanagerinnen zur Tagesordnung.
Oder anders ausgedrückt: Dies sind die wichtigsten Work-Life-Balance Killer eines Managers. Und dass diese hohen psychischen und physischen Belastungen nicht ohne Folge bleiben, liegt auf der Hand. Topmanager, die an die Grenzen ihrer Leistungsfähigkeit gebracht werden, begehen häufiger Managementfehler, treffen eher sub-optimale Entscheidungen und sind weniger loyal gegenüber ihrem Unternehmen. Erste Studien zeigen, dass jeder dritte deutsche Manager an Workaholismus leidet und jeder zehnte stark Burnout gefährdet ist (Stock-Homburg/Bauer 2008).
Kosten
Hält man sich die jüngsten öffentlichen Debatten über Topmanagerprivilegien und -gehälter vor Augen, könnte man sich die Frage stellen, warum wir uns überhaupt mit der Work-Life-Balance von Topmanagern auseinandersetzen sollten. Fallen entsprechende Maßnahmen nicht vielmehr in die Kategorie "sozial-romantische Veranstaltung", die man sich insbesondere auf den obersten Unternehmensebenen nicht leisten will und kann? Ein fataler Trugschluss: Aktuellen Schätzungen zufolge können die Kosten für den Ausfall eines Topmanagers bis in den zweistelligen Millionenbereich gehen. Neben direkten Kosten für Fehlentscheidungen oder entgangene strategische Chancen (z. B. neue Geschäftsmodelle) sind Kosten für Abfindungen aufgrund des gesundheitlich bedingten Ausstiegs von Topmanagern und der Nachbesetzung zu nennen.
Allein für die Neubesetzung im obersten Management belaufen sich die Kosten auf rund 2,5 Jahresgehälter. Neben diesen direkten Kosten sind die indirekten Kosten, bedingt durch Führungsfehler, nicht zu unterschätzen. Wir haben es hier also auch mit einem ökonomisch relevanten Phänomen zu tun! In einer Studie, in der mehr als 250 Topmanager und Topmanagerinnen sowie deren Lebenspartner befragt wurden, konnten vier Managertypen im Umgang mit der Work-Life-Balance identifiziert werden (Stock/Bauer 2011). Diese Typen unterscheiden sich dahingehend, wie mit arbeitsbezogenen Anforderungen (z.B. Work-Life-Balance feindliche Unternehmenskultur bzw. selbst auferlegter Leistungsdruck) und Ressourcen (z.B. persönliche Fähigkeiten, Handlungsspielraum) umgegangen wird (s. Abbildung).
Der intrinsisch motivierte Kompensator verfügt über eine gute Work-Life- Balance. Hohe arbeitsbezogene Anforderungen können durch entsprechende Ressourcen kompensiert werden. Der gleichgültige Professionelle hat gleichermaßen geringe arbeitsbezogene Anforderungen wie Ressourcen. Es wird versucht, die Minimalanforderungen zu erfüllen. Die Work-Life-Balance ist allerdings nur mäßig ausgeprägt, da dieser Managertyp nicht in der Lage ist zu delegieren. Es herrscht also eine relativ hohe Geschäftigkeit, diese allerdings mit bescheidenem Ergebnis.
Der gelassene Selbstmanager verfügt über die beste Work-Life-Balance im Vergleich zu den übrigen drei Managertypen. Hohe persönliche Ressourcen ermöglichen diesem Manager, mit dem täglichen Leistungsdruck relativ gelassen umzugehen. Dementsprechend sind Arbeitsfreude und Erfüllung durch die Aufgabe überdurchschnittlich ausgeprägt. Der extern getriebene Arbeitssüchtige befindet sich in einer schwierigen Situation, da die hohen arbeitsbezogenen Anforderungen nicht über Ressourcen kompensiert werden können. Die Work-Life-Balance ist am schlechtesten ausgeprägt.
Prävention
Eine wichtige Frage bezieht sich nun darauf, was Unternehmen und Manager tun können, um die Work-Life-Balance im Topmanagement zu verbessern. Zahlreiche Unternehmen, wie beispielsweise Procter & Gamble und IBM, haben Gesundheitsförderungs- und -vorsorgeprogramme. Merck lässt seine Topführungskräfte regelmäßig gesundheitlich durchchecken. Für angehende weibliche Top-Führungskräfte bieten Unternehmen wie BASF und Daimler zudem umfassende Mentorenprogramme an, um diese besser innerhalb des Unternehmens zu vernetzen. Mit erfahrenen Mentoren werden zwar nicht ausschließlich, aber zumindest in gewissem Umfang Herausforderungen um die Work-Life-Balance besprochen.
Die meisten Unternehmen konzentrieren sich auf "harte Faktoren", und zwar durch Maßnahmen wie Gesundheitschecks, Mentoring, Seminare zum Selbstmanagement, interne bzw. dem Unternehmen assoziierte Kinderbetreuungsangebote und Sabbaticals. Allerdings zeigen jüngere Studien in US-amerikanischen Unternehmen, dass sich weniger als 50 Prozent der Mitarbeiter trauen, diese Angebote zu nutzen - der Grund: Angst vor negativen Karrierefolgen! Strukturelle Maßnahmen sind daher lediglich die halbe Miete auf dem Weg zu einer funktionierenden Work-Life-Balance von Topmanagern, was auch Unternehmen nach und nach erkennen. So traute sich die Vodafone Deutschland GmbH in einer Initiative zur Verbesserung der Work-Life-Balance Kultur an die "weichen Faktoren" - Kultur und Führung - heran.
Neben der Unternehmenskultur ist dies insbesondere der konstruktive Umgang mit der Work-Life-Balance der Mitarbeiter im Rahmen der Mitarbeiterführung. Es gibt allerdings eine Reihe von Maßnahmen, die Topmanager selbst ergreifen können (Kreiner/Hollensbee/ Sheep 2009; Stock 2010). Beispielsweise können andere Menschen (Assistenten, Familienangehörige usw.) als Unterstützung herangezogen werden. Darüber hinaus können Technologien genutzt werden, um mehr räumliche Flexibilität während der Arbeit zu haben. Wichtig ist auch, konsequent Auszeiten bzw. Zeiten für private Dinge zu definieren. Weiterhin ist es hilfreich, wenn gegenüber dem beruflichen und privaten Umfeld gewisse Erwartungen kommuniziert werden, z.B. hinsichtlich der persönlichen Erreichbarkeit oder der Inhalte, mit denen ein Manager behelligt werden sollte.
Aus Forschung und Lehre :: November 2011
Zwischen den Stühlen? Work-Life-Konflikt in der Wissenschaft
VON ISABELLE DORENKAMP UND STEFAN SÜSS
Die Vereinbarkeit von Arbeit und Privatleben spielt in der Wissenschaft eine besondere Rolle, weil wissenschaftliche Karrieren außerordentliche Leistungsbereitschaft und hohe Mobilität bei langanhaltender Beschäftigungsunsicherheit erfordern. In einer aktuellen Studie wurden Wissenschaftler in Deutschland zu den Einflussfaktoren ihres wahrgenommenen Work-Life-Konflikts befragt.
Wissenschaftliche Tätigkeit stellt besondere Herausforderungen an die Vereinbarkeit von Arbeits- und Privatleben. Neben der hohen Unsicherheit und Aufgabenvielfalt begünstigen vor allem freie Zeiteinteilung und örtliche Ungebundenheit die Entstehung von Work-Life-Konflikten. Es entstehen "Interrollenkonflikte" zwischen Arbeit und Privatleben, wenn die Anforderungen einer Rolle (z.B. als Vater/ Mutter) Auswirkungen auf die Leistung in einer anderen Rolle (z.B. Wissenschaftler) haben. Abhängig davon, in welchem Bereich der Konflikt ausgelöst wird, werden "Work-to-life-Konflikt" und "Life-to-work-Konflikt" unterschieden. Nachwuchswissenschaftler sind aufgrund ihrer Beschäftigungs- und Arbeitsbedingungen (z.B. Befristung, hoher Leistungs- und Konkurrenzdruck) spezifischen Belastungen ausgesetzt, die die Vereinbarkeit von Arbeit und Privatleben deutlich erschweren. In diesem Zusammenhang spricht der Wissenschaftsrat (2014) von "strukturell familienunfreundlichen Rahmenbedingungen im Wissenschaftsbetrieb".
Analyserahmen
Unserer Untersuchung lagen die Annahmen zugrunde, dass ein hoher zeitlicher Arbeitsaufwand und eine zunehmende Karriereunsicherheit Work-Life-Konflikte fördern, die Trennung von Arbeits- und Privatleben konfliktreduzierend wirkt und Kinder und Partner zusätzliche Konfliktpotenziale darstellen (s. Abbildung).
Studie
Von März bis Mai 2014 wurden mittels eines Online-Fragebogens 826 Wissenschaftler in Deutschland befragt (55 Prozent ohne Promotion, 30 Prozent Postdocs, 15 Prozent Professoren). Davon sind 71 Prozent befristet beschäftigt und 48 Prozent weiblich. Mehr als drei Viertel der Teilnehmer leben in einer Partnerschaft, aber nur ein Viertel hat Kinder unter zwölf Jahren. Das Durchschnittsalter liegt bei 37 Jahren. Der Großteil der befragten Wissenschaftler arbeitet an Universitäten (46,5 Prozent) und außeruniversitären Forschungseinrichtungen (42,5 Prozent), 11 Prozent sind an Fachhochschulen beschäftigt. Ingenieur-, Geistes- und Sozial- sowie Lebens- und Naturwissenschaften sind ungefähr gleich stark vertreten. Um die Hypothesen zu testen, wurden zwei hierarchische lineare Regressionsanalysen durchgeführt. Insgesamt erklären die Einflussfaktoren ca. 18 Prozent der Varianz des Work-to-life-Konflikts und zehn Prozent des Life-to-work-Konflikts.
Ergebnisse
Die Analyse zeigt, dass der Work-to-life-Konflikt deutlich stärker ausgeprägt ist als der Life-to-work-Konflikt. Die Arbeit beeinträchtigt offenbar in stärkerem Maße das Privatleben als umgekehrt. So hat der zeitliche Arbeitsaufwand, der unter anderem auf die typische Mehrfachbelastung und den hohen Verwaltungsaufwand im Rahmen wissenschaftlicher Beschäftigung zurückgeführt werden kann, einen signifikanten Einfluss sowohl auf den Work-to-life- als auch auf den Life-to-work-Konflikt. Mit zunehmender Arbeitszeit sinkt die zur Verfügung stehende Zeit für private Angelegenheiten, was Konflikte im Privatleben hervorruft, die sich wiederum auf die Arbeit auswirken. Ebenso bestätigt sich der starke Einfluss von Karriereunsicherheit: Mit zunehmender Unsicherheit nimmt der Work-to-life- und der Life-to-work-Konflikt zu. Karriereunsicherheit ist eine direkte Folge befristeter Beschäftigungsverhältnisse und der begrenzten Anzahl regulärer Professuren sowie der teilweise intransparenten Evaluations- und Erfolgskriterien. Sie stellt einen Stressfaktor dar, mit dem mentale Belastungen einhergehen. So können Zukunftssorgen im Arbeitsleben zu höheren Verausgabungen, Frustrationen oder schnellerer Erschöpfung führen, worunter die Verpflichtungen im Privatleben leiden. Sie können auch abwartendes und entscheidungsschwaches Verhalten im privaten Bereich verstärken, wodurch zusätzliche Spannungen entstehen, die ihrerseits das Arbeitsleben beeinträchtigen.
Anders als vermutet führt die Trennung von Arbeits- und Privatleben zu einer Erhöhung des Work-to-life-Konflikts, während der Life-to-work-Konflikt unabhängig hiervon ist. Das Ergebnis überrascht, da die Forschung bisher überwiegend zeigt, dass eine klare Trennung hilft, den Konflikt zu reduzieren. Eine Erklärung ist, dass Wissenschaftler zwar den Wunsch haben, beide Bereiche stärker zu trennen, aber in der Realität die Vermischung von Arbeits- und Privatleben alltäglich ist, sodass Wissenschaftler, die beide Bereiche eigentlich trennen wollen, Konflikte empfinden. Der in der Studie festgestellte Zusammenhang zwischen Kindern und Life-to-work-Konflikt bestätigt die Annahme, dass mit der Rolle als Mutter oder Vater zusätzliche Anforderungen an Wissenschaftler gestellt werden, die Konflikte mit dem Arbeitsleben hervorrufen. Im Gegensatz zu bisherigen Ergebnissen für den Wissenschaftsbereich konnte der Zusammenhang zwischen Partnerschaft und Life-to-work-Konflikt nicht festgestellt werden. Überraschenderweise nehmen jedoch Wissenschaftler mit Partnern den Work-to-life-Konflikt weniger stark wahr als solche ohne Partner. Eine Partnerschaft bereichert, wenn Partner bei Arbeitsstress eine Unterstützung sind und Konflikte reduzieren.
Implikationen für die Hochschulpolitik
Um die Karriereunsicherheit und damit den Work-Life-Konflikt zu reduzieren, sind weitere Maßnahmen auf politischer Ebene erforderlich. Neben dem flächendeckenden Einsatz von Juniorprofessuren mit Tenure-Track-Verfahren und zusätzlichen dauerhaften W2- und W3-Professuren sind neue, attraktive Karriereziele für das wissenschaftliche Personal (z.B. für dauerhaft anfallende wissenschaftliche Dienstleistungen) zu schaffen. Auch die Erleichterung des Übergangs von der Universität zur Fachhochschule könnte hier helfen. Zur Reduzierung des hohen zeitlichen Arbeitsaufwands können Professoren oder wissenschaftliche Mitarbeiter für definierte Zeiträume mit bestimmten Aufgabenschwerpunkten versehen werden. Das verhindert, dass sie "zwischen den Stühlen sitzen" und so in Konflikte geraten.
Da Kinder eine hohe Bedeutung für den Life-to-work-Konflikt haben und Partner konfliktreduzierend wirken, sind sowohl flexible Kinderbetreuungsangebote als auch Dual-Career-Angebote auszubauen. Auch die Teilzeit-Professur ist ein noch zu selten eingesetztes Instrument, das die Vereinbarkeit von Wissenschaft und Familie ermöglichen und empfundene Konflikte reduzieren kann. Darüber hinaus sind Maßnahmen hilfreich, die die Integration von Arbeit und Privatleben erleichtern. Dazu zählen beispielsweise die Flexibilisierung von Home-Office-Regelungen für wissenschaftliche Mitarbeiter oder die Ausstattung von Home-Arbeitsplätzen mit neuster Technik.
Literatur
Der ausführliche Beitrag mit Literaturhinweisen ist erschienen in: Matiaske, Wenzel/Czaya, Axel (Hrsg.): Periphere Arbeit im Zentrum, Baden-Baden 2016, S. 119-146
Über die Autoren
Isabelle Dorenkamp ist wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf.
Stefan Süß ist Professor für Betriebswirtschaftslehre und Prorektor für Studienqualität und Personalmanagement an der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf.
Aus Forschung & Lehre :: August 2016