Gleichstellung und Sichtbarkeit
Im Fokus: Innovative Frauen

Erfolgreiche Frauen jubeln in einem Büro

Das Metavorhaben „Innovative Frauen im Fokus“ fördert die Gleichstellung und Sichtbarkeit von Frauen. © gradyreese / iStock

Die vom Bundesministerium für Bildung und Forschung initiierte Förderrichtlinie „Innovative Frauen im Fokus“ fördert Projekte, die der gleichberechtigten Teilhabe und Sichtbarkeit von Frauen in Wissenschaft, Forschung und Innovation dienen. Projektleiterin Christina Rouvray erklärt, welche Rolle das gleichnamige Metavorhaben (meta-IFiF) dabei spielt und zieht eine Zwischenbilanz: Wie steht es um die Sichtbarkeit von Wissenschaftlerinnen, und an welchen Stellschrauben kann und muss noch gedreht werden? 

Veröffentlicht: 30.08.2023

Von: Maike Schade

academics: Frau Rouvray, bitte erklären Sie kurz: Was ist meta-IFiF? 
Christina Rouvray: meta-IFiF steht für Metavorhaben „Innovative Frauen im Fokus“ und ist ein vom BMBF (Bundesministerium für Bildung und Forschung, Anm. d. Red.) gefördertes Projekt in der Förderrichtlinie „Innovative Frauen im Fokus’“– dafür steht die Abkürzung IFiF. Wir begleiten die anderen Förderprojekte über die ganze Laufzeit hindurch. Die Förderrichtlinie läuft über fünf Jahre noch bis Ende Februar 2027. Im dritten Call können noch bis Ende Oktober weitere Anträge auf Förderung gestellt werden.  

Wer kann sich bewerben?  
Antragsberechtigt sind Hochschulen, außeruniversitäre Forschungseinrichtungen, kleine und mittlere Unternehmen (KMU) der gewerblichen Wirtschaft, Verbände, Stiftungen, Träger von Bildungseinrichtungen und Kulturstätten sowie andere juristische Personen des öffentlichen und privaten Rechts, die gewisse Voraussetzungen erfüllen. Die Auswahl trifft das BMBF allerdings selbst und ohne unsere Beteiligung. 

Wie sieht die Förderung aus?
Unsere Aufgabe als Metavorhaben ist es, die derzeit 24 Projekte untereinander zu vernetzen, sodass sie voneinander erfahren und gegebenenfalls Synergieeffekte nutzen können. Wo sind Ähnlichkeiten, wo Gemeinsamkeiten, wo können sie ggf. zusammenarbeiten? Wo können Sie von den jeweiligen Erfahrungen profitieren, sei es beispielsweise in technischen Fragen, beim Erstellen von Podcasts für eine bestimmte Zielgruppe, bei der Suche nach Personen, die sich an den Umfragen beteiligen, die die Basis einiger Studien darstellen? 

Außerdem unterstützen wir die Projekte im Bereich der Öffentlichkeitsarbeit, um gemeinsam eine größere Reichweite zu entwickeln. Auf LinkedIn und X, also dem ehemaligen Twitter, und unserer eigenen Website sammeln wir viele Informationen über die Aktivitäten der IFiF-Projekte und stellen Akteur:innen und Veranstaltungen aus dem Themenfeld Chancengleichheit und Sichtbarkeit von Frauen vor. Wir versuchen so auch eine Followerschaft aufzubauen, die am Themenbereich Gleichstellung interessiert ist – und darüber hinaus.  

Wie meinen Sie das, „darüber hinaus“? 
Es gibt Gruppen oder Personen in der Geschlechterforschung, Akteur:innen der Gleichstellungspolitik, insbesondere im Wissenschaftsbereich, die allein aufgrund ihres beruflichen Kontextes sehr an den Forschungsergebnissen der geförderten Projekte interessiert sind. Darüber hinaus wollen wir aber auch diejenigen erreichen, die sich selbst nicht unbedingt dem Thema Gleichstellung und Chancengleichheit zuordnen.  

Viele Frauen möchten sehr wohl für ihre Leistungen gesehen und gehört und als Expertinnen herangezogen werden. Die Frage ist vielleicht eher: zu welchem Preis?

Christina Rouvray, Projektleiterin meta-IFiF

Welche Aufgaben hat das Metavorhaben noch? 
Außerdem gehört noch die Unterstützung der IFiF-Projekte im Bereich Transfer und Verstetigung zu unseren Kernaufgaben. Die Projekte mussten bzw. müssen schon bei Antragstellung unter anderem ein Konzept darlegen, wie sie sich perspektivisch ihre eigene Öffentlichkeitsarbeit bzw. Wissenschaftskommunikation vorstellen und wie Transfer und Verstetigung ihrer Projektergebnisse aussehen kann.

Alle forschen oder erarbeiten Umsetzungsmaßnahmen in einem konkreten Bereich, die der Gleichstellung und der Sichtbarmachung von Frauen in der Wissenschaft oder auch bei Unternehmen dienen – und diese sollen dann übertragbar sein auf andere Fachbereiche oder Institutionen. Die Projekte sollen idealerweise einen gewissen Modellcharakter haben. 

Inwiefern, wie kann das aussehen? 
Wenn beispielsweise Archäologinnen oder Bauingenieurinnen Role Models herausarbeiten – historische oder auch aktuelle, lebende Frauen – und deren Berufsbiografien aufbereiten oder wenn sie Netzwerke aufbauen, kann das auf andere Fachbereiche übertragen werden. Oder wenn sich ein Projekt strukturell damit beschäftigt, was eigentlich Exzellenz bedeutet, welche Rahmenbedingungen dafür nötig sind und wer eigentlich auf welcher Grundlage welche Ressourcen bekommt, können diese Erkenntnisse ebenfalls von anderen Projekten, Bereichen oder Hochschulen übernommen werden.  

Die fehlende Sichtbarkeit von Wissenschaftlerinnen ist ein Problem, das häufig im Zusammenhang mit Gleichstellung diskutiert wird. Wie sehen Sie das?  
Ja, das ist ein Teilgebiet von Gleichstellung und Chancengleichheit. Wissenschaftlerinnen sind ja nicht unbedingt gleichzeitig auch Kommunikationsexpertinnen und haben keine zeitlichen Ressourcen, sich darin fortzubilden und permanent zu betreiben. Welches Know-how brauchen innovative Frauen für eine gute Öffentlichkeitsarbeit? Wo können sie individuell und strukturell, beispielsweise über die Hochschule, Unterstützung finden? 

Wie definieren Sie denn eine „innovative Frau“? 
Das ist eine interessante Frage. Grob gesagt, lässt die Förderrichtlinie hier einen gewissen Spielraum in der Interpretation bzw. der eigenen Definition. Die Formulierung dort ist, dass es um ein besseres Verständnis des Potenzials exzellenter Frauen mit ihren wissenschaftlichen Leistungen, innovativen Ideen und Errungenschaften für die Innovationskultur Deutschlands geht und darum, dieses Potenzial zu erschließen. Es geht also mehr um die Rolle, die Innovationen von Frauen in der Innovationskultur in Deutschland haben können und sollten und wie die Strukturen dort verändert werden sollten, um weibliche Expertise einbringen und sichtbar machen zu können. Ob es wichtig ist, darüber auch zu definieren, was eine innovative Frau ist, prüft jedes Projekt somit eher individuell.  

Welche unterschiedlichen Definitionen können das sein, können Sie Beispiele nennen? 
Eines der Projekte zum Beispiel, die „Plattform #InnovativeFrauen“ definiert Innovation im Sinne von 'Ich habe etwas erfunden oder ein Verfahren maßgeblich weiterentwickelt', hier steht eine echte Neuerung im Fokus. Es muss aber nicht unbedingt ein haptisches Produkt wie etwa eine Maschine sein, es kann auch beispielsweise eine neue Internetplattform oder eine soziale Innovation sein, die entwickelt wurde.  

Innovativ kann auch bedeuten, dass ein neues Netzwerk begründet wird. Zum Beispiel hat sich das Projekt Infect-net zum Ziel gesetzt, Infektionsforscherinnen in einem Verband oder Verein zusammenzubringen, in dem sie sich einerseits austauschen können und andererseits dadurch auch in der Öffentlichkeit und zum Beispiel für Medienschaffende sichtbarer werden mit ihrer Expertise. 

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Mal ganz provokant gefragt: Warum ist es denn so wichtig, dass Wissenschaftlerinnen sichtbarer werden und Spitzenpositionen erlangen?  
Es trägt zur Diversität in der Forschung bei. Und je mehr unterschiedliche Leute forschen, desto mehr unterschiedliche Ansätze haben sie. Wenn immer nur dieselbe Art Menschen mit demselben Hintergrund etwas entwickelt, kommen dabei nun einmal Produkte heraus, die gewisse Aspekte, Lebensumstände und andere Menschen nicht berücksichtigen.  

So wie ein Auto, in dem eine Frau nicht optimal sitzen und herausgucken kann, weil sie kleiner ist als die Männer, die es entwickelt haben.  
Genau. Oder wie der automatische Seifenspender, der ausschließlich auf eine „weiße“ Hautfarbe reagiert. Es müssen nicht immer geschlechtsspezifische Aspekte sein, die unter den Tisch fallen, wenn die Diversität in der Forschung und Entwicklung nicht gegeben ist. Darüber hinaus ist es von entscheidender Wichtigkeit, dass Mädchen weibliche Vorbilder haben, denen sie nachstreben können. Und dafür müssen diese Role Models sichtbar sein. 

Wir haben bislang viel von Hochschulen gesprochen. Sie erwähnten eingangs, dass sich auch mittelständische Unternehmen bewerben können? 
Ja, meines Wissens sind aber bislang nur sehr wenige bis gar keine Förderanträge von Unternehmen gestellt worden. Vermutlich liegt das daran, dass die Einwerbung von Drittmitteln in Hochschulen zum Tagesgeschäft gehört, wohingegen mittelständische Unternehmen öffentliche Fördermöglichkeiten nicht so im Blick haben. Den Bereich Forschung und Entwicklung gibt es aber auch bei mittelständischen Unternehmen, genau wie die Frage, wie Frauen hier besser unterstützt und sichtbarer gemacht werden können. Über Investitionen in Personalmaßnahmen und Fachkräftesicherung wird in Unternehmen aber meist intern entschieden. 

Zwei der geförderten Projekte arbeiten beispielsweise intensiv zum Thema Gründung. Gibt es Rahmenbedingungen, die besonders Frauen zugutekommen? Und können vielleicht auch schon Hochschulen solche Rahmbedingungen anbieten, sodass die Gründungen direkt aus der Hochschule heraus erfolgen? Umgekehrt gilt das aber natürlich auch – wie kann beispielsweise die Start-up-Szene oder Wirtschaft allgemein von den exzellenten, innovativen Ideen von Frauen an Hochschulen profitieren? Hier werden Good Practice-Beispiele und Handlungsempfehlungen erarbeitet.  

Zurück zu den Hochschulen. Laut dem Verbraucherschutzverein Berlin-Brandenburg sind bei 42 der größten deutschen Universitäten derzeit 50 Prozent der Juniorprofessuren von Frauen besetzt. Heißt das etwa, wir haben es geschafft und die Leaky Pipeline gestopft? 
Das wäre natürlich ganz wunderbar. Es gibt ja schon seit Jahren verschiedene Maßnahmen, auch aus dem BMBF, zum Beispiel das Professorinnenprogramm, die darauf hinwirken, dass diese Pipeline etwas gestopft wird und Frauen es ganz bis nach oben schaffen. Ich glaube, diese hohe Anzahl von Juniorprofessorinnen ist auch ein Resultat davon, und man kann es wirklich als Erfolg werten. Als Zeichen dafür, dass ein Bewusstsein für das Thema entwickelt wurde.  

Ob das aber wirklich schon ausreicht... Da wäre ich vorsichtig. Natürlich werden künftig aus diesem Fundus an Juniorprofessuren die Nachwuchsprofessor:innen für dauerhafte, höher besoldete Professuren rekrutiert, insofern ist das eine tolle Voraussetzung. Dennoch dauert das natürlich – es werden kaum neue Lehrstühle kreiert, man muss also warten, bis eine Professur altersbedingt frei wird, bevor die Stelle nachbesetzt wird. Und Lehrstuhl ist auch nicht gleich Lehrstuhl. Es gibt hinreichend Daten und Fakten, die belegen, dass die Mehrzahl der am besten ausgestatteten Lehrstühle nach wie vor von Männern besetzt sind. Auch zu diesem Themenbereich stellen wir auf der meta-IFiF-Website unter dem Reiter Infopool Informationsmaterial bereit. 

Es gibt ja auch große Unterschiede zwischen den unterschiedlichen Fachbereichen...  
Ja. Es gibt Fachbereiche, in denen der Anteil der weiblichen Studierenden bei 60, 70 Prozent liegt – zum Beispiel 75 Prozent der Absolvent:innen in den Geisteswissenschaften sind weiblich, ähnlich im Bereich „Humanmedizin und Gesundheitswissenschaften“, auf der professoralen Ebene sind es dann aber nur maximal 50 Prozent, wenn überhaupt.  

Hier ist ein großer Unterschied je nach Besoldungsstufe: W1-Professuren, also Juniorprofessuren, sind in diesen beiden Bereichen nahezu paritätisch besetzt, bei den höheren Besoldungsstufen sind aber deutlich weniger Frauen zu verzeichnen. Es wäre schön, wenn in jedem Fachbereich wenigstens der prozentuale Anteil der Professorinnen auch dem der Studentinnen entspräche. Es gibt da einige, die wirklich großen Nachholbedarf haben, zum Beispiel die Ingenieurwissenschaften, zu denen seit 2016 statistisch auch die Informatik gehört. Hier lag der Frauenanteil 2021 unter den Studienanfänger:innen schon bei nur 27 Prozent, der bei den W3/ C4-Professuren auf einen Frauenanteil von 11,7 Prozent schrumpft. Der Bereich „Mathematik und Naturwissenschaften“ verzeichnet bei den Studienabsolvent:innen im Jahr 2021 inzwischen sogar einen Frauenanteil von 53,3 Prozent; bei den W3-/ C4-Professuren lag der Anteil aber bei nur 17,6 Prozent. 

„Ohne generalisieren zu wollen – Frauen sind im Moment vielleicht tendenziell auch noch diejenigen, die sagen: Ach, ich muss ja auch gar nicht so in den Vordergrund.“

Christina Rouvray, Projektleiterin von meta-IFiF

Woran liegt das denn Ihrer Meinung nach? Sind es eher strukturelle Probleme oder haben Frauen vielleicht doch einfach nicht ausreichend hohe Ambitionen oder das nötige Selbstbewusstsein?  
Das ist ein sehr komplexes Thema. Mit Sicherheit liegt es nicht am nicht wollen, und ganz klar nicht an fehlenden Kompetenzen. Eine der Hauptproblematiken sind die jahrhundertealten Strukturen, die nicht nur die Gesellschaft, sondern auch das Wissenschaftssystem prägen und ganz klar auf Männerbiografien ausgelegt waren. Das klassische Rollenbild: Die Frau hält dem Mann den Rücken frei, übernimmt sämtliche Familienarbeit, damit der sich ausschließlich auf die Forschung und seinen Beruf konzentrieren kann. Das gilt natürlich nicht nur für den Bereich Forschung und Innovation, sondern wir sind ja alle in komplexen gesellschaftlichen Verflechtungen gefangen.  

Was zur Folge hat...? 
Dass Frauen an vielen Stellen und in vielen Bereich „kämpfen“ oder sich besonders anstrengen müssen. Zum einen geht es um die Identifizierung und Überwindung von über Jahrhunderte entstandener Vorurteile, Stereotypen und Geschlechtsrollenklischees, die zum Beispiel in der Partnerschaft, im Beruf und in der Gesellschaft wirken. Teils fehlen faktisch Betreuungsmöglichkeiten von Kindern bis ins Grundschulalter hinein.  Mit diesen Faktoren müssen sich Frauen meist auf der individuellen Ebene beschäftigen und gerade diese Individualisierung ist problematisch. 

Das ist auf Dauer sehr anstrengend und erfordert nicht nur ein großes Organisationstalent, sondern auch emotionale und physische Energie. Die Verantwortung für Veränderung sollte aber nicht die individuelle Frau allein tragen, sondern obliegt der Gesamtgesellschaft, einschließlich der verschiedenen Akteur:innen und Entscheidungsträger:innen in Institutionen von Wissenschaft und Forschung. Gerade strukturelle Maßnahmen und Rahmenbedingungen können und müssen daher verbessert werden.

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Und als weiterer Faktor komme ich doch nochmal auf ein Element Ihrer vorigen Frage zurück: die Frage nach Ambitionen und Selbstbewusstsein: Ohne generalisieren zu wollen – Frauen sind im Moment vielleicht tendenziell auch noch diejenigen, die sagen: Ach, ich muss ja auch gar nicht so in den Vordergrund. Das heißt selbstverständlich nicht, dass alle Frauen diese Position einnehmen. Im Gegenteil: Viele Frauen möchten sehr wohl für ihre Leistungen gesehen und gehört und als Expertinnen herangezogen werden. Die Frage ist vielleicht eher: zu welchem Preis? 

Nichtsdestotrotz wollen aber auch Wissenschaftlerinnen vielleicht eine Familie gründen. Warum sind Professorinnen häufiger kinderlos als ihre männlichen Kollegen und der Durchschnitt der deutschen weiblichen Bevölkerung?  
Das hängt mit dem deutschen Wissenschaftssystem zusammen. Ein befristeter Vertrag reiht sich an den nächsten, und der Weg zu einer Professur ist sehr lang – und er fällt genau in die „Rush Hour des Lebens“, also das Zeitfenster der Familiengründung, das für Frauen ja doch etwas schmaler ist als für Männer. Zudem wird eine gewisse Mobilität verlangt, die für junge Familien schwierig ist. Das sind gewisse Hürden, und Frauen stecken da öfter zurück als Männer. 

Dieser schwierige Rahmen ist maßgeblich durch das Wissenschaftszeitvertragsgesetz bedingt. Es soll zwar angepasst werden, doch die Art und Weise wird sehr kontrovers diskutiert. Was muss sich hier aus Ihrer Sicht ändern?  
Naja, etwas längere Verträge würden helfen, und eine gewisse Klarheit in der Perspektive für Nachwuchswissenschaftlerinnen. Teilweise setzt das Professorinnenprogramm auch schon gute Rahmenbedingungen. In dieser Frage gibt es aber bessere Ansprechpartner:innen, z.B. die Initiatori:innen von #IchBinHanna. Sie haben schon viele Empfehlungen an die (Wissenschafts-)Politik formuliert.  

Antiquierte Rollenbilder und strukturelle Missstände sind aber nicht die einzigen Probleme, mit denen innovative Frauen zu kämpfen haben, oder?  
Nein, leider nicht. Manche Frauen, die mutig vorangehen, werden regelrecht angefeindet. Gerade in den sozialen Medien ist Hate Speech bekanntermaßen weit verbreitet – das reicht von etwas dümmlichen Vorurteilen bis hin zu richtig schlimmen persönlichen Angriffen, bei denen auch die Expertise in Frage gestellt wird, zum Teil mit den abstrusesten Begründungen. Zum Beispiel: „Die ist viel zu hübsch, die kann doch nichts im Kopf haben!“ Das schreckt viele innovative Frauen davon ab, öffentlich aktiv zu sein.  

Bietet meta-IFiF auch Schulungen an, wie man sich als erfolgreiche Frau in den sozialen Medien am besten darstellt und mit Hate Speech umgeht? 
Für persönliche Beratung oder Schulungen fehlen uns bei meta-IFiF die Kapazitäten, auch wenn wir natürlich schon stark sensibilisiert sind für dieses Thema. Aber es gibt andere Initiativen und Anlaufstellen, die sehr gute Unterstützung bieten.  

Gut zu wissen

Wohin können sich Wissenschaftlerinnen wenden, die sich Angriffen in der Öffentlichkeit oder dem Internet ausgesetzt sehen? Christina Rouvray nennt drei gute Adressen:  

  1. Das Nationale Institut für Wissenschaftskommunikation (NaWik) gGmbH bietet viele Informationen und Beratung rund um das Thema Wissenschaftskommunikation. Speziell für schwierige Situationen gibt es einen „Leitpfad“. Im akuten Fall kann auch der „Mayday-Button“ weiterhelfen.  
  2. Scicomm-Support ist die Anlaufstelle bei Angriffen und unsachlichen Konflikten in der Wissenschaftskommunikation und ein gemeinsames Angebot des Bundesverbands Hochschulkommunikation und Wissenschaft im Dialog.
  3. HateAid ist eine gemeinnützige Organisation, die sich für Menschenrechte im digitalen Raum einsetzt und sich auf gesellschaftlicher wie politischer Ebene gegen digitale Gewalt und ihre Folgen engagiert.

Gibt es noch weitere Stellschrauben, die die Sichtbarkeit von Wissenschaftlerinnen verbessern würden? 
Die Forschungsförderung. Sie hat einen großen Einfluss auf die Gleichstellung und Erhöhung von Chancengleichheit. Die DFG (Deutsche Forschungsgemeinschaft, Anm. d. Red.) ist da beispielsweise weit fortgeschritten. Darüber hinaus auch generell bei der Anerkennungskultur. Wir haben auch Projekte in der Förderrichtlinie, die sich mit verschiedenen Aspekten davon befassen, beispielsweise dem Gender Award Gap. Gerade hochdotierte Preise schaffen Sichtbarkeit und helfen somit sowie durch teils hohe Preisgelder, die Forschung relativ eigenständig vorantreiben zu können. Oder die Zitationspraxis – wie oft werde ich wo und wie zitiert? Hier gibt es einen Gender Citation Gap

Zwei der IFiF-Projekte setzen sich in verschiedenen Fachbereichen damit auseinander und es gibt auch schon erste Zwischenergebnisse: Es hilft beispielsweise, Gemeinschaftspublikationen zu veröffentlichen, allerdings kommt es offenbar auf die Anzahl der Co-Autor:innen an. Zwei bis vier Co-Autor: innen sind demnach hilfreich, bei einer größeren Gruppe trifft das nicht mehr zu. Es werden auch Tools für die Messbarkeit bezüglich der Häufigkeit von Zitationen entwickelt. 

Das klingt alles sehr spannend. Kann man die Forschungsergebnisse der Projekte irgendwo einsehen?  
Ja, selbstverständlich, schon jetzt informieren wir darüber auf der meta-IFiF-Website, soweit schon Ergebnisse oder Zwischenergebnisse vorliegen. Die Vertreter:innen publizieren diese Ergebnisse in Fachjournalen und präsentieren sie auf Fachtagungen bzw. werden dies tun, sobald eben Ergebnisse vorliegen.

Und: Wir werden 2025 eine größere Fachtagung veranstalten, bei der wir zu den Ergebnissen oder auch Zwischenergebnissen der Projekte zusammen mit Expert:innen und anderen Interessierten in den Austausch gehen. Anschließend wird es auch eine Dokumentation geben – mit den verschiedensten Aspekten, also von der Sichtbarkeit der Zitationspraxis über die Effektive Wirkung von Role Models bis hin zu diversen Maßnahmen, die von Akteur:innen an Hochschulen und anderen Forschungseinrichtungen, wie bspw. in der strukturell verankerten Hochschul- oder Unternehmenskommunikation umgesetzt werden können.  

Abschließend ihre professionelle und realistische Einschätzung: Wie ist die Situation für Frauen in der Wissenschaft im Jahr 2033? 
Hm. Das ist jetzt natürlich sehr spekulativ, aber ich denke, dass sich bis dahin eine deutliche Besserung zeigen wird. Eine Quote von 50 Prozent bei den Professuren werden wir wohl noch nicht erreicht haben, Frauen können ja nur nach und nach auf vakante Stellen nachrücken. Aber vielleicht durchweg 40 Prozent auch in den höchsten Besoldungsstufen? Ich weiß nicht, ob das zu optimistisch ist.

Grundsätzlich hoffe und glaube ich, dass es bis dahin eine größere Akzeptanz der weiblichen Expertise in der Öffentlichkeit geben wird. Dass es dann selbstverständlich ist, dass Frauen als Expertinnen für ein bestimmtes Fachgebiet und mit einer entsprechenden Autorität wahrgenommen werden und in den Medien präsent sind. Wenn Deutschland dauerhaft Spitzenforschung betreiben und Innovation in Wissenschaft und Forschung, Wirtschaft und Gesellschaft vorantreiben möchte, kann einfach nicht auf 50 Prozent des Innovationspotenzials verzichtet werden. 

Christina Rouvray, Projektleiterin von meta-IFiF

Christina Rouvray, Projektleiterin des Metavorhabens meta-IFiF © privat

Christina Rouvray studierte an der Universität Bielefeld Rechtswissenschaft sowie an der University of Nottingham (Masterstudiengang Public International Law) und legte ihr zweites Staatsexamen am Oberlandesgericht Hamm ab. Schon während des Studiums fokussierte sie sich auf ihr Herzensthema: Frauenrechte als Teil des Menschenrechtssystems und feministische Ansätze in der Rechtstheorie. Es folgten berufliche Stationen unter anderem als wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Uni Bielefeld und im Projektmanagement des Kompetenzzentrums Frau und Beruf (Ostwestfalen-Lippe). Seit Mai 2022 ist sie die Projektleiterin von meta-IFiF. 

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