Bewerbung Forschung & Entwicklung
Wie bewerbe ich mich als Wissenschaftler in der Wirtschaft?

Ampel Gelbphase Symbolbild Bewerbung Forschung und Entwicklung

Was ist bei der Bewerbung in Forschung & Entwicklung als Wissenschaftler zu beachten? © Joe Roberts / unsplash.com

Wenn Nachwuchsforscher sich bei Forschung und Entwicklung von Unternehmen bewerben, betreten sie oft eine für sie fremde Welt. Damit die Bewerbung als Eintrittskarte wirkt, helfen die folgenden Tipps.

Veröffentlicht: 04.12.2017

Von: Julia Holzapfel

Wissenschaftler bringen besondere Fähigkeiten mit: In der langjährigen Forschungstätigkeit haben sie gelernt, sich Problemen kreativ anzunähern, und eine bemerkenswerte Frustrationstoleranz sowie Durchhaltevermögen entwickelt. „Viele Nachwuchsforscher erkennen ihre Stärken nicht, darin liegt der größte Stolperstein bei der Bewerbung in der Wirtschaft“, sagt Dr. Stefanie Schönbach-Fuleda. Die promovierte Pädagogin und Psychologin berät als Trainerin und Coach Wissenschaftler zu Karrierestrategien.

Es gehe in der Bewerbung um überfachliche Kompetenzen, denn darauf schauten die Personaler in den Unternehmen genau. „In der Wissenschaft, wo Veröffentlichungen zählen, ist das aber keine gängige Währung“, erklärt Schönbach-Fuleda dazu, warum viele beim Thema Selbstmarketing Starthilfe brauchen. „Denken Sie mehr über konkrete Tätigkeiten und weniger über Inhalte nach“, empfiehlt sie jenen, die Schwierigkeiten haben, ihre Stärken zu definieren.

Seit Jahren bei der Planung der Langen Nacht der Wissenschaft dabei? Organisationsfähigkeit unter Beweis gestellt. Immer wieder Vorträge vorbereitet und auf Konferenzen gehalten? Deutet auf strukturierte Arbeitsweise und sicheres Auftreten hin. Kontakte zu internationalen Universitäten geknüpft? Ein Indiz für interkulturelle Kompetenz. Zahlreiche Doktoranden betreut? Klarer Fall von Kommunikationsstärke. In der Bewerbung sollten stets die Fähigkeit und der dazugehörige Beleg vorkommen – „Ich habe erreicht“ statt „Ich bin“.

Stärken zu kennen ist die eine, sie zu benennen die nächste Herausforderung. Weil an der Universität die Forschung mehr als die Persönlichkeit zählt, tun sich Nachwuchswissenschaftler damit schwer. „Wofür stehe ich? Worin bin ich Experte?“ Wer sich seiner Fähigkeiten bewusst wird, kann authentische Werbung für sich selbst machen.

Wer von der Wissenschaft in die Wirtschaft wechselt, verändert seinen Fokus gemäß der Aufgaben in F&E von der Grundlagenforschung zur angewandten Forschung. Dann werden Sachverhalte relevant, die an der Uni kaum vorkommen: Patentrecht, Profitabilität oder Unternehmensstrategien etwa.

Gerade in der ingenieurwissenschaftlichen Forschung gibt es immer wieder Projekte, bei denen die Industrie eng mit den Universitäten zusammenarbeitet. Dabei knüpfen die Nachwuchswissenschaftler nicht nur wertvolle Kontakte, sondern schnuppern ein wenig im wirtschaftlichen Bereich der Forschung und Entwicklung in Deutschland. Wer derlei wirtschaftsnahe Kenntnisse oder Erfahrungen hat, sollte sie bei der Bewerbung unbedingt angeben.

Eine gut sortierte und auf die Stelle zugespitzte Publikationsliste zeigt dem Personaler, inwiefern die bisherige und die zukünftige Forschungstätigkeit zusammenpassen. Der eigene Schwerpunkt der universitären Forschung und das Themengebiet im Unternehmen können, aber müssen sich nicht hundertprozentig überschneiden. Wer ins wirtschaftliche FuE-Umfeld einsteigt, muss sich häufig in ein neues Thema einarbeiten, eine Bewerbung auf entsprechende Stellen lohnt sich daher dennoch.

Das Anschreiben ergänzt die fachlichen Angaben aus dem Lebenslauf. Der Gedanke „Was ist für den Empfänger der Bewerbung wichtig zu wissen?“ gibt die Struktur vor, individuelle Kompetenzen spielen die Hauptrolle. Es genügt nicht, die eigenen Fähigkeiten auf eine Formel zu bringen, die in jede Bewerbung kommt. Nicht auf die ausgeschriebene Position einzugehen zählt laut Schönbach-Fuleda zu den häufigsten Fehlern. „Wenn Teamplayer oder Leitungskräfte gesucht werden, dann sollten die Wissenschaftler das im Anschreiben berücksichtigen“, erklärt sie.

Die Motivation für den Wechsel von der Wissenschaft zur angewandten Forschung und Entwicklung sollte vorkommen. Was, abgesehen von unbefristetem Vertrag und der Aussicht auf höheres Gehalt, erscheint reizvoll an einem Job in der Wirtschaft? „Dass die Arbeitsbedingungen in der Wissenschaft nicht zu den Lebensvorstellungen passen, ist ein legitimer Grund, den Bewerber anführen können – aber nicht als einzigen“, sagt Schönbach-Fuleda. Interdisziplinäre Zusammenarbeit, Anwendungsorientierung, gesellschaftlicher Nutzen und Teamarbeit statt Einzelkämpfertum seien Argumente, die viele ihrer Klienten zum Übergang in die freie Wirtschaft bewegten.

Im Lebenslauf sollten Praktika und Nebenjobs nicht fehlen – zumindest, wenn man noch am Anfang der Karriere steht. Im universitären Kontext irrelevant, für Personaler aussagekräftig: Der Aushilfsjob als Kellner hat die Kundenorientierung geschult, der Kontakt zu nicht akademischen Kollegen beim Einräumen von Regalen hilft bei Führungsaufgaben.

Ähnlich verhält es sich mit Hobbys: Wer ein Handball-Nachwuchsteam coacht, zeigt überdurchschnittliche Verantwortung; wer gerne indisch kocht, äußert Interesse für fremde Kulturen; wer gerne fotografiert, hat einen Blick für Details. Oberstes Gebot: bei der Wahrheit bleiben.

Über formale Ansprüche der Bewerbung geben die Bewerbungstipps für Akademiker Auskunft.

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Die Bewerbung ist eher Abstract als Essay. Wer aus der Wissenschaft in die angewandte Forschung und Entwicklung wechseln möchte, muss sich kurzfassen und simpel ausdrücken. Das bedarf nach der Zeit an der Universität ein wenig Übung. Stefanie Schönbach-Fuleda empfiehlt: „Zuerst das Anschreiben formulieren, dann aus langen Sätzen kurze machen.“

Von Personalern in Unternehmen darf man nicht erwarten, dass sie sich die relevanten Stellen in einer Bewerbung herauspicken. Wer dem HR-Manager durch konkrete Formulierungen zuarbeitet, hat Vorteile gegenüber dem, der sich in Ausführlichkeiten oder Floskeln verliert.

Wissenschaftler bleiben laut Stefanie Schönbach-Fuleda oft zu abstrakt – im Anschreiben wie im Gespräch. „Sie sagen ‚Ich befasse mich mit Forschung XY‘ und meinen, ihr Gegenüber hat davon eine Vorstellung“, erläutert sie das Problem. Beispiele nennen, von Erfahrungen berichten, mehr in die Tiefe gehen heißt das Gegenmittel. „Indem ich beschreibe, was ich erlebt habe, führe ich den Personaler gedanklich an meinen Arbeitsplatz als Forscher“, sagt der Coach.

Viele Nachwuchswissenschaftler mussten sich noch nie beim Bewerbungsgespräch in einem Unternehmen präsentieren. Um diese Situation zu üben, eignen sich Workshops oder Einzeltrainings, die Universitäten anbieten. Anstatt beim Gespräch die Nervosität zu überspielen, dürfe man sich als Jobinterview-Anfänger outen. „Sagen Sie ruhig: ‚Das ist eine ganz neue, spannende Situation für mich‘“, meint Schönbach-Fuleda. „Es zeigt, dass Sie sich als Nachwuchsforscher besonders schnell an neue Anforderungen anpassen können – auch an jene, die die Wirtschaft stellt.“

Ein gängiges Fettnäpfchen: Viele Wissenschaftler haben das Gefühl, sie hätten nur promoviert, aber nicht „richtig“ gearbeitet. Ihre Bewerbung begründen sie daher mit Weiterentwicklung. „Vermeiden Sie den Satz ‚Ich möchte diesen Job, weil ich hier so viel dazulernen kann‘. Dafür werden Sie nicht eingestellt“, sagt Schönbach-Fuleda. Zwar entwickle man sich bei einer neuen Tätigkeit immer weiter, bezahlt werde man aber für das gute Ausführen einer Stelle.

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