Wichtig: Reflektion der eigenen Rolle in der Gesellschaft
Hast du durch deine Erfahrungen eine Art Leitfaden entwickeln können, an dem du dich bei deinen Auftritten als Wissenschaftlerin in den (sozialen) Medien orientierst?
Nein, einen Leitfaden habe ich nicht. Was mich leitet, ist meine Forschung, eine gewisse Neugier und das Interesse, mit anderen in den Austausch zu kommen. In den sozialen Medien besteht mein Netzwerk größtenteils aus Forscher:innen und Expert:innen aus dem Energie- und Nachhaltigkeitsbereich. Ich mag es, Artikelempfehlungen und Einschätzungen anderer zu lesen, was in Academia gut und schlecht läuft, welche neuen Erkenntnisse auf Events diskutiert wurden. So gestalte ich auch meine Inhalte und teile das, was mich als Wissenschaftlerin beschäftigt.
Wichtig ist mir dabei, meine Rolle als (Nachwuchs)wissenschaftlerin in der Gesellschaft offen zu reflektieren. So kann Academia greifbarer und hoffentlich zugänglicher werden. Wenn ich mit der Presse spreche, stehen für mich Fakten im Vordergrund. Mir ist auch wichtig, die anstehende Nachhaltigkeitstransformation trotz der katastrophalen Konsequenzen des Klimawandels als Chance für einen wünschenswerten Wandel darzustellen. Denn das ist sie für mich.
Welche Erfahrungen hast du bei deinem letzten Kontakt mit den Medien gemacht und worum ging es dabei?
Anfang des Jahres hatte ich zum Beispiel eine sehr positive Erfahrung. Einer meiner Co-Autoren und ich wurden vom Wall Street Journal zum Thema Erdgas und Klimaschutz interviewt. Wir haben im Gespräch dargelegt, warum der Ausbau der fossilen Erdgasinfrastruktur ein Hindernis für die Energiewende ist und Erdgas keine sogenannte Brückentechnologie zu einer nachhaltigen und emissionsfreien Zukunft darstellt.
Wir wurden gebeten, eine wissenschaftliche Einschätzung zu den steigenden Investitionen im Erdgassektor zu geben, die in den USA und weltweit auftreten. Mit Bezug auf unseren Fachartikel haben wir dargelegt, dass wir diese Entwicklung kritisch betrachten, da diese Investitionen ökonomisch riskant sind und nicht mit den Klimazielen vereinbar sind.
Wie bekommt man Aufmerksamkeit?
Wie kam es denn dazu, dass du vom Wall Street Journal interviewt wurdest?
Grundlage für dieses Interview waren unser Fachartikel und die engagierte Presseabteilung meiner ehemaligen Universität, der Ruhr-Universität Bochum. Bei hochrangigen Publikationen leistet die Abteilung Unterstützung, indem sie eine Pressemitteilung erstellt und an nationale sowie internationale Verteiler versendet. Diesen wertvollen Tipp gab mir ein befreundeter Professor!
Normalerweise wird dann der sogenannte corresponding Autor angesprochen. So auch in unserem Fall. Im Autorenteam haben wir festgelegt, wer am Interview teilnimmt. Idealerweise erhalten wir vorab Informationen darüber, wie die Inhalte verwendet werden sollen und zu welchem Zeitpunkt ein Artikel geplant ist. Während des Interviews haben mein Kollege und ich ergänzend geantwortet. Besonders geschätzt habe ich die klare Kommunikation des Journalisten über den Ablauf des Interviews und die nächsten Schritte.
Gibt es bestimmte Verhaltensweisen, die du als Wissenschaftskommunikatorin versuchst zu vermeiden? Wenn ja, warum?
Ehrlich gesagt verstehe ich mich gar nicht als Wissenschaftskommunikatorin. Ich bin Wissenschaftlerin und forsche angetrieben von Neugier zu gesellschaftlich relevanten Themen. Dazu gehört es für mich, über Forschung und meine Erkenntnisse zu schreiben und zu sprechen.
Die Unterscheidung ist wichtig, denn sie macht deutlich, dass das Forschen im Fokus steht und Kommunikation dazu gehört. Es ist keine zusätzliche Tätigkeit, für die ich in eine andere Rolle schlüpfe. Das hat viel mit meinem Selbstverständnis als Wissenschaftlerin zu tun. Ich versuche alles zu vermeiden, was nicht der guten Praxis der Wissenschaft entspricht. Mir ist es wichtig, die Kernbotschaft für die Zielgruppe passend zu formulieren, die Annahmen, Grenzen und Implikationen meiner Ergebnisse deutlich zu machen und Unsicherheiten klar zu bekennen. Gerade Letzteres mögen die Medien weniger gerne.