Hochschulmedizin
Hochschulmediziner - "Erforderlich ist überdurchschnittliches Engagement"

Anatomie Gesicht Symbolbild Hochschulmedizin

Hochschulmediziner sollten neben ihrer klinischen Orientierung auch ein hohes Interesse an der Wissenschaft haben © zettberlin / photocase.de

Worauf kommt es an, wenn ein Arzt eine Karriere an einer renommierten Universitätsklinik anstrebt? Der Dekan des Hamburger Universitätsklinikums Eppendorf (UKE), Professor Uwe Koch-Gromus, gibt im Interview mit academics Antworten.

Veröffentlicht: 26.06.2014

Von: Julia Becker

academics: Herr Professor Koch-Gromus, was muss ein Arzt mitbringen, um an einem Universitätsklinikum wie Ihrem Karriere zu machen?

Uwe Koch-Gromus: Wir sind vor allem an Ärzten interessiert, die neben ihrer klinischen Orientierung auch ein hohes Interesse an Wissenschaft haben. An Ärzten, die sagen: "Ich will Arzt und Wissenschaftler werden." Solche Personen sind heute nicht leicht zu finden. Das liegt auch daran, dass Ärzte im Studium nur begrenzt wissenschaftlich ausgebildet werden. Am UKE haben wir deshalb inzwischen eine Reihe von Maßnahmen eingeleitet, die junge Ärzte für Wissenschaft motivieren sollen. Diese werden teilweise im Rahmen des Studiums, zum Teil in der Phase der Weiterbildung realisiert. In der Ausbildung geht es uns darum, die Studierenden zu Empirie orientierten Ärzten zu erziehen. Wir wollen keine Ärzte, die ihr Handeln an Pharmawerbung orientieren, sondern solche, die in der Lage sind, auch kritisch die zu einem Medikament vorliegenden Befunde zu bewerten.

academics: Und welche persönlichen Eigenschaften sind von Vorteil?

Koch-Gromus: Mit dieser Frage habe ich mich als Medizinpsychologe schon oft auseinandergesetzt. Eine Kompetenz ist aus meiner Sicht zentral, nämlich Kommunikationskompetenz. Ein guter Arzt sollte zuhören können und dem Patienten die Sachverhalte einfach und wenig Angst machend erklären können. Zudem glaube ich, dass Ärzte für ihren beruflichen Alltag eine hohe individuelle Belastungsfähigkeit haben müssen, sowohl körperlich als auch psychisch. In manchen Feldern der Medizin wird man als Arzt wirklich permanent mit dem Elend dieser Welt konfrontiert, das verlangt dann eine solche Stabilität. Für die eigene psychische Gesundheit ist es auch gut, wenn man in der Lage ist, Berufliches und Privates weitgehend voneinander zu trennen. Ich glaube im Übrigen, dass der sich "heroisch aufopfernde" Arzt für die Patienten auf Dauer nicht unproblematisch ist.

academics: Was würden Sie sagen: Welche Ärzte sind an Universitätskliniken richtig aufgehoben und welche passen eher an kommunale Krankenhäuser?

Koch-Gromus: Ärzte an einer Universitätsklinik sind nicht nur in der Patientenversorgung tätig, sondern arbeiten auch in Lehre und Forschung. Zudem sind sie mehr mit komplexen Fällen konfrontiert, als Ärzte an Krankenhäusern der Regelversorgung. Deshalb gibt es an Universitätskliniken viele Einheiten, die hochspezialisiert sind und ihre Leistungen nur durch enge Vernetzungen mit anderen Abteilungen erbringen können. Für viele unserer Ärzte hat das Arbeiten an einem Uniklinikum auch etwas mit Prestige zu tun. Anderen Ärzten ist dagegen das Universitätsklinikum mit seiner Hochleistungsmedizin zu spezialisiert und zu wenig auf eine ganzheitliche Behandlung ausgerichtet. Eine junge Ärztin sagte mir kürzlich: "Nein, im UKE würde ich nicht arbeiten wollen. Ich will Klinikerin werden. Ich will mich möglichst den ganzen Tag um die Patienten kümmern." Das kann man hier am UKE auch, aber wir legen schon Wert darauf, dass unsere Ärzte und Ärztinnen bereit sind, sich zusätzlich für Forschung und Lehre zu engagieren.

academics: Welche Titel muss ein Arzt mitbringen, wenn er bei Ihnen am UKE arbeiten möchte?

Koch-Gromus: Wir als wissenschaftliche Einrichtung legen viel Wert darauf, dass neueingestellte Ärzte entweder die Promotion abgeschlossen haben oder promovieren. Wir haben auch ganz klare interne Vereinbarungen: Oberarzt wird man am UKE nur, wenn man wenigstens promoviert hat, besser sollte man auf dem Weg zur Habilitation sein. Das ist auch eine Frage der Außenwirkung: Unsere Besonderheit ist es, dass unsere Ärzte zusätzlich zur medizinischen Kompetenz auch Forschungs- und Lehrkompetenz haben.

academics: Neben der Promotion und einer möglichen Habilitation: Was sollte ein angehender Hochschulmediziner auf seinem Karriereweg noch beherzigen?

Koch-Gromus: Studierende sollten die zahlreichen Zusatzangebote in der Aus- und Weiterbildung nutzen und Engagement zeigen. Als Beispiel hierfür sind unsere Mentoring-Programme für Studierende in den Anfangssemestern zu nennen: Innerhalb dieser bieten wir besonders begabten Studenten die Möglichkeit, einzelne Wissenschaftsfelder kennenzulernen. Eine weitere Möglichkeit bieten die Wahlpflichtfächer innerhalb unseres Reformstudiengangs, in denen sich die Studierenden in sogenannten "Second-Tracks" mit einzelnen medizinischen Forschungsbereichen über mehrere Semester auseinandersetzen können. Unsere Spitzenforscher beobachten diese Tracks sehr genau, weil sie wissen, dass sie hier am ehesten ihren wissenschaftlichen Nachwuchs finden können. Darüber hinaus sind Auslandsaufenthalte in renommierten Forschungseinrichtungen ein wichtiges Mittel der Karriereentwicklung.

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academics: Also muss man, um bei Ihnen am UKE bleiben zu dürfen, schon Interesse zeigen und am Ball bleiben?

Koch-Gromus: Erforderlich ist schon überdurchschnittliches Engagement und Interesse.

academics: Wenn die Karriere an einem Universitätsklinikum so straff organisiert ist: Ist es da überhaupt möglich, als Arzt von einem kommunalen Krankenhaus an ein Universitätsklinikum zu wechseln? Oder umgekehrt?

Koch-Gromus: Erfahrene und klinisch kompetente Universitätsmediziner wechseln häufig an Krankenhäuser der Regelversorgung. Dort bekommen sie nicht selten hervorgehobene Positionen, unter anderem als Chefarzt. Sie profitieren eindeutig vom Prestige einer Universitätsklinik. Der umgekehrte Weg ist sehr viel schwieriger und auch eher selten. Dazu sind die Karrierestufen, die Hochschulmediziner durchlaufen müssen, zu eng getaktet. Mit 35 Jahren sollte man schon langsam auf die Habilitation zubewegen. Wenn ein Arzt oder eine Ärztin nach Abschluss der Facharztausbildung im Alter von 32 Jahren überlegt, an ein Universitätsklinikum zu wechseln, dann erfordert dies ein sehr hohes Engagement, diesen Karriererückstand wieder aufzuholen. Die Entscheidung für eine Karriere an einem kommunalen Krankenhaus ist unter den gegenwärtigen Bedingungen in der Regel ein Weg ohne Umkehr.

academics: Jetzt haben wir sehr viele Vorteile gehört, die es gibt, wenn man an einem Universitätsklinikum arbeitet. Was sind die Nachteile?

Koch-Gromus: Ich glaube, dass die Prozesse in einer so komplexen Institution wie einem Universitätsklinikum für Ärzte im Einzelfall nicht so gut nachvollziehbar sind, wie in kleineren Krankenhäusern. In letzteren können die Ärzte die Patientenpfade besser nachverfolgen. Hier bei uns ist das anders: Wegen der hohen Spezialisierung und der ausgeprägten interdisziplinären Arbeit kann der Patientenpfad schnell Umwege gehen, schnell verzweigen. Das Ganze im Blick zu behalten, das ist manchmal sehr schwierig. Und es gibt auch Einzelne, die sagen: "Nein, so eine Medizin will ich nicht auf Dauer machen, weil mir die Arbeit zu spezialisiert, zu aufgegliedert ist."

academics: Häufig wird auch kritisiert, dass es an Unikliniken zu starke Hierarchien gebe. Was sagen Sie dazu?

Koch-Gromus: Also, ich habe Zweifel, ob dies wirklich zutrifft und ich glaube das auch nicht. Ich glaube, die Hierarchien sind jeweils abhängig vom individuellen Führungsstil. Ich kenne an Universitätskliniken viele Einrichtungen mit eher flachen Hierarchien. Ich kenne aber auch universitäre Kliniken, bei denen Hierarchien stark ausgeprägt sind. Ich denke aber, das finden Sie an anderen Krankenhäusern genauso. Im Übrigen erfordern die Aufgaben in einem Krankenhaus in jedem Falle eine gute Strukturierung der Prozesse und damit auch ein gewisses Maß an Hierarchie. Schließlich haben wir Sorge dafür zu tragen, dass die Behandlungsprozesse im Sinne der Patientengesundheit in jedem Falle funktionieren.

academics: Nun wurde aber schon deutlich, dass Ärzte bei Ihnen oft zielstrebig und ehrgeizig sind. Damit bekommen Posten ja auch eine höhere Bedeutung. Befördert das nicht die Hierarchien?

Koch-Gromus: Dass wir mit den Medizinstudierenden eine überdurchschnittlich leistungsorientierte Teilgruppe der Abiturienten erreichen, ergibt sich schon aus den Kriterien der Zulassung: Um sofort einen Studienplatz in der Medizin zu erreichen, muss man heute einen Abiturdurchschnitt von mindestens 1,3 aufweisen. Aber auch das Studium und das Arbeiten als junger Arzt an einer Universitätsklinik sind geprägt von hohem Leistungsdruck. Wer als Universitätsarzt wissenschaftlich Karriere machen will, kommt mit seiner vertraglich vereinbarten Arbeitszeit nicht aus. Er wird einen substantiellen Teil seiner Abende und Wochenenden dafür aufwenden müssen. Da die Universitätskliniken unter hohem finanziellen Druck stehen, wird sich dies auch in den nächsten Jahren nicht ändern. Ich selbst habe in meinem Leben immer 70 bis 80 Stunden in der Woche gearbeitet, habe dies allerdings auch immer gerne getan. Gleiches gilt für viele meiner Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen. Ein solches berufliches Überengagement birgt mitunter familiäre Risiken. Deshalb entscheidet sich auch ein Teil der Ärzte den Weg der Hochschulmedizin nicht zu gehen.

academics: Sie würden also sagen, dass die Strukturen in einem Universitätsklinikum der Persönlichkeit der Ärzte, die hier arbeiten, entsprechen?

Koch-Gromus: Das könnte in etwa so zutreffen. Auf der einen Seite haben sich die meisten Ärzte und Ärztinnen, auch an unserer Universitätsklinik, bewusst für diese Karriere entschieden. Sie nehmen die Mühen freiwillig auf sich und tun dies zum Teil auch mit großer Freude. Auf der anderen Seite könnte man aber auch kritisch sagen, dass wir die Ärzte für eine gut funktionierende Selbstausbeutung sozialisiert haben. Die Wahrheit liegt vermutlich irgendwo dazwischen.

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