Promotion Medizin
Lohnt sich die Medizin-Promotion?

Wie wichtig ist die Promotion in der Medizin? © Anchiy / unsplash.com

Ein Arzt oder eine Ärztin ohne Doktortitel? Für Patient:innen oft ungewöhnlich, für Wissenschaftsvertreter:innen denkbar. Welchen Stellenwert die Medizin-Promotion für die akademische Welt und angehende Ärzt:innen hat und was es in Sachen Finanzierung und Themenwahl bei der Doktorarbeit zu beachten gilt.

Veröffentlicht: 26.07.2023

Von: Julia Holzapfel & Maike Schade

In den meisten Fachbereichen beginnen Studierende erst nach erfolgreichem Masterabschluss mit der Doktorarbeit. Anders in der Medizin: Der überwiegende Teil der Mediziner:innen startet mit der Promotion bereits während des Studiums oder kurz nach dem Examen. Wer schon als Assistenzarzt oder -ärztin arbeitet, hat aber auch eine Möglichkeit, die Promotion im Rahmen einer bezahlten Doktorandenstelle nachzuholen. 

Diesen Weg, die Doktorarbeit erst nach Studienabschluss zu schreiben, befürwortet der Wissenschaftsrat seit vielen Jahren, weil Promotionen in der Medizin oft als minderwertige Schmalspurarbeiten gelten. Von ihrem Erkenntnisgehalt könnten sie allenfalls mit den Masterarbeiten in naturwissenschaftlichen Fächern mithalten, keinesfalls aber mit den dortigen Doktorarbeiten, so das Beratungsgremium. Im europäischen Vergleich müssen deutsche Mediziner:innen deshalb bei einer Bewerbung um EU-Fördergelder ihre wissenschaftliche Eignung zusätzlich nachweisen, während bei anderen Ländern die Promotion reicht.

Der Wissenschaftsrat hat für ein Berufsdoktorats plädiert, wie es beispielsweise auch in Österreich Praxis ist: Nach bestandenem Examen würde dann der Titel M.D. (Medizinischer Doktor) geführt. Alle, die ein gesteigertes Forschungsinteresse haben, könnten im Anschluss – vergleichbar mit den Promotionen anderer Fächer – ein „richtiges“ Doktorat absolvieren, das sie mit dem international anerkannten Titel PhD und einer qualitativ höherwertigen Forschungsarbeit abschließen. 

Der Medizinische Fakultätentag (MFT) ist gegen diesen Vorschlag, begrüßt aber „die Vorschläge des Wissenschaftsrats zur Verstärkung der Wissenschaftlichkeit im Medizinstudium“, wie es in einem Positionspapier heißt. Er setzt auf den Ausbau von strukturierten Promotionsprogrammen „mit einer mindestens neun Monate dauernden ausschließlichen Tätigkeit für die Forschung“. Laut Auskunft des MFT haben in Deutschland bis Juli 2023 insgesamt 28 medizinische Fakultäten strukturierte Promotionsprogramme eingeführt, bei zwei weiteren ist die Einführung geplant.

Besserung verspricht auch die geplante Änderung der Approbationsordnung, die am 1. Oktober 2027 in Kraft treten könnte. Der Entwurf sieht unter anderem vor, dass künftig während des Studiums verstärkt die Grundlagen für wissenschaftliches Arbeiten vermittelt werden sollen.

Gesellschaftlich hält sich die Ansicht, ein Doktor ohne Titel sei kein richtiger Arzt, hartnäckig. Über die fachliche Eignung im Umgang mit Patienten sagt der Doktortitel aber nichts aus, und er ist für die Niederlassung als Fach- oder Hausarzt auch keine Bedingung. Dennoch gehört er für die meisten Absolventen dazu: Laut Destatis waren 63 Prozent aller Humanmedizinabschlüsse Promotionen – deutlich mehr als bei anderen Fächern, wie der Vergleich zeigt. 

Dabei hat es durchaus Vorteile, auf die Promotion in der Medizin zu verzichten: 

  • Mehr und frühere Praxiserfahrung
  • Zeit- und damit auch Geldersparnis durch eine verkürzte Studiendauer.

Nachteile eines Verzichts auf den Doktortitel: 

  • Kaum eine Chance auf eine leitende Position an Krankenhäusern oder Universitäten
  • Meist geringeres Einstiegsgehalt
  • Schlechtere Berufsaussichten in beliebten Fachrichtungen wie der Inneren oder der Kinder- und Jugendmedizin.

Die Entscheidung, ob eine Promotion im Einzelfall sinnvoll ist oder nicht, sollte sorgsam getroffen werden. Maßgeblich hängt sie davon ab, welche der zahlreichen Berufsperspektiven für Mediziner angestrebt wird. 

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Wie Absolvent:innen aller Fächer die Zeit ihrer Doktorarbeit finanzieren, hängt im Wesentlichen von der Art der Promotion ab. Die meisten Mediziner:innen beginnen schon während des Studiums mit ihrer Dissertation, daher fällt diese Frage unter das allgemeine Thema Studienfinanzierung. Extern Promovierende bewerben sich überdurchschnittlich häufig um Stipendien: Sie haben ihr Studium bereits abgeschlossen und wollen ihre Doktorarbeit nebenberuflich verfassen, ohne an einer Hochschule eingeschrieben zu sein. Dafür suchen sie finanzielle Unterstützung.

Stipendien gibt es aber auch für die immatrikulierten und promovierenden Mediziner:innen: Mehrere Klinikgesellschaften bieten Studierenden höherer Semester Förderungen, die die Doktorarbeit ebenfalls umfassen. Auch medizinische Verbände unterschiedlicher Fachgebiete – von Orthopädie bis Familienmedizin – fördern Studierende und Promovierende in Medizin, die eine Affinität für die jeweilige Spezialisierung zeigen. Viele dieser Programme sind als Einmalzahlungen angelegt.

Daneben vergeben Stiftungen, Verbände und Unternehmen Stipendien: Die Deutsche AIDS-Stiftung beispielsweise fördert Studierende und Promovierende, die sich mit HIV, Aids oder STI auseinandersetzen wollen, mit jährlich bis zu 6.000 Euro; der ADAC unterstützt Dissertationen im Bereich Notfallmedizin. Wer im Rahmen der Promotion für die Pharmaforschung interessante Bereiche bearbeitet, kann sich um finanzielle Unterstützung über Unternehmensstipendien bewerben. Bei den entsprechenden Krankenhäusern, Verbänden und Stiftungen konkret nachzufragen, kann sich finanziell lohnen.

Übrigens: Wer die Promotion erst im Anschluss an das Examen angeht, hat keinen Anspruch auf BAföG mehr. Allerdings können die Ausgaben, die durch die Doktorarbeit entstehen, steuerlich abgesetzt werden.

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Wie bei der Themenwahl für die Doktorarbeit in anderen Studiengängen sollten auch Mediziner:innen ihr Forschungsgebiet mit Bedacht auswählen. Ausgangspunkt für die Themensuche kann die Frage nach der Art der Dissertation sein. Es werden vier Typen unterschieden. 

Diese Art der Dissertation wird im Labor erarbeitet: Es wird zu einem bestimmten Thema geforscht. Häufig ist der Aufwand sehr groß, da langwierige Experimente durchgeführt werden müssen, die auch nicht immer gleich beim ersten Mal gelingen. Hier ist großes Durchhaltevermögen und Freude am Arbeiten im Labor gefragt. Der Zeitaufwand für diese Art der Dissertation ist höher als bei anderen. Er lohnt sich aber insbesondere, wenn Interesse an einer Forschungstätigkeit im späteren Berufsleben besteht.

Hier steht eine klinische Studie und die Auswertung der daraus gewonnenen Daten im Zentrum. Meist werden sie selbst erhoben (prospektive Studie), es können aber auch bereits bestehende analysiert werden (retrospektive Studie). Der Vorteil daran: Man erhält Einblick in das beabsichtigte Fachgebiet und kann bereits jetzt das Fundament für den späteren Schwerpunkt als praktizierende:r Arzt oder Ärztin, auch in leitender Funktion, legen. Auch für eine Karriere in der Forschung und Lehre ist dieser Typ Arbeit geeignet.

Bereits bestehende Arbeiten aus der medizinischen Forschung und verwandten Gebieten wie der Medizininformatik oder -ethik werden in neue Zusammenhänge gebracht. Der Zeitaufwand kann groß sein, wenn eine Einarbeitung in andere Fächer nötig ist. Die theoretische Arbeit ist eine gute Variante, wenn eine medizintheoretische Karriere oder die Tätigkeit als praktizierender Arzt oder Ärztin in der eigenen Praxis oder einem Krankenhaus geplant ist. 

Von Kliniken und Studien erhobene Daten werden statistisch ausgewertet und mit bestehendem Wissen verglichen. Der Zeitaufwand ist in der Regel überschaubar. Diese Art Dissertation eignet sich besonders gut, wenn eine Tätigkeit als praktizierender Arzt oder Ärztin in einer Praxis oder einem Krankenhaus angestrebt wird.

Neben dem angestrebten Berufsweg sollten auch die eigenen Talente und Interessen Themenwahl und Art der Arbeit beeinflussen. Die Ausrichtung der Arbeit geht Hand in Hand mit der Entscheidung für eine betreuende Doktormutter oder einen betreuenden Doktorvater, die oder der Erfahrung im und vor allem Interesse am gewählten Forschungsgebiet haben sollte.

Zahlreiche Themen werden auf den sogenannten Doktorandenbörsen der medizinischen Fakultäten mit den angeschlossenen Universitätskliniken veröffentlicht. Wer dort fündig wird, kann sich direkt für ein Thema bewerben. Häufig handelt es sich dabei um Teilaspekte längerfristiger Forschungsprojekte. Alternativ bieten diese Börsen hilfreiche Anregungen für einen eigenen Forschungsansatz. Beim Umfang machen Fakultäten und Betreuende häufig Vorgaben, über die man sich vor dem Start erkundigen sollte.

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