Berufsfeld Medizinforschung
Arbeiten in der Medizinforschung: Aufgaben, Voraussetzungen und Gehalt

Zahnarztlampe als Symbolbild fuer Medizintechnik

Die Medizinforschung kommt während des Studiums zu kurz. Was muss sich im Medizinstudium ändern? © Funkenschlag / photocase.de

Von der Grundlagenforschung bis zum marktreifen Medizinprodukt: Medizinforschung ist ein weites Feld – mit dem Ziel, innovative, anwendbare Lösungen zur Prävention und Behandlung von Krankheiten und Verletzungen zu finden. Welche Forschungsbereiche gibt es, welche Voraussetzungen sind zu erfüllen und wie sehen die Karriere- und Gehaltsperspektiven aus? Ein Überblick.

Veröffentlicht: 20.10.2021

Von: Maike Schade

Der Begriff Medizinforschung beschreibt ein sehr weites Forschungsfeld, das in viele Bereiche hinein Schnittmengen aufweist und deshalb schwer abzugrenzen ist. Im engeren Sinne meint er die präklinische und klinische Forschung in der Hochschulmedizin, auch experimentelle Medizin genannt – von der Grundlagenforschung bis hin zur Marktreife beziehungsweise Einsetzbarkeit von neuen oder auch verbesserten Medikamenten, Impfstoffen oder Therapien. Kurz gesagt: Ziel der medizinischen Forschung in diesem Sinne ist ein besseres Verständnis des menschlichen Körpers und die Entwicklung geeigneter Lösungen für die Prävention, Diagnostik und Behandlung von Krankheiten und Verletzungen.  

Im weiteren Sinne wird auch der medizintechnische Bereich zur Medizinforschung gezählt. Neue Mikroskoptechniken, fühlende Prothesen, Chirurgie-Roboter oder die Einbindung künstlicher Intelligenz in diagnostische Geräte – gerade die Grundlagenforschung in diesem Bereich ist stark interdisziplinär und findet teilweise im Bereich Physik, Chemie, Ingenieurwissenschaften oder Informatik statt. In diesem Artikel wird vorwiegend der Bereich der medizinischen Forschung im engeren Sinne beleuchtet. 

In Deutschland wird die medizinische Forschung in Grundlagenforschung, Translationsforschung und angewandte oder anwendungsorientierte Forschung unterschieden. Die einzelnen Forschungsbereiche sind allerdings nicht immer eindeutig voneinander abgrenzbar, sondern greifen ineinander und sind komplementär zu verstehen. 

Die Grundlagenforschung dient ausschließlich dem Erkenntnisgewinn. Die praktische Anwendbarkeit oder ökonomische Nutzbarkeit der gewonnenen Erkenntnisse stehen bei der Auswahl der Forschungsprojekte dabei nicht im Vordergrund. 

Medizinische oder auch biomedizinische Grundlagenforschung findet an Universitäten und außeruniversitären Forschungseinrichtungen wie den Max-Planck- oder Fraunhofer-Instituten statt. Sie untersucht medizinische oder biologische Prinzipien und Zusammenhänge und schafft so die Basis für die anwendungsorientierte Forschung, an deren Ende konkrete, vermarktbare beziehungsweise einsetzbare Medizinprodukte oder Therapien stehen. 

Die Translationsforschung soll eine Brücke zwischen Grundlagenforschung und angewandter oder anwendungsorientierter Forschung bilden. Denn: Letztere feilt im Prinzip nur noch an vermarktbaren Prototypen – diese müssen in dem Pool der Grundlagenforschungserkenntnisse aber zunächst identifiziert und entsprechend weiterentwickelt werden. Während innovative Erkenntnisse früher so (zu) häufig ungenutzt blieben, da ihre Weiterentwicklung nicht absehbar rentabel war, setzt hier nun vermehrt die Translationsforschung an. Sie entwickelt Erkenntnisse der Grundlagenforschung weiter, führt präklinische Prüfungen durch und spielt die Erkenntnisse daraus gegebenenfalls zurück an die Grundlagenforschenden – oder weiter in die angewandte Forschung. 

Die präklinische Forschung für Arzneimittel oder Impfstoffe findet im Labor statt. Hier werden beispielsweise Substanzen an Zellkulturen oder auch in Tierversuchen getestet und versucht, Rückschlüsse auf ihre Wirkung bei Menschen zu ziehen. Das daraus entstehende Produkt („Leitstruktur“) ist ein genau untersuchter Vertreter einer chemischen Substanzklasse in der Frühphase der Wirkstoffforschung, der das Potenzial zur weiteren Arzneimittelentwicklung besitzt. 

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Ist eine Erkenntnis aus der Grundlagenforschung so weit gediehen, dass am Ende ein vermarktbares Produkt wahrscheinlich erscheint, setzt die angewandte oder anwendungsorientierte Forschung an. Sie wird von außeruniversitären Forschungseinrichtungen, den Hochschulen sowie der Industrie – Pharmaunternehmen, Biotech-Startups oder medizintechnologischen Unternehmen – durchgeführt. 

Beispiel Arzneimittelentwicklung: Ist ein neues Medikament wirklich wirksam und verträglich? Diese Frage wird in der anwendungsorientierten Phase mittels klinischer Forschung untersucht – und zwar direkt am Patient oder der Patientin oder gegebenenfalls, beispielsweise bei Impfstoffen, auch an gesunden Probanden. Diese klinischen Prüfungen unterliegen zahlreichen strengen Regularien durch nationale und auch internationale Vorschriften; deren Einhaltung wird engmaschig und fortlaufend von Behörden, Ethikkommissionen und manchmal auch speziell eingesetzten Komitees überwacht.

Die meisten klinischen Studien werden laut dem Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) von forschenden Pharmaunternehmen durchgeführt, die neue oder verbesserte Arzneimittel auf den Markt bringen wollen. Wie der Verband forschender Pharmaunternehmen vfa feststellte, ist die Zahl klinischer Studien in Deutschland jedoch rückläufig – 2019 lag die Bundesrepublik weltweit nur noch an fünfter Stelle. 

Klinische Studien werden (im Falle von Medikamenten und Impfstoffen) in der Regel von Pharmaunternehmen an Unikliniken durchgeführt. Sie müssen grundsätzlich drei Phasen durchlaufen, die insgesamt meist zehn bis 15 Jahre in Anspruch nehmen: 

  • Phase 1 wird an gesunden Probanden und Probandinnen durchgeführt. Wie wirkt das Medikament im Körper, wie wird es abgebaut, welche Nebenwirkungen gibt es?
  • Phase 2 untersucht die Wirksamkeit und Verträglichkeit des Arzneimittels an Patienten oder gesunden Probanden (zum Beispiel bei Impfstoffen). Zudem wird die optimale Dosierung ermittelt. 
  • Phase 3: Nun wird das neue Medikament an mehreren tausend Probanden getestet. Zielsetzung ist es hier vor allem, etwaige Nebenwirkungen zu validieren: Wie häufig treten sie auf, sind spezielle Bevölkerungsgruppen besonders betroffen, gibt es seltene, schwere Nebenwirkungen, die in Phase 2 aufgrund der geringeren Datenmenge nicht erkannt wurden? Ist die Wirksamkeit wirklich gegeben und signifikant zu beobachten? Nach erfolgreichem Abschluss der dritten Phase kann die Zulassung des Medikaments beantragt werden.  

In besonderen Fällen – wie beispielsweise im Falle der Entwicklung eines Impfstoffs gegen Covid-19 – können die Phasen auch parallel verlaufen, sodass die Marktreife in einer deutlich geringerer Zeitspanne erreicht wird. Ist das Medikament oder der Impfstoff zugelassen, folgt häufig eine vierte Phase: die Nachbeobachtung. Hier wird etwa untersucht, wie das Arzneimittel bei medizinischen Sonderfällen oder im Vergleich zu anderen Produkten wirkt.

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Ob an der Universität oder der außeruniversitären Forschungseinrichtung: Eine Promotion ist für die akademische Karriere unabdingbar. Auch in der freien Wirtschaft, also beispielsweise bei Pharmaunternehmen oder Biotechfirmen, ist ein Doktortitel in der Regel Voraussetzung oder zumindest von Vorteil für eine Anstellung. Der Fachbereich ist dabei abhängig vom Forschungsgebiet. 

In der Grundlagenforschung und präklinischen Phase sind beispielsweise Molekularbiologen, Genetikerinnen, Biochemiker, Immunologinnen, Neurowissenschaftler, Psychologinnen und selbstverständlich Mediziner forschend tätig – vom wissenschaftlichen Mitarbeiter über Postdocs bis hin zum Professor. 

In der klinischen Phase, in der die neuartigen Substanzen am Menschen erprobt werden, sind zum einen forschende Ärzte und Ärztinnen der jeweiligen Uniklinik beteiligt. Auch auf Seiten der Pharmaunternehmen gibt es Humanmediziner, die die Studien koordinieren und betreuen. Zum anderen sind viele (meist promovierte) Naturwissenschaftlerinnen und Naturwissenschaftler wie Biologen oder Chemiker an der Durchführung und Auswertung der klinischen Prüfungen beteiligt. Ist die Marktreife absehbar, kommen auch sogenannte Medical Manager oder Medical Science Liaison Manager ins Spiel, die unter anderem Ärzte, Kliniken und auch Zulassungskommissionen über die Studienergebnisse und die Wirkung des Arzneimittels informieren und so die Vermarktung vorbereiten oder schließlich betreuen. Auch sie haben in der Regel einen naturwissenschaftlichen Background. 

Voraussetzung für das Arbeiten in der medizinischen Forschung ist aber nicht nur die fachliche Expertise; die Freude am Forschen und Entwickeln ist unabdingbar. Zudem ist die Fähigkeit zum strukturierten, zielgerichteten Arbeiten – auch innerhalb strenger Kosten- und Zeitpläne – in einem Team Voraussetzung. Genau wie hervorragende Englischkenntnisse: Forschungsteams sind häufig international besetzt, und auch die Fachpublikationen werden in der Regel in englischer Sprache verfasst. 

Die Aufgaben in der medizinischen Forschung sind ebenso vielfältig wie der Forschungsbereich selbst. Konkrete Angaben sind deshalb nicht möglich. Das Spektrum reicht von der Bedarfsanalyse und der Entwicklung von Lösungsansätzen über die Laborarbeit in all ihren Facetten bis hin zur Planung, Durchführung, Analyse und Auswertung klinischer Tests. Die Aufgaben hängen sowohl vom Fachgebiet als auch der Position ab.  

Neben der eigentlichen Forschungsarbeit können je nach Position aber auch die Finanzierung (beispielsweise die Akquise von Drittmitteln), die Erstellung und Verantwortung für die Einhaltung eines Zeitplans, Literaturrecherche, die Publikation der Forschungsergebnisse oder die Teilnahme an Kongressen zu den Aufgaben gehören. Gleiches gilt auch für den Austausch etwa mit der Projektleitung und Führungsetage, anderen Forschungseinrichtungen oder kontrollierenden Gremien.

Nicht zuletzt aufgrund des demografischen Wandels gehört die medizinische Forschung zu den prosperierendsten und auch innovativsten Forschungsgebieten. Eine bezahlbare Gesundheitsversorgung und die Erhaltung beziehungsweise Verbesserung des Gesundheitszustandes der Bevölkerung ist eine der großen, essenziellen Aufgaben für die Zukunft. Ob in der Medikamentenforschung, der Diagnostik und Therapie oder in der Medizintechnologie: Wissbegierige, kreative, qualifizierte Köpfe sind begehrt. 

Vor allem im Bereich der Hochschulmedizin fehlt es an Nachwuchskräften, da sich nur vergleichsweise wenige Medizinstudentinnen und Medizinstudenten für eine wissenschaftliche Karriere entscheiden – der Spagat zwischen Forschung und Patientenversorgung an Unikliniken ist sehr arbeitsintensiv. Hinzu kommt, dass intensiv forschende Ärzte und Ärztinnen nach dem jeweiligen Tarifvertrag der Länder (TV-L, in Hessen TV-H) bezahlt werden – und somit nach Angaben des Marburger Bundes je nach Bundesland bis zu 2.000 Euro weniger brutto pro Monat erhalten als ihre Kollegen, die sich vornehmlich um Patienten kümmern. Deren Verdienst ist im Tarifvertrag für Ärztinnen und Ärzte an den Universitätskliniken geregelt. 

Wie die forschenden Mediziner werden auch ihre Hochschulkollegen in anderen Fachbereichen wie Physik, Chemie, Biologie, der IT oder den Ingenieurswissenschaften, die in der medizinischen Forschung tätig sind, nach den jeweiligen Landestarifverträgen bezahlt. Je nach Aufgabenfeld und Zuständigkeiten werden die Wissenschaftler den Entgeltgruppen E 13, E 14 und E 15 zugeordnet. Sie verdienen abhängig von Position und Berufserfahrung zwischen etwa 49.000 und 82.000 Euro (TV-L Stand 2021). Das Gehalt von verbeamteten Professoren richtet sich nach der W-Besoldung und kann bis zu 96.000 Euro brutto pro Jahr betragen (Grundgehalt). Wissenschaftler, die an außeruniversitären Instituten wie einem der Max-Planck-Institute forschen, werden nach dem Tarifvertrag des öffentlichen Dienstes (TVöD) in vergleichbarer Höhe entlohnt. 

Forschende, die in der privaten Wirtschaft tätig sind – etwa bei Pharmaunternehmen oder Firmen und Start-ups im medizintechnologischen Bereich – können ihre Gehälter frei verhandeln. In der Regel liegen diese höher als im öffentlichen Dienst. Ausführliche Informationen zu den Gehältern in der Forschung finden Sie in im academics-Ratgeber „Gehalt in Forschung & Entwicklung”.

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