Habilitation Medizin
Habilitation in der Medizin: Lohnt sich der Aufwand?

Heilkraeuter Symbolbild Habilitation Medizin

An Universitätskliniken ist die Habilitation Voraussetzung für den Chefarztposten © VICUSCHKA / photocase.de

Während die meisten Mediziner und Medizinerinnen promovieren, schrecken viele vor einer Habilitation zurück. Ein Überblick über Stellenwert und Voraussetzungen.

Veröffentlicht: 23.01.2022

Von: Florian Heil / Julia Holzapfel

Besonders begabte Nachwuchsmediziner und -medizinerinnen haben die Möglichkeit, sich im Zuge der Habilitation für eine Professur zu qualifizieren und zu diesem Zweck selbstständig Aufgaben in Forschung und Lehre wahrzunehmen. An Universitätskliniken ist die Professur Voraussetzung für den Chefarztposten, mit dem Forschungs- und Lehraufgaben einhergehen. Die Habilitation ist dafür der gängigste Weg. Auch wer in anderer Funktion an einer Hochschule eigenständig Doktoranden und Doktorandinnen betreuen möchte, benötigt die Habilitation. Insgesamt ist der Stellenwert dieser höchstrangigen Hochschulprüfung unter Medizinerinnen vergleichsweise hoch, da sie generell als ein wichtiger Baustein für die Karriere an Kliniken gilt.

Laut Michael Gekle, Professor für Physiologie und Dekan der Medizinischen Fakultät der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg sowie Mitglied im Präsidium des Medizinischen Fakultätentages, hat die akademische Karriere nach und nach jedoch deutlich an Attraktivität verloren. Aufgrund der arbeitnehmerfreundlichen Arbeitsmarktsituation reiche vielen Nachwuchsmedizinern die Promotion und die Facharztweiterbildung für einen weiteren Karriereweg bis hin zum Oberarzt oder zur Oberärztin in einem Krankenhaus oder als niedergelassener Arzt oder Ärztin aus.

Für eine Karriere an einer außeruniversitären Klinik könne der Titel „außerplanmäßiger Professor“ oder „außerplanmäßige Professorin“ nach der Habilitation hingegen vorteilhaft sein, da sich solche Institutionen gerne mit den akademischen Graden ihrer Mediziner schmücken. Zudem helfe die Habilitation, um eigenständig in der medizinischen Forschung arbeiten und Doktoranden und Doktorandinnen betreuen zu können.

Insgesamt 847 Habilitationen wurden im Jahr 2020 laut dem Statistischen Bundesamt in der Fächergruppe Humanmedizin/Gesundheitswissenschaften abgeschlossen, ein Anstieg von sechs Prozent gegenüber dem Vorjahr. Das sind 55 Prozent aller Habilitationen in diesem Jahr. In keiner anderen Fächergruppe ist die höchstrangige Hochschulprüfung so beliebt. 

Der Frauenanteil der Habilitanden lag in der Medizin 2020 bei 32 Prozent – und damit drei Prozentpunkte unter dem Anteil der Frauen über alle Fächergruppen hinweg. Frauen habilitieren deutlich häufiger in konservativ als in operativ tätigen Fachgebieten. Im Fachgebiet der Neurologie waren es rund doppelt so viele wie im Gebiet der Chirurgie. Immerhin steigt der Frauenanteil in der Professorenschaft auf lange Sicht an: 2010 waren gerade einmal ein Viertel aller Akademiker, die ein Habilitationsverfahren erfolgreich durchlaufen haben, weiblich.

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Ein kurzer Überblick über die relevanten akademischen Grade in der Medizin. In Nuancen divergieren diese durch die unterschiedlichen Landeshochschulgesetze. Ein Überblick über die wesentlichen akademischen Titel:

  • Dr. med.: Doktor der Medizin bezeichnet einen promovierten Mediziner.
  • Dr. med. habil.: Mit einer Habilitation (habil.) haben Medizinerinnen ihre Lehrbefähigung nachgewiesen und können sich nun um eine Professur an einer Hochschule bewerben.
  • Privatdozent (PD oder Priv.-Doz.): In einigen Bundesländer wird dieser Titel, der zur Lehre an einer Universität berechtigt, automatisch mit dem Dr. med. habil verliehen. In anderen Ländern muss der „Privatdozent“ unter Nachweis bestimmter Lehrleistungen separat beantragt werden.
  • Prof. Dr. med.: Der Mediziner wurde von der Berufungskommission einer Hochschule auf Grundlage der Ausschreibung einer Professur zum Professor ernannt. Der Privatdozent fällt dann als Titel weg.

Der Erwerb des Titels Dr. med. habil. wird in den Habilitationsordnungen der jeweiligen Fakultäten der Hochschulen geregelt. Diese müssen sich zwar an gewisse Rahmenbedingungen des Hochschulgesetzes halten, innerhalb dieses Rahmens können die Voraussetzungen für den Titel allerdings abweichen. In der Regel werden in diesen Ordnungen messbare Forschungsleistungen gefordert, also in erster Linie Publikationen in angesehenen Fachjournalen. Die Anzahl variiert laut Prof. Dr. Gekle zwischen den Standorten, in der Regel liegt die Anforderung zwischen sieben und zwölf Publikationen. 

Zudem müssen die Habilitanden Lehrleistungen nachweisen, also eine bestimmte Anzahl an Semesterwochenstunden über einen gewissen Zeitraum. Meist werden zusätzlich didaktische Fortbildungen erwartet. In klinischen Fächern ist darüber hinaus zumeist eine Facharztweiterbildung obligatorisch. Und nicht zuletzt ist eine Habilitation nur möglich, wenn die Kandidatin zuvor promoviert hat. Gewünscht sind zudem erfolgreiche Drittmittelakquisen, diese sind in den Habilitationsordnungen aber nicht als zwingende Voraussetzung für den Titel festgelegt.

Der akademische Nachwuchs würde mehrheitlich eine bundeseinheitliche Regelung bevorzugen, ergab eine Umfrage einer Essener Forschergruppe aus dem Jahr 2016. Bei den Reformwünschen hinsichtlich der Habilitation landete dieser Punkt mit 58 Prozent auf Platz eins. Ebenso wurden in dieser Untersuchung die Beweggründe für eine Habilitation abgefragt. Die Ergebnisse finden sich in der folgenden Tabelle wieder.

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Beweggründe, eine Habilitation in der Medizin durchzuführen

Motivation Nennung in % (n)

Freude an der Forschung

82,3 (517)

Bessere berufliche Zukunftschance

70,5 (443)

Freude an der Lehre

48,4 (304)

Anerkennung

32,8 (206)

Anstoß durch den Vorgesetzten bzw. Chef

19,3 (121)

Vorbildfunktion

14,2 (89)

Kollegen

8,0 (50)

Höhere finanzielle Entlohnung

7,8 (49)

Freunde/Familie

6,5 (41)

Andere Motivationen

3,9 (25)

Die Habilitationsschrift kann entweder in Form einer Monografie oder einer kumulativen Habilitation verfasst werden. Nach der Promotion vergehen in der Regel sechs Jahre oder mehr, bis die Schrift fertiggestellt ist. Im Wissenschaftszeitvertragsgesetz sind für Mediziner maximal neun Jahre nach der Promotion vorgesehen, um die Habilitationsschrift zu vollenden.

In der Medizin erfolgt die Qualitätskontrolle in der Forschung durch sogenannte Peer-Reviewed-Publikationen, die in PubMed gelistet sind. Wer habilitieren möchte, kommt um eine gewisse Anzahl solcher Veröffentlichungen als hauptverantwortlicher oder letztgenannter Autor nicht herum. Für eine kumulative Habilitation werden mehrere solcher Publikationen zu einem Themenschwerpunkt gebündelt und von einer Einleitung sowie einer Diskussion ergänzt, die jeweils etwa zwischen zehn und 30 Seiten betragen sollte.

Laut Prof. Dr. Gekle ist eine reine Monografie, die nicht durch begutachtete Publikationen gestützt wird, in der Medizin irrelevant. Insofern kommt diese zeitintensive Variante, bei der die bisherigen Forschungserkenntnisse in einer rund 300 bis 800 Seiten langen Schrift zusammengefasst werden, auch immer seltener vor. Gekle schätzt den Anteil auf unter zehn Prozent.

Nach der Fertigstellung der Habilitationsschrift werden alle erforderlichen Unterlagen, die in der Habilitationsordnung aufgeführt sind, bei der entsprechenden Fakultät eingereicht, um zur Habilitation zugelassen zu werden. Die Habilitationskommission sichtet und überprüft die Unterlagen auf formale Korrektheit und holt Gutachten ein. Danach muss sich die Kandidatin in der Regel noch zwei weiteren Präsenz-Prüfungen stellen. Dazu gehören: 

  • ein wissenschaftlicher Kurzvortrag vor der Fakultät, in dem die Forschungsergebnisse präsentiert und zur Diskussion gestellt werden sowie
  • eine Lehrprobe als Dozent bei einer Vorlesung oder einem Seminar, die von Mitgliedern des Habilitationsausschusses bewertet wird.

Abschließend stimmt der Fakultätsrat darüber ab, ob das Habilitationsverfahren erfolgreich abgeschlossen werden kann. Der gesamte Prozess zwischen dem Einreichen der Unterlagen und der Habilitation kann gut und gerne noch einmal zwischen sechs und neun Monaten in Anspruch nehmen.

Nach der Habilitation und der damit verbundenen Lehrbefähigung sowie Lehrberechtigung können Medizinerinnen zunächst den Titel des Privatdozenten anstreben, sofern dieser nicht automatisch vergeben wird. Die zweite Möglichkeit ist die Bewerbung auf eine ordentliche Professur. In der Medizin wird zudem vergleichsweise oft der Titel des „außerplanmäßigen Professors“ angestrebt. Damit bleiben Habilitierte korporationsrechtlich Mitarbeitende im universitären Mittelbau ohne eigene Ressourcen an der Hochschule, da sie keine Professoren-Planstellen besetzen.

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