Postdoc in der Wissenschaft
Die Professur ist die Krönung einer universitären Karriere. Wer diese Erfolgsstufe erreicht hat, genießt die größtmögliche Selbstständigkeit in Lehre und Forschung. Hinzu kommt meist ein unbefristeter Beamtenstatus mit gutem Gehalt. Ein W3-Professor, der beim Bund angestellt ist, hat im Jahr 2021 monatlich mindestens 6.883,50 Euro brutto verdient. Doch der Weg zur Professur ist lang: So sind Wissenschaftler im Schnitt 41 Jahre alt, wenn sie zum ersten Mal zum Professor oder zur Professorin berufen werden. Die Chancen auf einen Lehrstuhl sind aber nur gering.
Wer Hochschullehrer oder Hochschullehrerin werden will, muss sich zunächst die Frage stellen, an welcher Institution: an einer Fachhochschule oder Universität? Ein späterer Wechsel ist nicht so einfach und durchaus die Ausnahme – denn für die Arbeit an einer Fachhochschule ist vor allem praktische Berufserfahrung gefragt, an einer Universität liegt der Fokus indes auf Theorie und Forschung.
Ziel FH-Professur – Zwischen Theorie und Praxis
Das zeigt sich auch an den jeweiligen Einstellungsvoraussetzungen: Für die Berufung zum Professor an einer Fachhochschule sind weder Habilitation noch ein spezielles Postdoc-Programm nötig. Hier zählen vielmehr praktische Erfahrungen. Der Bewerber muss in der Regel mindestens fünf Jahre Berufserfahrung nachweisen, drei davon außerhalb der Hochschule – wer dieses Ziel anstrebt, sollte sich also (spätestens) nach der Promotion einen Job in der freien Wirtschaft suchen. Eine gute Alternative ist eine Industriepromotion, bei der berufliche Praxis und Forschung vereint werden.
Eine weitere wichtige Voraussetzung ist die pädagogische Eignung, denn FH-Professorinnen forschen deutlich weniger als die Kolleginnen an Universitäten. Dadurch nimmt die Lehre an Fachhochschulen einen deutlich höheren Stellenwert ein. Für eine erfolgreiche Bewerbung an einer Fachhochschule ist es also von Vorteil, bereits als Dozentin an einer Hochschule gearbeitet zu haben. Die Chancen auf eine Anstellung sind generell gut, denn FH-Professoren werden vielerorts händeringend gesucht.
Ziel Universitätsprofessur – Schwerpunkt in Theorie und Forschung
Wer seinen Schwerpunkt nicht in der praktischen Arbeit, sondern in Forschung und Theorie sieht, ist an einer Universität besser aufgehoben. Der Weg zu einer Professur ist aber kein leichter. Oft gleicht er einer Ochsentour, geprägt von befristeten Anstellungen sowie harten Kämpfen um Publikationen und Forschungsgelder. Die Stellen sind rar, nur die Ehrgeizigsten kommen ans Ziel. Zunächst gilt es aber, die Voraussetzungen für eine Universitätsprofessur grundsätzlich zu erfüllen – dafür stehen in der Regel folgende Möglichkeiten zur Auswahl:
Die Habilitation
Der klassische und wohl am häufigsten gewählte Weg zur Universitätsprofessur ist die Habilitation. Nachwuchswissenschaftler arbeiten dabei sechs Jahre als Wissenschaftliche Mitarbeiter oder Akademische Räte an Forschungsprojekten mit – befristet, verbeamtet oder angestellt – und verfassen eine Habilitationsschrift. Auch die forschende Industrie bietet Postdoc-Stellen, über die eine Habilitation erreichbar ist – falls die Möglichkeit der Publikation der dort erlangten Forschungsergebnisse besteht.
Die Juniorprofessur
Neben der Habilitation hat sich seit 2002 die Juniorprofessur auf dem Weg zur „richtigen“ Professur bewährt. Juniorprofessoren und -professorinnen können für die Dauer von bis zu sechs Jahren unabhängig forschen und sind berechtigt, Prüfungen abzunehmen. Eine erfolgreich abgeschlossene Juniorprofessur ist eine wichtige (aber nicht zwingende) Voraussetzung für die Berufung auf eine Professur. Eine Habilitationsschrift ist damit nicht mehr notwendig. Somit haben sie mehr Zeit für Publikationen und das Einwerben von Drittmitteln. Hiermit können sich die Juniorprofessoren zugleich schon früh auf dem Wissenschaftsmarkt positionieren.
Seit der Novellierung des Hochschulrahmengesetzes 2002 bildet der Tenure Track einen möglichen Zusatz bei der Ausschreibung einer Juniorprofessur. Sie beinhaltet die generelle Zusage, nach erfolgreich absolvierter, befristeter Bewährungszeit eine Professur auf Lebenszeit zu erhalten, ganz ohne weitere Ausschreibung oder Berufungsverfahren.
Das Postdoc-Stipendium
Inzwischen wird immer häufiger auch die aus dem US-Amerikanischen entlehnte „Postdoc“-Phase als Karriereschritt zwischen Promotion und Professur anerkannt. Stipendien und Programme helfen in dieser Zeit, den Weg zur selbstständigen Wissenschaftlerin zu bewältigen.
Eines der renommiertesten Postdoc-Stipendien ist das Emmy Noether-Programm der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG). Das Programm legt einen deutlichen Schwerpunkt auf die Nachwuchsgruppenleitung. Die Stipendiaten können sich „ihre“ Universität frei wählen und erhalten Forschungsmittel für ihr Projekt gestellt.
Deutsche und ausländische Wissenschaftler sind in der Bewerbung gleichberechtigt. Voraussetzung ist jedoch, dass die Bewerberinnen ihre wissenschaftliche Karriere in Deutschland fortsetzen. Wird schließlich ein passender Lehrstuhl frei, stellt die Fakultät eine Kommission zusammen, die sechs bis acht Bewerber zum Vorstellungsgespräch und zu einer Probevorlesung einlädt. Die Berufungskommissionen achten vor allem darauf, dass Bewerber hervorragende Forschungsleistungen in ihrem Spezialgebiet aufweisen. In den Ingenieur- sowie in den Erziehungswissenschaften, im Bereich der Kunst und an Fachhochschulen zählen vor allem Berufserfahrungen außerhalb der Hochschule.
Nach der Promotion in die Wirtschaft
Die Alternative zur wissenschaftlichen Karriere an Hochschule oder Universität ist eine Laufbahn in der freien Wirtschaft. Denn auch in der Industrie finden junge Wissenschaftlerinnen viele Möglichkeiten, ihre Qualifikation entsprechend einzusetzen.
Gute Chancen auf dem Arbeitsmarkt
Promovierte haben auf dem Arbeitsmarkt hervorragende Aussichten. Nach Angaben des „Bundesberichts Wissenschaftlicher Nachwuchs 2021“ liegt die Arbeitslosenquote bei Promovierten nahezu kontinuierlich unter zwei Prozent – nahezu Vollbeschäftigung. Ein Jahr nach der Promotion arbeiten rund 80 Prozent der Promovierten in Vollzeit. Jedoch bestehen Unterschiede zwischen den Fachbereichen: Eine Promotion in Ingenieurwissenschaften, in der Medizin oder in naturwissenschaftlichen Fächern geht mit besseren Jobaussichten einher als beispielsweise eine Promotion in den Sprach- und Kulturwissenschaften.
Ein weiterer Lichtblick: Promovierte haben im Durchschnitt höhere Einkommen als Nichtpromovierte, der Unterschied des Bruttoeinkommens bei Vollzeittätigkeit fünf Jahre nach Abschluss liegt bei etwa 10.000 Euro im Jahr. Zudem nehmen Promovierte mit einer höheren Wahrscheinlichkeit Führungspositionen ein und sind eher adäquat beschäftigt als Beschäftigte ohne Doktortitel.
Mehr Wissenschaft als gedacht
„Ich war am Anfang überrascht, wie viel ‚echte‘ Wissenschaft hier betrieben wird“, sagt Dr. Peter Kupser, der beim Pharmakonzern Roche in der systemtechnologischen Forschung als Postdoc tätig ist. Sein Team ist interdisziplinär zusammengesetzt. Neben Physikern forschen hier Chemikerinnen, Biologen, Laborantinnen und Ingenieure aus unterschiedlichen Fachrichtungen. Bei einigen Projekten kooperiert das Unternehmen zudem mit der Universität Freiburg. Dennoch gibt es grundlegende Unterschiede zwischen Stellen in der Privatwirtschaft und denen an Universitäten und Fachhochschulen.
Das fängt schon bei der Bewerbung an. Während für Universitäten vor allem die akademische Laufbahn, die Publikationen und die fachliche Spezialisierung eines Kandidaten im Vordergrund stehen, ist dies in der freien Wirtschaft häufig eher nachrangig. Hier sind praktische Erfahrungen gefragt; gerade große Unternehmen bieten aber entsprechende Trainee-Programme an, auch Tests in Assessment Centern sind üblich. Der Bewerber sollte im Anschreiben bisherige Praxiserfahrungen aufführen und genau erläutern, wie er sich im Unternehmen einbringen könnte und welchen Nutzen das jeweilige Unternehmen durch die Einstellung hätte. Mehr hierzu im Bewerbungs-Ratgeber für Akademiker.
Steiniger Weg zurück an die Uni
„Meine Arbeit und meine Erkenntnisse werden nicht in Publikationen oder Artikeln in high-ranked Journals dokumentiert, sondern fließen in die Produkte“, erklärt Dr. Kupser. Ein Umstand, der einen Wechsel zurück an die Universität entsprechend erschweren kann. Darüber hinaus ist der Aufbau eines wissenschaftlichen Netzwerks meist nicht so einfach wie an einer Hochschule.
Wer herausragende Leistungen nachweisen kann, die als „habilitationsadäquat“ gelten, kann allerdings als Honorarprofessor oder Honorarprofessorin auf einen Lehrstuhl berufen werden. Gute Chancen haben oft Ingenieure und Ingenieurinnen, die in der Industrie bereits hohe Posten bekleidet haben, oder Künstler, die mit ihrer kreativen Leistung überzeugen. In den Naturwissenschaften kommen in der Regel Kandidatinnen infrage, die sich in den öffentlichen Forschungsinstituten einen Namen gemacht haben. Auch Wissenschaftler aus dem Ausland oder deutsche Forscherinnen, die nach der Promotion im Ausland tätig waren, können sich ihre dort erbrachten Leistungen in Forschung und Lehre anerkennen lassen.
Doch die Karriere in der Wissenschaft ist nicht der einzige befriedigende Weg; viele Promovierte finden Erfüllung in ihrer Arbeit in der freien Wirtschaft: „Von den Arbeitsbedingungen und Herausforderungen als Wissenschaftler her muss ich wirklich sagen, dass ich in der Industrie keine Abstriche machen muss“, so Dr. Kupser.