Als Deutscher in der Schweiz arbeiten
Arbeiten in der Schweiz: Attraktives Umfeld für deutsche Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen

Ein junge Frau in Lausanne (Schweiz) auf dem Weg zur Arbeit

Die Schweiz ist nicht nur ein begehrtes Reiseziel, sondern auch beruflich attraktiv. © Anna Nahabed / iStock

Viele Deutsche arbeiten in der Schweiz, auch bei Wissenschaftler:innen ist der Standort begehrt. Ein Überblick über die Forschungs- und Hochschullandschaft, Voraussetzungen, Arbeitsbedingungen, Gehälter und vor allem: die Vorteile eines Jobs in der Schweiz.

Veröffentlicht: 18.09.2023

Von: Florian Heil

Ende 2021 lebten in der Schweiz rund 311.300 deutsche Staatsangehörige. Ein Großteil dieser Personen im erwerbsfähigen Alter übt dort eine berufliche Tätigkeit aus. Zusätzlich haben sich Tausende gebürtige Deutsche in der Schweiz einbürgern lassen und mehr als 60.000 Menschen aus Deutschland pendeln als Grenzgänger:innen zum Arbeiten ins Nachbarland. Dieser hohe Zulauf hat seine Gründe: Unternehmen sowie der öffentliche Dienst zahlen in der Regel höhere Löhne als in Deutschland, die Wirtschaft gilt als stabil, die Jobangebote sind in vielen Branchen zahlreich.

Auch deutsche Wissenschaftler:innen zieht es an Schweizer Hochschulen, zu Forschungsinstituten oder in die Industrie. Dr. Jennifer Sparr kennt beide Seiten: Sie arbeitet sowohl als Leiterin des Academic Staff Development an der Universität Konstanz als auch als Postdoc und Senior Lecturer am Center for Leadership in the Future of Work der Universität Zürich.

Aus ihrer Sicht sprechen neben dem höheren Bruttolohn noch weitere Gründe für ein berufliches Engagement in der Schweiz. Die Lebensqualität sei hoch, im gesamten Hochschulsystem stecke mehr Geld, die Zusammenarbeit mit der Industrie sei aufgrund geringerer Datenschutzhürden oft einfacher und auch die räumliche Nähe zur Schweiz habe ihre Vorteile, da der Wohnsitz so bei vielen in Deutschland bleiben könne.

Und wer aufgrund des Wissenschaftszeitvertragsgesetzes in Deutschland auf seiner Position nicht mehr arbeiten darf, weil die befristete Zeit ausgereizt ist, könne beispielsweise seine Postdoc-Phase auf diese Weise verlängern und sein Forschungsprofil an einer Universität oder einem Forschungsinstitut für die Dauer der befristeten Anstellung in der Schweiz vertiefen.

Zudem gebe es im Vergleich zu anderen Ländern zumindest in der deutschsprachigen Schweiz keine Sprachbarrieren – in der französischsprachigen Schweiz wird vielfach auf Französisch gelehrt – und auch in Bezug auf Kultur und Strukturen im Hochschulbereich seien keine allzu großen Umstellungen notwendig.

Die Schweiz verfügt über zehn kantonale Universitäten, zwei Eidgenössische Technische Hochschulen (ETH) sowie einige andere universitäre Institutionen, zum Beispiel in Zürich, Genf, Lausanne, Bern, Basel, Luzern oder Fribourg. Neben diesen Universitären Hochschulen (UH) gibt es in der Schweiz noch Fachhochschulen (FH) und Pädagogische Hochschulen (PH). Bachelor- und Masterabschlüsse können nach den Richtlinien der Bologna-Reform an allen Hochschulen erworben werden. Doktortitel werden hingegen nur von UH verliehen (Stand: September 2023), was sich aber in naher Zukunft ändern könnte.

Unterschiede im Vergleich zu Deutschland bieten vor allem die Fachhochschulen: Während die FHs und HAWS hierzulande stark auf den Lehrbetrieb fokussiert sind, haben die FHs in der Schweiz einen vierfachen Leistungsauftrag: Forschung, Weiterbildung, Beratung und studentische Lehre. Eine einschlägige Berufserfahrung im jeweiligen Fachgebiet ist für Lehrende an FHs in der Schweiz demnach nicht so zwingend wie in Deutschland.

Als Forschungsstandort taucht die Schweiz in internationalen Ranglisten immer wieder auf den vordersten Plätzen auf. Das Land hat mit 3,4 Prozent den vierthöchsten Anteil der Forschungsausgaben am BIP unter den OECD-Ländern. Zahlreiche internationale Forschungseinrichtungen haben hier ihren Sitz, zu den bekanntesten zählt die Europäische Organisation für Nuklearforschung (CERN). Insgesamt arbeiten in der Schweiz rund 140.000 Menschen im Bereich der Forschung; etwa 75.000 an den Hochschulen, rund 62.000 in der Privatwirtschaft, der Rest verteilt sich auf andere Bereiche.

Das CERN in Genf

Wer als Deutscher mit festem Wohnsitz in der Schweiz oder als Grenzgänger:in arbeiten möchte, muss eine Aufenthaltsbewilligung beantragen. Bei einer Stellenzusage ist dieser Prozess aber eine reine Formalität, die Antragsteller:innen werden vom künftigen Arbeitgeber in der Regel unterstützt. Die Schweiz ist zwar kein Teil der EU, aber Teil des Schengenraums. Zudem gibt es ein Freizügigkeitsabkommen mit der EU.

Je nach Dauer des Arbeitsverhältnisses wird eine Kurzaufenthaltsbewilligung (Ausweis L: Arbeitsvertrag bis 364 Tage) oder eine Aufenthaltsbewilligung B (Vertragsdauer von mindestens einem Jahr oder unbefristet) ausgestellt. Wer weniger als drei Monate in der Schweiz arbeitet, benötigt keine Bewilligung. Grenzgänger:innen erhalten einen G-Ausweis. Dieser ist für fünf Jahre gültig, sofern ein Arbeitsvertrag über mindestens ein Jahr vorliegt.

Aufpassen müssen Grenzgänger:innen, wenn sie relevante Zeit im Homeoffice in Deutschland verbringen, da dann Fragen hinsichtlich der Sozialversicherungspflicht relevant werden. Für solche Fälle werden die Regelungen derzeit angepasst, Interessenten an einem solchen Modell sollten sich diesbezüglich gründlich informieren – auch hinsichtlich steuerrechtlicher und rentenbezogener Fragen.

Die Arbeitsbedingungen unterscheiden sich leicht von denen in Deutschland. Die Wochenarbeitszeit in der Schweiz beträgt zwischen 40 und 44 Stunden und damit leicht über dem Durchschnitt in Deutschland (40,4 Stunden im Schnitt bei Vollzeitbeschäftigten). Sind hierzulande gerade im öffentlichen Dienst etwa 30 Tage Urlaub im Jahr üblich, müssen Wissenschaftler:innen in der Schweiz oft mit nur 25 Tagen auskommen.

Eine Krankenversicherung ist auch in der Schweiz verpflichtend, allerdings sind die Auswahlmöglichkeiten hinsichtlich des Umfangs der Absicherung deutlich größer: Wer nur eine Grundabsicherung haben möchte, zahlt deutlich weniger als mit einem umfassenden Versicherungspaket. Die Unfallversicherung ist – anders als in Deutschland – durch den Arbeitgeber auch für den privaten Bereich abgedeckt. Zudem können Wissenschaftler:innen über ihre Arbeitgeber oft vergünstigt weitere Versicherungen abschließen.

Inhaltlich ist die Lehrbelastung an Hochschulen in der Schweiz laut Sparr tendenziell geringer, die Aufgaben würden generell weniger restriktiv festgelegt.

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Die Schweiz ist ein vergleichsweise kleines Land mit nur knapp neun Millionen Einwohner:innen. Schon deshalb ist es schwer, die zahlreichen Stellen für Wissenschaftler:innen mit Einheimischen zu besetzen. Gerade für wissenschaftliche Mitarbeiter und Postdocs werden in unterschiedlichen Fachgebieten immer wieder Stellen ausgeschrieben, auf die sich auch Deutsche bewerben können. Allerdings beziehen sich diese oft auf die deutschsprachige Schweiz. In der französischsprachigen Schweiz sind sehr gute Kenntnisse der französischen Sprache in der Regel unerlässlich.

Im Unterschied zu Deutschland unterschreiben Postdocs in der Schweiz laut Dr. Jennifer Sparr in ihrem Fachbereich vornehmlich Jahresverträge, die dann gegebenenfalls verlängert werden. Auch hier gilt grundsätzlich die Befristung von Arbeitsverträgen für wissenschaftliches Personal, die Regelungen sind denen des deutschen Wissenschaftszeitvertragsgesetzes ähnlich. An vielen Schweizer Hochschulen wurden in den vergangenen Jahren allerdings sogenannte Tenure-Track-Stellen geschaffen, die eine unbefristete Professur nach einer Bewährungszeit von mehreren Jahren versprechen.

Ausgeschriebene Stellen von unbefristeten Professuren in der Schweiz sind absolut gesehen eher selten, gerade an den großen Hochschulen gibt es um diese Jobs aufgrund der guten Arbeitsbedingungen und Gehälter ein hartes Ringen.

Analog zur Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG), eine der größten Forschungsfördereinrichtungen hierzulande, gibt es in der Schweiz den Schweizerischen Nationalfonds (SNF), der herausragende Forschung an Hochschulen und anderen Institutionen fördert.

Ein zusätzliches Förderinstrument ist die Innosuisse, die Schweizerische Agentur für Innovationsförderung. Dabei handelt es sich um einen Träger, der die Zusammenarbeit zwischen Wissenschaft und Industrie unterstützt. Bei innovativen und risikoreichen Vorhaben von KMU, Start-ups oder anderen schweizerischen Organisationen beteiligt sich Innosuisse in der Regel mit der Hälfte des finanziellen Aufwands. Zudem werden Gelder der öffentlichen Hand aufgrund von Eigeninitiative der Forschenden nach dem Wettbewerbsprinzip vergeben, ausschlaggebend ist die Qualität der eingereichten Anträge.

Ein heikles Feld ist hingegen aktuell die EU-Förderung, von der die Schweiz auch als Nicht-EU-Mitglied jahrelang profitieren durfte. Da die Schweiz weiterhin kein assoziiertes Mitglied von „Horizon-Europe“ ist, dem größten vergemeinschafteten Förderprogramm für Forschung und Innovation weltweit, sind Forschende, die an Schweizer Einrichtungen arbeiten, von der finanziellen Unterstützung der europäischen Forschungsförderungsprogramme derzeit ausgeschlossen. Die Schweiz hatte 2021 Gespräche mit der EU-Kommission abgebrochen und war aus einer langfristigen Vereinbarung zur Schaffung bilateraler Beziehungen ausgestiegen.

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Die Bruttogehälter in der Schweiz bewegen sich in fast allen Branchen deutlich über dem Lohnspiegel in Deutschland. Im Bereich der Wissenschaft und Forschung kann grob von einem Aufschlag von einem Drittel des deutschen Gehaltes ausgegangen werden. Bei Professor:innen sind die Aufschläge teils noch deutlich höher, da diese auch einen größeren Verhandlungsspielraum besitzen.

In der Schweiz sind die Gehälter für öffentlich-rechtlich Angestellte im kantonalen Lohnreglement festgelegt. Sie unterscheiden sich nach Lohnstufen und Lohnklassen und sind abhängig von der Hochschule, vom Institut, der genauen Position, dem Alter, der Arbeitserfahrung und oft auch von der Geldquelle. So können Postdocs mit Bruttomonatsgehältern etwa zwischen 6.000 und 8.500 Schweizer Franken rechnen.

Details finden sich beispielsweise im Lohnsystem des Kantons Zürich. Die Vergütungen für wissenschaftliche Funktionen und Lehrpersonen sind an den Hochschulen wie der Universität Zürich separat geregelt.

Aufgrund der geringeren Steuerlast in der Schweiz im Vergleich zu Deutschland sind die Nettogehälter oft annähernd doppelt so hoch. Wer in Deutschland beispielsweise Abgaben von 40 Prozent seines Bruttogehaltes zu leisten hat, kann in einem steuergünstigen Kanton bzw. Bezirk mit lediglich 25 Prozent rechnen. In den ersten drei Jahren nach Zuzug in die Schweiz sind die steuerlichen Belastungen nochmals geringer.

Allerdings sind die Lebenshaltungskosten in der Schweiz auch deutlich teuer: Ob Miete oder Lebensmittel, Aufschläge gibt es in fast allen Bereichen zu verzeichnen. Daher ist das Grenzgänger-Modell so beliebt. Hier spielt mittlerweile auch der starke Schweizer Franken im Vergleich zum Euro eine Rolle.

Seit 2021 gibt es ein Deutsch-Schweizer Abkommen zur gegenseitigen Anerkennung von Berufsabschlüssen, da die Berufsbildungssysteme beider Länder vieles gemeinsam haben und die Berufsbilder sich ähneln. Auch im akademischen Bereich werden Abschlüsse und Titel in der Regel anerkannt. So dürfen beispielsweise Absolvent:innen mit Masterabschluss und einem Doktortitel an einer staatlich anerkannten deutschen Universität den Titel auch in der Schweiz tragen.

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