In welchen Fächern nützt der Doktortitel besonders?
Naturwissenschaften: Promotion ist in der Regel Jobvoraussetzung
Chemiker, Biologen und Physiker sind die Spitzenreiter in Sachen Promotionsquote. Das zeigt eine 2019 erstellte Berechnung des Centrums für Hochschulentwicklung (CHE) auf der Basis von Daten des Statistischen Bundesamtes. Bei den durchschnittlichen Promotionsquoten der Jahre 2015 bis 2017 belegen dort die Fächer Biologie (86,2 Prozent), Chemie (78,9 Prozent) und Physik (64,0 Prozent) die ersten drei Plätze. Nach Angaben der Gesellschaft Deutscher Chemiker (GDCh) begannen im Jahr 2019 rund 88 Prozent der Chemie-Masterabsolventen an deutschen Universitäten eine Promotion.
Der Doktortitel ist für Absolventen naturwissenschaftlicher Fächer also annähernd die Regel. In der chemischen und pharmazeutischen Industrie – laut GDCh der Top-Arbeitgeber für Chemiker in der Wirtschaft – oder in der Biotech-Industrie ist er üblicherweise Voraussetzung für einen Job in Forschung und Entwicklung. Die Wirtschaft bietet aus diesem Grund häufig auch selbst Promotionsstellen an. Industriepromotionen sind für Naturwissenschaftler daher ein gängiges Modell.
Auch in anderen Wirtschaftszweigen, in denen Naturwissenschaftler tätig sind – etwa der Wissenschaftskommunikation, der Diagnostik und in Verbänden –, sorgt eine Promotion oft für bessere Einstellungs- und Gehaltschancen.
Allerdings ist der Trend zur Promotion bei den Chemikern laut GDCh in den letzten Jahren leicht rückläufig, wenn auch immer noch insgesamt auf hohem Niveau. Der Grund dafür könnten laut Thorsten Daubenfeld, Professor für Physikalische Chemie an der Hochschule Fresenius, gestiegene Jobchancen in kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) sein. „Promovierte Chemiker (...) sind für die KMU meist zu spezialisiert, haben aus Sicht der Unternehmen oft unrealistisch hohe Gehaltsvorstellungen und zu wenig Praxiserfahrung“, schreibt Daubenfeld in einer Publikation der GDCh.
Mathematik und Ingenieurwissenschaften: Gute Chancen auch ohne Promotion
Bedeutet die Promotion für Mathematiker automatisch größere Chancen auf dem Arbeitsmarkt? Das hängt davon ab, wo Sie arbeiten möchten. In der Wirtschaft kommt es manchmal ganz auf die Branche und die Unternehmensgröße an. Manche Arbeitgeber, zum Beispiel in der Unternehmensberatung, legen aus Gründen des Renommees Wert auf eine Promotion. Grundsätzlich sind Mathematiker aber gesuchte Fachkräfte – auch ohne Doktortitel stehen die allgemeinen Chancen auf dem Arbeitsmarkt gut.
Ingenieure sind eher Praktiker. Entsprechend nachrangig ist der Stellenwert eines Doktortitels in den technischen Fachbereichen außerhalb von Lehre und Forschung. Nach der Berechnung des CHE von 2019 lag die jährliche Promotionsquote in den ingenieurwissenschaftlichen Fächern im untersuchten Zeitraum durchgehend bei unter 30 Prozent – angehende Wissenschaftler und Forscher eingeschlossen. Darunter: Werkstofftechnik mit 28,2 Prozent, Verfahrenstechnik mit 26,9 Prozent, Maschinenbau mit 25,3 Prozent und Bauingenieurwesen mit 17,7 Prozent.
In der Wirtschaft stehen Ingenieuren auch ohne Promotion viele Türen offen. Bewirbt sich ein Ingenieur mit Doktortitel, kann das kleine und mittlere Unternehmen sogar abschrecken: Womöglich ist der Kandidat eher theoretisch geschult als praktisch versiert und hat darüber hinaus exorbitante Gehaltsvorstellungen. Vor allem bei größeren Unternehmen aber kann der Doktortitel für angehende Führungskräfte karrierefördernd sein und schraubt in der Regel auch das Gehalt nach oben – mehr dazu im nächsten Absatz.
Sozial-, Wirtschafts- und Politikwissenschaften: Promotion ist eher die Ausnahme
Den Doktortitel findet man bei Wirtschafts-, Sozial- und Politikwissenschaftlern, die in der freien Wirtschaft tätig sind, eher selten. Auch in den jüngeren Absolventenjahrgängen ist das Ziel Promotion nicht sehr weit verbreitet: Gemäß der Berechnung des CHE lag die durchschnittliche jährliche Promotionsquote im Zeitraum 2015 bis 2017 in allen drei Fachbereichen bei deutlich unter 20 Prozent. Bei Wirtschafts- und Politikwissenschaftlern betrug sie jeweils 15,8 Prozent, bei den Sozialwissenschaftlern 14,2 Prozent.
Der Hintergrund: Während eine Promotion auch in diesen Fachbereichen für eine Hochschulkarriere zwingend ist, spielt sie für eine Karriere als Sozialwissenschaftler in der freien Wirtschaft kaum eine Rolle. Zudem setzen sich Spezialisierungen auf dem Master-Level als Alternativen zur Promotion durch: etwa der Master of Business Administration (MBA) oder der Master of Laws (LL.M.). Sie sind praxisbezogener und bereiten gezielter auf die Tätigkeit in einem bestimmten Berufsumfeld vor.
Auch die Promotion in den Wirtschaftswissenschaften ist nach Angaben des Bundesverbandes Deutscher Volks- und Betriebswirte vor allem für eine wissenschaftliche Karriere erforderlich. Bei bestimmten Arbeitgebern, etwa bei Nichtregierungsorganisationen (NGOs), kann der Doktortitel ebenfalls einen Vorteil bringen – auch in Bezug auf das Gehalt.
Wie wirkt sich eine Promotion auf das Gehalt aus?
Eine Promotion kostet Zeit, Nerven und auch Geld. Da stellt sich zwangsläufig die Frage, ob und wie sie sich später auf das Gehalt auswirkt. In einigen Fachbereichen lässt sich pauschal sagen: Wer den Doktortitel hat, verdient in der Regel mehr. Naturwissenschaftler, Mathematiker, Informatiker und Ingenieure profitieren häufig von der Promotion. Sozial- und Politikwissenschaftler dagegen erleben den positiven Effekt nicht so stark.
Eine Analyse des Gehaltsportals gehalt.de zeigt: In fast allen Fachbereichen ist das Einstiegsgehalt durchschnittlich höher, wenn der Bewerber promoviert ist. In der Informatik und in den Naturwissenschaften ist der Gehaltsunterschied zum Absolventen auf Master-Niveau besonders hoch.
Was Promovierte in vielen Bereichen eint, ist außerdem, dass sie oft Stellen mit mehr Verantwortung bekommen. Denn wer einen Doktortitel erworben hat, hat bereits bewiesen, dass er motiviert ist, Leistung zeigen und auch komplexe Aufgaben erledigen kann. In dieser Hinsicht kann die Promotion ein Türöffner sein.
Dem gegenüber steht jedoch der Aufwand, den der Weg zur Promotion mit sich bringt: Vor allem Geistes- und Sozialwissenschaftler, die keine Wissenschaftskarriere anstreben, sollten gut abwägen, ob ein etwaiges späteres Gehaltsplus den zeitlichen und finanziellen Aufwand einer Promotion rechtfertigt. Denn schließlich werden sie zum Zeitpunkt ihres Berufseinstiegs durchschnittlich älter sein als Akademiker, die „nur“ einen Masterabschluss oder ein Diplom in der Tasche haben – und starten entsprechend später als Vollverdiener ins Berufsleben.
„Überqualifiziert“: Kann eine Promotion auch schädlich sein?
Eine Promotion kann eine gute Investition in die Zukunft sein. Doch kann auch das Gegenteil eintreten? Kann eine Promotion auch schädlich sein, weil man für bestimmte Stellen überqualifiziert ist? Die Antwort: Ja, auch das ist möglich.
Arbeitgeber haben ein Interesse daran, dass ihr Personal motiviert und möglichst bezahlbar ist. Gerade in Branchen, in denen die Promotion nicht zwingend zum akademischen Ausbildungsprofil gehört, scheinen bei Berufseinsteigern das gebotene Gehalt und die Aufgaben oft nicht zu einer promovierten Person zu passen. Mancher Bewerber sieht sich dann gezwungen, Kompromisse zu machen.
Umso wichtiger ist es, sich – wie eingangs angesprochen – ein möglichst umfassendes Bild von den Anforderungen zu machen, die in der angestrebten Branche an Berufseinsteiger gestellt werden. Bietet sich direkt nach dem Masterabschluss eine attraktive Einstiegsmöglichkeit in den Job, sollten gerade Geistes- und Gesellschaftswissenschaftler, die in die Wirtschaft möchten, nicht zögern und ihr den Vorrang vor einer Promotion geben.
Kein Job nach dem Studium: Promotion als Alternative zur Arbeitslosigkeit?
Droht die Arbeitslosigkeit nach Abschluss des Masterstudiums, so steht oftmals eine Promotion als Mittel zur Vermeidung derselben im Raum. Ein solches Vorgehen aus Mangel an Alternativen sollte aber gut überlegt sein.
Sicher: Wenn nach dem Studium die ersten Bewerbungen erfolglos bleiben, ist das frustrierend. Trotzdem sollten sich Hochschulabsolventen gut überlegen, ob eine Promotion aus Mangel an Alternativen wirklich der richtige Weg ist. Im Fokus sollte dabei nach wie vor die Frage stehen: Was will ich beruflich erreichen? Nützt mir die Promotion dafür wirklich? Kann ich mir vorstellen, in die Wissenschaft zu gehen? Ist das nicht der Fall, dann sollten weitere Möglichkeiten wie etwa eine Spezialisierung ins Auge gefasst werden.
Denn bei einer halbherzig angefangenen Promotion besteht ein großes Risiko, dass sie mittendrin doch abgebrochen wird. Das kann sich auch negativ auf spätere Bewerbungen auswirken, da künftige Arbeitgeber dem Bewerber schlimmstenfalls mangelndes Durchhaltevermögen und Unschlüssigkeit bei der Karriereplanung attestieren könnten.
Sie sind noch unschlüssig, ob Sie promovieren sollten? Der academics-Promotionstest bringt Sie in dieser Frage ein Stück weiter.