Medizinische Physik
Berufsbild, Ausbildung und Gehalt von Medizinphysikern

Intensivmedizin - Symbolbild Medizinphysik Berufsaussichten

Medizinphysiker sind sowohl in Kliniken als auch in der Industrie tätig © sudok1 / istockphoto.com

Wenn hochkomplexe physikalische Prozesse für eine medizinische Diagnose oder Behandlung vonnöten sind, arbeiten Medizinphysikerinnen und Medizinphysiker mit Medizinern Hand in Hand. Vor allem in der Strahlentherapie finden sie ihr Einsatzgebiet. 

Veröffentlicht: 23.06.2021

Von: Maike Schade

Moderne medizinische Diagnostik und Therapie sind ohne physikalische (Er-)Kenntnisse nicht denkbar. Ob Röntgendiagnose oder Strahlentherapie, Ultraschall, mikroskopische Untersuchungen oder robotergestützte Operationen: In vielen Bereichen legt die Physik die Basis für eine erfolgreiche medizinische Diagnose und Behandlung. Die Abläufe und Geräte gerade in Kliniken sind vielfach so hochkomplex, dass Ärztinnen und Ärzte durch Medizinphysiker (MP) oder Medizinphysikexperten (MPE) unterstützt werden müssen. Sie sorgen für die korrekte Anwendung physikalischer Methoden am Menschen. 

Die Haupteinsatzgebiete von MPE sind laut der Deutschen Gesellschaft für Medizinische Physik (DGMP) die Strahlentherapie, die Nuklearmedizin und die Radiologie (Röntgen, MRT, CT). Hier ist das Mitwirken oder zumindest die Verfügbarkeit von medizinphysikalischen Expertinnen durch das Strahlenschutzgesetz vorgeschrieben – etwa für die Berechnung der korrekten Strahlendosis bei einer Krebsbehandlung, die Installation und Wartung von radiologischen Geräten in Praxen und Krankenhäusern oder die Aufbewahrung und Entsorgung radioaktiver Materialien. 

Auch in der Industrie gibt es Jobs für Medizinphysikerinnen, zum Beispiel bei der Entwicklung und beim Bau medizinischer Großgeräte wie Tomographen, Lasersystemen oder Chirurgie-Robotern. In Forschungseinrichtungen entwickeln Medizinphysiker beispielsweise in der Medizin-Nanotechnologie oder in der Lasermedizin neue Technologien und Verfahren.

Laut DGMP sind Medizinphysikerinnen vorwiegend in großen Kliniken, in der medizintechnischen Industrie oder in der Grundlagenforschung tätig. Demnach arbeiteten laut einer DGMP-Mitgliederbefragung im Jahr 2016 (352 Teilnehmende)

  • 32 Prozent in Universitätskliniken,
  • 26 Prozent in Krankenhäusern,
  • 25 Prozent in privaten Praxen oder medizinischen Versorgungszentren,
  • 9 Prozent in einer Forschungseinrichtung,
  • 4 Prozent in der Industrie und
  • 4 Prozent in einer Behörde oder einem Sachverständigenbüro. 

Eine kleine Zahl der Medizinphysiker ist als Freiberufler tätig. Sie werden laut Prof. Markus Buchgeister, Öffentlichkeitsbeauftragter der DGMP, von Praxen oder kleineren Krankenhäusern beauftragt, die keinen eigenen MPE beschäftigen. 

Da zur Ausübung dieses Berufs tiefgehende Expertenkenntnisse vonnöten sind, spezialisieren sich Medizinphysiker innerhalb ihrer Disziplin auf unterschiedliche Fachgebiete. Die DGMP führt insgesamt 16 davon auf, darunter: 

  • Strahlentherapie (z. B. Bestrahlungstechniken, Tumorlokalisation)
  • Nuklearmedizin (z. B. In-Vitro-Diagnostik, Strahlungsmesstechnik, Entsorgung radioaktiver Stoffe)
  • Röntgendiagnostik (z. B. röntgendiagnostische Untersuchungsmethoden, Strahlenschutz, Qualitätssicherung von Röntgengeräten)
  • Klinische Audiologie (z. B. Messungen am Mittelohr, Versorgung mit Hörgeräten, Prävention von Hörschädigungen) 
  • Klinische Anwendung von Lasern (z.B. klinisch-therapeutische Laseranwendungen, Laserschutz in der Klinik)
  • Klinisch-medizinische Optik (z. B. optische Messungen am Patienten, Laseranwendungen)
  • Klinische Anwendung von Ultraschall (z. B. Messungen von Blutströmungen, Ultraschall-Computertomographie)
  • Klinische Anwendung von Magnetresonanz (z. B. Errichtung von MRT-Anlagen, experimentelle MR-Methoden)

Weitere Fachgebiete sind beispielsweise physikalische Messtechniken in der Medizin, die medizinische Akustik, physiologische Optik oder die klinische Medizininformatik. Rund zwei Drittel der von der DGMP befragten Mitglieder waren 2016 in der Strahlentherapie tätig, weitere rund zehn Prozent im Strahlenschutz. 

Über ihre eigentliche Berufstätigkeit hinaus können Medizinphysikerinnen auch beispielsweise als Dozenten für Strahlenschutz, als Expertinnen bei der Mitgestaltung von Normen und Richtlinien oder Publizisten von Fachliteratur arbeiten. Auch der Quereinstieg als Lehrerin oder Lehrer an allgemeinbildenden Schulen oder die Mitarbeit an wissenschaftlichen Studien sind möglich. Laut der DGMP-Mitgliederbefragung 2016 gingen knapp 37 Prozent der Teilnehmenden einer vergüteten Nebenbeschäftigung nach.

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Die Medizinische Physik als akademische Disziplin ist relativ jung: Die Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg bot 1998 als erste Universität deutschlandweit einen kompletten, alle Teilgebiete der Medizinischen Physik umfassenden fünfjährigen Studiengang an. Heute kann Medizinische Physik laut der DGMP an 27 Standorten studiert werden (18 Bachelor-, 21 Masterstudiengänge). Hinzu kommen noch zwei Zertifikatsstudiengänge zur Medizinischen Physik sowie ein Zertifikatsstudiengang in Österreich. 

Ein Medizinphysikstudium ist nicht der einzige Zugang zu diesem Beruf. Im Gegenteil: Laut der DGMP-Mitgliederbefragung hatte rund die Hälfte der an der Erhebung Teilnehmenden einen Abschluss als Diplom-Physiker, ein knappes Viertel als Diplom-Ingenieur – nur etwa jeder sechste hatte ein Medizinphysikstudium absolviert. Fast die Hälfte war promoviert

Grundsätzlich kann gemäß der Weiterbildungsordnung der DGMP ein erfolgreicher Masterabschluss in einem naturwissenschaftlichen oder ingenieurwissenschaftlichen Fach für die Weiterbildung zum Medizinphysiker qualifizieren. Dazu zählen 

Auch ein IT- oder Elektrotechnikstudium kann eventuell als Basis dienen. 

Grundsätzlich ist Medizinphysiker kein geschützter Begriff – laut Prof. Buchgeister von der DGMP kann prinzipiell jeder diese Berufsbezeichnung tragen. Eine Ausnahme bildet das Land Berlin, wo es seit 1987 ein Gesetz zur Berufsbezeichnung „Medizinphysiker“ gibt. Wer allerdings ein „Medizinphysikexperte” (MPE) werden möchte, muss eine Fachkundequalifikation im Bereich des Strahlenschutzes mit theoretischen und praktischen Anteilen erlangen. 

Für die Zertifizierung als Medizinphysiker mit DGMP-Fachanerkennung ist eine mindestens dreijährige, praktische berufliche Tätigkeit unter Begleitung eines „Weiterbildungsermächtigten” auf einem für das Fach relevanten Gebiet erforderlich. Diese Zertifizierung ist anerkannt durch die Europäische Föderation für Organisationen für Medizinische Physik (EFOMP) und kann somit den Berufswechsel in ein anderes europäisches erleichtern. Für die Tätigkeiten, die unter das Strahlenschutzgesetz in Deutschland fallen, ist zudem der Nachweis über den Erwerb der „MPE-Fachkunde im Strahlenschutz“ zu erbringen.

Weiter heißt es bei der DGMP: „Der Abschluss der vollständigen Weiterbildung zum Medizinphysiker wird nach Antrag bei der Fachanerkennungskommission im Rahmen eines Fachgesprächs im Spezialgebiet beurteilt.“ Der erfolgreiche Abschluss der Weiterbildung werde durch die Fachanerkennungskommission ausgesprochen und durch die Urkunde zur „Fachanerkennung für Medizinische Physik der DGMP“ und Bezeichnung „Medizinphysiker (DGMP)“ und Angabe des Spezialgebietes sowie der Wahlgebiete bestätigt.

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Der Bedarf an Medizinphysikerinnen ist laut DGMP hoch. Zwar gibt es in Deutschland weder ein zentrales Register über berufstätige Medizinphysiker und Medizinphysikexperten noch über die Anzahl der Kliniken, Praxen und Medizinischen Versorgungszentren (MVZ), die Strahlentherapie, Diagnostische Radiologie, Interventionelle Radiologie, Neuroradiologie, Nuklearmedizin, Audiologie und ähnliches anbieten. Eine Auflistung der Geräte, die für diese Art der Diagnose und Therapie nötig sind und von MPE betreut werden müssen, gibt es aber schon. Anhand deren Anzahl schätzt die DGMP, dass im Jahr 2021 etwa rund 2.400 MP und MPE in Deutschland berufstätig sind. 

Nicht genug. Denn den Bedarf schätzt die DGMP höher ein: Nach eigenen Hochrechnungen würden in Deutschland knapp 2.800 Medizinphysiker und Medizinphysikexpertinnen benötigt – also etwa 16 Prozent mehr. Vor allem im Bereich Radiologie, MRT und Audiologie fehlten demnach medizinphysikalische Fachkräfte.

Wie viel MP und MPEs verdienen, hängt von verschiedenen Faktoren ab – zum Beispiel vom Arbeitgeber, der Region, der Qualifikation und der Unternehmensgröße. Generell werden diese Experten aber gut bezahlt. Die Mitgliederbefragung der DGMP ergab folgende Werte (Bruttojahresgehalt inklusive zusätzlicher Gratifikationen): 

Jahresbruttoeinkommen Medizinphysiker laut DGMP-Mitgliederbefragung:

Jahresbruttoeinkommen Anteil der Befragten

bis 40.000 €

7,08 %

40.000 bis 50.000 €

6,81 %

50.000 bis 60.000 €

16,62 %

60.000 bis 70.000 €

13,35 %

70.000 bis 80.000 €

12,53 %

80.000 bis 90.000 €

8,45 %

mehr als 90.000 €

14,17 %

keine Angabe

20,98 %

Quelle: DGMP-Mitgliederbefragung 2016 © academics

Sind MPs und MPEs an Krankenhäusern oder Kliniken in öffentlicher Hand beschäftigt, werden sie nach Tarif bezahlt – je nach Einrichtung nach dem Tarifvertrag der Länder (TV-L oder in Hessen TV-H), dem Tarifvertrag für den Öffentlichen Dienst (TV-ÖD), dem Tarifvertrag für Unikliniken (TV-UK) oder dem Diakonie-Tarif (AVD). In einigen Bundesländern ist auch die Eingruppierung in den Ärztetarif (TV-A / VKA) möglich. 

Am häufigsten ist eine Bezahlung nach TV-L. Üblich ist in der Regel die Vergütung nach der Entgeltgruppe E13; je nach Berufserfahrung erfolgt die Einordnung in die insgesamt sechs Erfahrungsstufen. Wer viel Verantwortung trägt, kann auch in E14 eingestuft werden. Bei privaten Praxen und Krankenhäusern ist die Vergütung nach Einschätzung von Prof. Buchgeister (DGMP) meist etwas höher.

Bruttomonatsgehalt nach TV-L, Entgeltgruppen E13 und E14 (gültig bis 30.9.2021):

Erfahrungsstufe wird erreicht E13 E14

1

bei Berufseinstieg

4074,30 €

4418,91 €

2

nach einem Jahr

4385,28 €

4752,85 €

3

nach drei Jahren

4619,20 €

5026,88 €

4

nach sechs Jahren

5073,66 €

5441,24 €

5

nach zehn Jahren

5701,88 €

6076,14 €

6

nach 15 Jahren

5872,94 €

6258,43 €

Sind Medizinphysiker an Hochschulen oder außeruniversitären Forschungseinrichtungen beschäftigt, erfolgt die Bezahlung entweder nach Tarif (Angestellte) oder der jeweils relevanten Besoldungsordnung (Beamte):


Über die Gehälter von Medizinphysikerinnen in der freien Wirtschaft hat die DGMP keine Daten. Große Betriebe sind häufig tarifgebunden, zum Beispiel gibt es Haustarifverträge mit der IG Metall. Die Höhe der Gehälter ist dabei von der Region, der Unternehmensgröße und auch der jeweiligen Position abhängig. Einen Anhaltspunkt kann eventuell die Gehaltsstudie 2019 des Verbandes Deutscher Maschinen- und Anlagenbau (VDMA) liefern: Demnach verdient ein Entwicklungsingenieur im Monat bis zu 6.330 Euro brutto.

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