Promotion Geisteswissenschaften
Was bringt der Doktortitel in Geisteswissenschaften?

Welche Vorteile bringt die Promotion in den Geisteswissenschaften? © Patrick Tomasso / unsplash.com
Mit einem Doktortitel vor dem Namen belegen Geisteswissenschaftler:innen nicht nur, akademisch fit zu sein – manche erhoffen sich dadurch auch bessere Karrierechancen oder Verdienstmöglichkeiten. Für die Promotion in Geisteswissenschaften gelten allerdings andere Regeln als für die übrigen Fachbereiche.
Aktualisiert: 21.01.2025
Akademische Karriere: Promotion quasi unerlässlich
Wer eine akademische Laufbahn in den Geisteswissenschaften anstrebt, für den stellt sich die Frage nach dem Für und Wider einer Promotion nicht – ohne Doktorgrad gibt es wenig Chancen, in der Wissenschaft beschäftigt zu bleiben, und keine Möglichkeit, zu habilitieren oder über andere Wege zu einer Professur zu gelangen.
Gleichzeitig ist die Promotion in Geisteswissenschaften kein Garant für eine Professorenstelle. Während es im Jahr 2023 in Deutschland laut dem Statististen Bundesamt exakt 21.140 Promovierende in den Geisteswissenschaften gab, werden bis 2032 laut Statistischem Bundesamt altersbedingt lediglich 1.216 Lehrstühle frei . Ein eindeutiger Indikator dafür, wie gut die Chancen auf den höchsten Lehrposten im Hochschulsystem wirklich stehen, ist das zwar nicht. Wer sich aus wissenschaftlichen Bestrebungen für eine Promotion in Geisteswissenschaften entscheidet, muss jedoch wissen, dass es neben ihm viele weitere potenzielle Anwärter:innen auf vergleichsweise wenige Professorenstellen gibt.
Lohnt sich die Promotion für den Einstieg in die freie Wirtschaft?
Ein Doktortitel in der freien Wirtschaft kann sich für Geisteswissenschaftler:innen dann lohnen und unter Umständen sogar einen Quereinstieg erleichtern, wenn das Thema der Dissertation mit der beruflichen Tätigkeit zu tun hat, die die Absolvent:innen danach anstreben. Ohne berufsqualifizierendes Thema zu promovieren, weil man sich dadurch in jedem Fall bessere Chancen auf eine Anstellung erhofft, ist laut der Einschätzungen von Karriereberatern eher nicht empfehlenswert. In einem solchen Fall bestehe die Gefahr, auf Personaler:innen akademisch überqualifiziert zu wirken.
Daneben gibt es Berufe für Geisteswissenschaftler:innen, zum Beispiel Leitungsposten an Museen, bei denen in der Stellenausschreibung häufig eine Promotion in Geisteswissenschaften vorausgesetzt wird. Hoffnungen auf ein höheres Gehalt werden hingegen nur bedingt erfüllt – zumindest beim Einstieg auf den Arbeitsmarkt. Für Promovierte am Anfang ihrer beruflichen Laufbahn ist der Gehaltssprung gegenüber Masterabsolvent:innen laut einer Lohnstudie von Gehalt.de vergleichsweise gering: Das Geisteswissenschaftler-Gehalt mit einem Doktortitel in der Tasche beträgt durchschnittlich nur 5.400 Euro brutto mehr im Jahr.
Bis die Verdienstkluft durch den später geringfügigen Mehrverdienst dank Doktortitel ausgeglichen ist, kann es dauern. Eine Umfrage der Hochschul-Informations-System eG (HIS) zeigt, dass Geisteswissenschaftler im Schnitt 5,1 Jahre an ihrer Promotion arbeiten. Sprach- und Kulturwissenschaftler:innen schließen sie laut dem BuWiN 2017 erst mit durchschnittlich 35,8 Jahren ab – älter beim Abschluss der Doktorarbeit sind dieser Auswertung nach nur noch die Kunstwissenschaftler:innen mit 38,6 Jahren.
Durchschnittsalter (arithmetisches Mittel) bei Abschluss der Promotion im Zeitverlauf (2000 bis 2014)
Fächergruppen | 2000 | 2005 | 2010 | 2014 |
---|---|---|---|---|
Sprach- und Kulturwissenschaften |
36,1 |
36,2 |
36,5 |
35,8 |
Sport |
35,4 |
36,3 |
36,2 |
35,1 |
Rechts-, Wirtschafts- und Sozialwissenschaften |
32,7 |
32,9 |
33,2 |
33,2 |
Mathematik, Naturwissenschaften |
31,8 |
32,1 |
31,4 |
31,5 |
Humanmedizin/Gesundheitswissenschaften |
32,0 |
32,2 |
31,9 |
31,7 |
Veterinärmedizin |
31,4 |
31,6 |
31,5 |
31,7 |
Agrar-, Forst- und Ernährungswissenschaften |
34,4 |
34,3 |
34,0 |
33,5 |
Ingenieurwissenschaften |
33,6 |
34,1 |
33,5 |
33,6 |
Kunst, Kunstwissenschaft |
36,5 |
37,5 |
37,9 |
38,6 |
Insgesamt |
32,7 |
33,0 |
32,7 |
32,6 |
Bis dahin leben viele in prekären Verhältnissen, während ehemalige Kommiliton:innen mit Bachelor- oder Masterabschluss möglicherweise schon seit Jahren berufstätig sind. Laut dem BuWiN 2017 sind zwölf Prozent aller Promovierenden von besonders niedrigen Einkommen von unter 826 Euro betroffen, unter geistes- und kulturwissenschaftlichen Absolventen sind solche geringen Gehälter außerdem deutlich weiter verbreitet als bei Promovend:innen anderer Fächer. Ursächlich hierfür mag sein, dass der Frauenanteil in den Geisteswissenschaften überdurchschnittlich hoch ist und die Zeit der Promotion in die Rushhour des Lebens fällt, in der Doktorandinnen häufiger als Doktoranden familiäre Care-Aufgaben übernehmen und nur in Teilzeit arbeiten. Gewiss sind diese Zahlen mittlerweile überholt und die Einkommen 2025 höher; nichtsdestotrotz ist die Finanzierung der jahrelangen Arbeit an der Dissertation extrem herausfordernd.
Was bei der Entscheidung für oder gegen eine Promotion auch eine Rolle spielen kann: Durch den späteren Abschluss fehlt es Promovierenden im Vergleich zu Bachelor- und Masterabsolventen, die sich auch durch Fort- oder Weiterbildungen weiterqualifizieren können, trotz fortgeschrittenen Alters an praktischer Erfahrung. Sinnvoll ist es deshalb, schon während des Studiums Praktika zu absolvieren oder sich um Nebenjobs in den angestrebten Berufsfeldern zu bemühen. Wer als Doktorand:in in den Geisteswissenschaften Zusatzqualifikationen dadurch erlangt, dass er zum Beispiel in der Lehre aktiv ist oder berufsrelevante Seminare abhält, sollte sich das deshalb zertifizieren lassen. Die eigenen Fähigkeiten werden auf diese Weise für potenzielle Arbeitgeber außerhalb der Hochschule transparenter.
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Außeruniversitäre Forschung mit einer Promotion in Geisteswissenschaften
Neben einer Position in der Hochschullehre oder einem Posten in der freien Wirtschaft bietet sich für den Berufseinstieg als Geisteswissenschaftler:in mit Promotion außerdem die außeruniversitäre Forschung an. Infrage kommen dabei etwa das Goethe-Institut oder die Leibniz-Gemeinschaft, die sich forschend Themen wie dem gesellschaftlichen Wandel oder der Raumentwicklung annimmt. Möglichkeiten können sich auch bei der Max-Planck-Gesellschaft im Rahmen der sprach- und kulturwissenschaftlichen Schwerpunkte bieten. Was man als Interessent:in wissen muss: Bei solchen Einrichtungen erstreckt sich die Konkurrenz auch auf internationale Bewerber:innen. Wer dann besondere Qualifikationen mitbringt – zum Beispiel in Form einer Doktorarbeit, die das anvisierte Forschungsfeld thematisch erweitert –, kann Vorteile haben.
Finanzierung der Doktorarbeit in den Geisteswissenschaften
Die finanziellen Rahmenbedingungen können maßgeblich für die Aufnahme und den erfolgreichen Abschluss einer Promotion in Geisteswissenschaften sein. Der Bundesbericht Wissenschaftlicher Nachwuch (BuWiN) aus dem Jahr 2021 zeigte, dass 61 Prozent ihren Lebensunterhalt durch eine Stelle an der Hochschule finanzieren – die Bezahlung erfolgt hier nach Entgeltgruppe E13, liegt also 2025 bei einer Vollzeitstelle zwischen ca. 4.600 und 5.200 Euro brutto monatlich (bei Teilzeitstellen entsprechend weniger).
18 Prozent verdienten ihren Unterhalt demnach bei einem Job außerhalb der Hochschule, neun Prozent waren freiberuflich tätig, und 17 Prozent hatten ein Stipendium. 14 Prozent finanzierten ihre Promotion durch Gelder von Angehörigen oder Verwandten. Ein geringer Anteil sicherte die Finanzierung über Darlehen/Kredite oder Sozialleistungen. Mehr Informationen finden Sie im Artikel „Promotion finanzieren“.