Geisteswissenschaften: Berufe
Wo Geisteswissenschaftler:innen arbeiten und was sie dafür mitbringen müssen

Mehrere Menschen, die in Büchern lesen

Welche Berufsmöglichkeiten haben Geisteswissenschaftler:innen? © ljubaphoto / iStock.com

Geisteswissenschaftler und Geisteswissenschaftlerinnen haben kein festes, berufliches Einsatzgebiet. Doch wer seine Fähigkeiten kennt, dem eröffnen sich am Arbeitsmarkt vielfältige Chancen.

Veröffentlicht: 18.02.2024

Von: Katharina Jedlitschka

Geisteswissenschaftler und Geisteswissenschaftler haben den Ruf, nichts Richtiges gelernt zu haben. Denn im Gegensatz zu beispielsweise Medizin-, Jura- oder Lehramtsabsolvent:innen entspricht das geisteswissenschaftliche Studium – ob beispielsweise im Bereich Linguistik, Philosophie oder Geschichte – keiner Berufsausbildung. 

Umgekehrt kann man aber auch sagen: Wer in den Geisteswissenschaften studiert hat, kann alles werden. Denn als Generalist:innen steht diesen Absolventinnen und Absolventen ein breites Einsatzspektrum offen – allerdings unter gewissen Voraussetzungen: Wer seine Kompetenzen kennt und gezielt vertieft, sich frühzeitig ein Netzwerk aufbaut und bereits im Studium Praxiserfahrung sammelt, dem gelingt der Berufseinstieg als Geisteswissenschaftler:in. Laut Mikrozensus 2022 sind Geisteswissenschaftler:innen gefragter denn je: Waren im Jahr 2012 noch 320.000 Menschen mit geisteswissenschaftlichem Abschluss erwerbstätig, waren es 2022 mehr als 410.000.

Klar sollte dabei jedem sein: Die wenigsten Geisteswissenschaftler:innen arbeiten später einmal das, was sie studiert haben, denn potenzielle Arbeitgeber stellen sie nicht aufgrund ihrer Studieninhalte ein – Stichwort Quereinsteiger:in. Hier zählen andere Fähigkeiten.

Neben dem inhaltlichen Fachwissen eignen sich Studierende der Geisteswissenschaften in ihren Studiengängen zahlreiche wertvolle Fähigkeiten an, die auf dem Arbeitsmarkt sehr gefragt sind. Das sind zum einen sprachliche Kompetenzen, denn im Zentrum geisteswissenschaftlicher Fächer steht die Arbeit mit Texten, von der Auswertung von Forschungstexten über die Recherche in Rechtstexten und das Analysieren von Romanen bis hin zum Verfassen eigener wissenschaftlicher Arbeiten. 

So entwickeln Geisteswissenschaftler darüber hinaus die Fähigkeit zur methodischen Arbeitsweise und zum analytischen Denken sowie eine ausgeprägte Problemlösungskompetenz. Sie arbeiten in der Regel sorgfältig und sind in der Lage, komplexe Fragestellungen eigenständig zu bearbeiten und vorhandenes Wissen auch auf andere Bereiche zu übertragen. Zu ihren Soft Skills zählen unter anderem:

  • Empathie
  • Kommunikationsfähigkeit
  • Organisationsfähigkeit
  • Teamfähigkeit
  • Belastbarkeit/Stressresistenz
  • Motivationsfähigkeit/Engagement

Entscheidend ist für Geisteswissenschaftler:innen beim Berufseinstieg die Frage: Worin bin ich besonders gut? Wer seine persönlichen Fähigkeiten, sein Alleinstellungsmerkmal, genau kennt und mit Flexibilität und Kreativität an die Jobsuche herangeht, wird fündig werden. Eine Potenzialanalyse kann helfen, die individuellen Qualifikationen zu identifizieren. Sie kann aussehen wie folgt.

Geisteswissenschaftler/innen und ihre Kompetenzen

Geisteswissenschaftler/innen und ihre Kompetenzen © academics Grafik / WILA Arbeitsmarkt

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Laut des Mikrozensus 2022, einer repräsentativen Umfrage des Statistischen Bundesamts, arbeitete 2022 etwa ein Drittel von insgesamt über 414.000 Absolvent:innen aus den Geisteswissenschaften in Branchen, die idealtypisch für ein Studium der Geisteswissenschaften sind.

Hierzu zählte mit knapp 99.000 Erwerbstätigen vorrangig das Bildungswesen, gefolgt von 13.000 Erwerbstätigen in Medien-Unternehmen (Verlage, Funk und Fernsehen), sowie 15.000 Personen, die in den Bereichen Dolmetschen und Übersetzen beschäftigt waren. 16.000 Geisteswissenschaftler/-innen waren im öffentlichen Dienst beschäftigt.

Abgesehen von diesen für die Geisteswissenschaften typischen Branchen finden sich auch Einsatzmöglichkeiten, die einen weniger starken Bezug zu den Studieninhalten aufweisen. So waren 2022 26.000 im Verarbeitenden Gewerbe und 22.000 im Handel tätig. Weitere Geisteswissenschaftler:innen arbeiteten im Gesundheits- und Sozialwesen, andere bei Dienstleistungsunternehmen wie z. B. Reisebüros, Reiseveranstaltern, Callcentern oder IT-Dienstleistern. In kleinerer Zahl waren sie bei Verbänden, Organisationen der kirchlichen Einrichtungen, in Unternehmenszentralen und -beratungen, im Gastgewerbe oder bei Werbebüros angestellt.

Verteilung der Absolvent:innen der Geisteswissenschaften nach Branche

Erwerbstätige mit Studienabschluss der Sprach- und Kulturwissenschaften nach Wirtschaftszweigen © Statistisches Bundesamt / academics

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Absolvent:innen der Geisteswissenschaften können in zahlreichen Branchen arbeiten. Im Folgenden stellen wir die wichtigsten vor. 

Studiengänge im Bereich Medien und Kommunikation beschäftigen sich mit der menschlichen Kommunikation sowie mit Funktionsweise, Wirkung und Einflüssen von Medien auf die Gesellschaft. Absolvent:innen dieser geisteswissenschaftlichen Fachrichtung arbeiten unter anderem in: 

  • PR- und Werbeagenturen
  • Verlagen, Redaktionen, Hörfunk- und Fernsehsendern
  • Öffentlichkeitsabteilungen und Pressestellen von Unternehmen 
  • der Meinungsforschung

Die Kulturwissenschaften befassen sich mit Kulturleistungen der menschlichen Gesellschaft wie Sprache, Literatur, Kunst, Musik, Religion oder Justiz- und Wirtschaftswesen. Geisteswissenschaftleri:innen mit einem kulturwissenschaftlichen Studienabschluss finden Jobs etwa in folgenden Bereichen:

  • Marketing, Werbung und Journalismus
  • Kultur- und Eventmanagement
  • Bildungsarbeit
  • Museen und Archiven
  • Tourismus

Das literaturwissenschaftliche Studium beschäftigt sich mit historischen und modernen Texten und umfasst Teilgebiete wie Literaturgeschichte, Literaturtheorie und Literaturinterpretation. Die Philologie erforscht Texte in bestimmten Sprachen und wird den Sprach- und Literaturwissenschaften zugeordnet. Mit einem Abschluss in diesen geisteswissenschaftlichen Disziplinen arbeiten Absolvent:innen beispielsweise:

  • in Verlagen (z.B. im Lektorat)
  • als Journalist oder Autorin
  • in Pressestellen, PR- und Werbeagenturen
  • in der Erwachsenenbildung 
  • in der Sprachforschung

Das Theologiestudium setzt sich mit der Auslegung religiöser Schriften und verschiedenen Glaubensgemeinschaften auseinander und eröffnet Berufsmöglichkeiten beispielsweise in diesen Bereichen:

  • kirchliche Bildungsarbeit (Erwachsenenbildung) 
  • Öffentlichkeitsarbeit
  • Journalismus und Verlagswesen
  • Politikberatung 
  • Kirchenverwaltung

Theatergeschichte, Theatertheorie und Dramaturgie sind Teilbereiche der Theaterwissenschaften; die Musikwissenschaft erforscht Grundlagen, Erscheinungsformen und Wirkung von Musik wie etwa Harmonielehre. Geisteswissenschaftler:innen dieser Fachrichtung sind unter anderem tätig in:

  • Theater-, Film- und Fernsehproduktion
  • Kunst- und Kulturmanagement
  • Verlagen und Redaktionen
  • Jugend- und Erwachsenenbildung

Die geisteswissenschaftliche Disziplin der Kunstgeschichte untersucht Theorie, Praxis und Geschichte von Architektur, Bildkunst und -medien sowie Kunsthandwerk. Jobs als Kunsthistoriker:in finden sich in:

  • Verlagswesen und Journalismus
  • Ausstellungswesen und Kunsthandel
  • Denkmalpflege 
  • Museen

Die Archäologie erforscht – in Teilbereichen mit verschiedenen Schwerpunkten – die kulturelle Entwicklung der Menschheit. Arbeitsbereiche von Archäolog:innen sind:

Die Geisteswissenschaft mit Zukunftsorientierung, die sogenannten „Digital Humanities“, verbinden die traditionellen Geisteswissenschaften mit der Informatik. Das heißt, die Studierenden lernen sowohl die Grundlagen von Informatik, Codierung und Co. als auch Inhalte aus beispielsweise Germanistik, Philosophie oder Soziologie. 

Die Digital Humanities haben einen starken Anwendungsbezug. Absolvent:innen haben somit zwar grundsätzlich Zugang zu den gleichen Berufsfeldern wie klassische Geisteswissenschaftlerinnen, verfügen aber über zusätzliche Qualifikation im technischen Bereich, die in der heutigen digitalisierten Welt sehr gefragt sind.

Absolvent:innen eines geisteswissenschaftlichen Studiengangs haben ebenso die Möglichkeit, an der Universität zu bleiben, sich der Lehre und Forschung zu widmen und eine Promotion, Postdoc-Stelle oder Habilitation anzustreben. 

Wer sich für diesen Karriereweg entscheidet, dem sollte allerdings bewusst sein, dass die berufliche Laufbahn unsicher ist, denn die Chancen auf eine Professur sind gering. Die Anzahl der Professuren im Bereich der Geisteswissenschaften ist etwa deutlich niedriger als in den Wirtschafts- oder Ingenieurwissenschaften (rund 5.000 gegenüber rund 15.000). Alternative, wissenschaftliche Karrierewege für junge Geisteswissenschaftler:innen zur Habilitation sind die Juniorprofessur oder der Tenure Track.

Geisteswissenschaftler:innen haben häufig einen holprigen Einstieg ins Berufsleben, viele starten als Quereinsteiger:in und folglich ist zumindest das Einstiegsgehalt bei ihnen in der Regel eher unterdurchschnittlich. Der tatsächliche Verdienst sieht von Fachbereich zu Fachbereich unterschiedlich aus, belastbare Zahlen gibt es nicht.

Einen Hinweis geben die Daten aus dem Mikrozensus 2022: Für abhängig Beschäftigte mit Hochschulabschluss weist die Erhebung ein monatliches Netto-Einkommen von 3.142 Euro aus, bei Selbstständigen lag der Durchschnittswert bei 4.234 Euro. Unklar ist hierbei aber, um welche Tätigkeit es sich konkret handelt und wie hoch das Bruttogehalt ist. Eine Promotion wirkt sich aber in der Regel positiv aufs Gehalt aus.

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