Was ist, wenn ein wichtiges Zeugnis nicht mehr vorhanden ist?
Grundsätzlich müssten einer Bewerbung nicht zwingend alle bisher erhaltenen Zeugnisse beigelegt werden, so die Bundesagentur für Arbeit. „Fehlt ein älteres Zeugnis oder eines, das nicht unmittelbar für die angestrebte Tätigkeit relevant ist, ist das kein Beinbruch.“
In diesem Zusammenhang gut zu wissen: Offenbar räumen viele Arbeitgeber selbst relevanten Zeugnissen keinen allzu hohen Stellenwert ein. In ihrer empirischen Studie zur Aussagekraft von Arbeitszeugnissen (2015) kamen Prof. Dr. Klaus Watzka und Steffi Grau von der Ernst-Abbe-Hochschule (EAH) Jena zu dem Schluss, dass
- 41,4 Prozent der an der Erhebung teilnehmenden Unternehmen Arbeitszeugnisse bei der Personalauswahl nur „weniger intensiv“ und
- 9,1 Prozent die Zeugnisse sogar „kaum/gar nicht“ nutzt.
- Mehr als die Hälfte (54 Prozent) der Auswertenden lesen Zeugnisse demnach nicht einmal komplett durch.
Der Grund laut den Forschenden: Nur rund sieben Prozent der Zeugnisse werden individuell angefertigt; der Großteil besteht dementsprechend aus standardisierten Formulierungen (auch aus Angst vor Rechtsstreitigkeiten) und seien demnach wenig oder gar nicht aussagekräftig. Die Mehrzahl der Verantwortlichen sowohl für die Erstellung als auch für die Auswertung von Zeugnissen seien nicht für diese Aufgabe geschult worden.
Dennoch ist es ratsam, bei fehlenden Nachweisen Alternativen anzubieten – etwa Arbeitsproben oder einen Probearbeitstag. Schließlich geht es dem potenziellen Arbeitgeber ja meist nicht um das Zeugnis an sich, sondern um die Sicherheit, dass der Bewerber oder die Bewerberin nachweislich über die nötige Eignung verfügt.
Kann ich mich vor Abschluss meines Studiums bewerben und das Zeugnis nachreichen?
Der Hochschulabschluss ist eigentlich nur noch reine Formsache, doch die Bewerbungsfrist für den Traumjob läuft ab, bevor das entsprechende Zeugnis vorliegt? Auch das ist kein Problem. „Liegt das Abschlusszeugnis noch nicht vor, sollte das gegenüber dem potenziellen Arbeitgeber offen und transparent kommuniziert werden, zum Beispiel durch einen kurzen Hinweis im Lebenslauf. Personaler wissen, dass Universitäten und Hochschulen oft mehrere Wochen oder sogar Monate für die Ausstellung der Zeugnisse benötigen und erwarten nicht, dass Absolventen in dieser Zeit ihre Bewerbungsaktivitäten auf Eis legen“, so die Bundesagentur für Arbeit. Eine Bestätigung der Hochschule über bislang erbrachte Leistungen und den voraussichtlichen Abschlusstermin kann eventuell Pluspunkte bringen.
Sollte der Abschluss wider Erwarten bis zum Beginn der Vertragslaufzeit nicht erreicht worden sein, sodass das Zeugnis nicht nachgereicht werden kann, bedeutet das nicht zwangsläufig die Beendigung des neuen Arbeitsverhältnisses. Vor allem dann nicht, wenn die Eignung trotz des fehlenden Zeugnisses gegeben ist.
Kündigung in und nach der Probezeit: Die Eignung zählt
Der Arbeitgeber kann allerdings zumindest in den ersten sechs Monaten des Arbeitsverhältnisses ohne Weiteres kündigen, erst danach greift das Kündigungsschutzgesetz (§ 1 Abs. 1) – und zwar unabhängig von der vereinbarten Länge der Probezeit. Erst nach Ablauf des halben Jahres muss er für eine personenbedingte Kündigung die mangelnde Eignung des Arbeitnehmers darlegen und beweisen. Hat der Bewerber den Arbeitgeber über seine Eigenschaften arglistig getäuscht, ist zudem eine Anfechtung des Arbeitsverhältnisses möglich.
Beamtenlaufbahn: Zeugnisse müssen bei Amtsantritt vorliegen
Wer eine Beamtenlaufbahn anstrebt, muss die für die jeweilige Laufbahn geforderten schulischen Abschlusszeugnisse vorlegen: einen Hauptschulabschluss für den einfachen, einen Realschulabschluss für den mittleren, das (Fach-)Abitur für den gehobenen und einen Masterabschluss (oder Gleichwertiges) für den höheren Dienst. Wer den Nachweis zum Zeitpunkt der Bewerbung noch nicht erbringen kann, muss das Zeugnis bis Amtsantritt nachreichen.
Auch bei einer Bewerbung als Angestellter im öffentlichen Dienst spielen Zeugnisse eine große Rolle. Die konkreten Bedingungen sind ebenso wie die speziellen Bewerbungs- und Auswahlverfahren in der Regel in der Stellenanzeige genau beschrieben.