Da das Professorenamt zu Beginn des 21. Jahrhunderts auch für weitere Qualifikationswege geöffnet wurde – Juniorprofessoren, Nachwuchsgruppenleiter und andere Wissenschaftler mit vergleichbaren eigenständigen Leistungen haben Zugang – hat die Habilitation in vielen Fächern an Bedeutung verloren. In den Naturwissenschaften zum Beispiel zählen eher tatsächliche wissenschaftliche Leistungen und weniger die formalen Kriterien. In den Ingenieurwissenschaften besetzt man Professuren ohnehin gern mit Bewerbern aus den Forschungs- und Entwicklungsabteilungen großer Unternehmen. Die Zahl der Habilitationen ist darum rückläufig.
Ein anderes Bild ergibt sich jedoch in der Humanmedizin: Dort ist die Habilitation noch immer weit verbreitet, denn sie ebnet den Weg zu leitenden Positionen in Krankenhäusern. Und auch in den Rechts- und Geisteswissenschaften wird bei der Neubesetzung von Professuren oft eine Habilitation erwartet, selbst wenn der Kandidat bereits eine Juniorprofessur bekleidet hat.
Voraussetzungen für das Habilitationsverfahren
Die Liebe zur Wissenschaft dürfte niemandem fehlen, der über eine Habilitation nachdenkt. Darüber hinaus gibt es aber noch weitere Voraussetzungen fachlicher und persönlicher Natur, die Sie berücksichtigen sollten. Die fachlichen und formalen Voraussetzungen finden Sie verteilt über das Landeshochschulgesetz Ihres Bundeslandes sowie die Habilitationsordnungen Ihrer Universität und Ihrer Fachschaft. Länder und Hochschulen machen hier zum Teil sehr unterschiedliche Vorgaben. Folgendes kann, muss aber nicht von Ihnen verlangt werden:
- eine besondere Befähigung zu wissenschaftlicher Arbeit
- pädagogische Eignung
- mehrjährige wissenschaftliche Tätigkeit in Forschung und Lehre
- das Bestehen einer Zwischenevaluierung
Eine Habilitation ist in vielen Fällen die endgültige Entscheidung für eine akademische Laufbahn, doch die Zahl der unbefristeten Stellen für wissenschaftliche Mitarbeiter:innen ist knapp. Um Ihre Chancen zu erhöhen, sollten Sie daher neben hervorragenden Qualifikationen auch die Begabung zum Netzwerken mitbringen. Räumliche Flexibilität ist ebenfalls ein Muss, denn nur wenigen Professor:innen ist es vergönnt, in der Nähe Ihres Wohnortes berufen zu werden. Fragen Sie sich ehrlich, ob Ihnen beides entspricht.
Ablauf des Habilitationsverfahrens
Um zur Habilitation zugelassen zu werden, müssen Sie einen Antrag beim Dekan oder bei der Dekanin stellen. Anders als bei der Dissertation erfolgt dieser Antrag hier zu einem sehr späten Zeitpunkt, nämlich erst dann, wenn der schriftliche Teil bereits abgeschlossen wurde. Vorab müssen Sie sich für Ihre Form der Habilitationsschrift entscheiden und einen Betreuer oder eine Betreuerin finden.
Monografie oder kumulative Habilitation?
Prüfen Sie zunächst, ob in Ihrem Fach eher eine Monografie oder eine kumulative Habilitation, auch Sammelhabilitation genannt, als Habilitationsschrift üblich ist. Bei letzterer können Sie Publikationsleistungen wie Zeitschriftenbeiträge oder Aufsätze, die in der wissenschaftlichen Karriere ohnehin erbracht werden müssen, anstelle der Monografie vorlegen. Sie werden dann nicht nur für eine Einzelleistung bewertet.
Einen Betreuer oder eine Betreuerin für die Habilitation finden
Obwohl – anders als bei der Promotion – eine betreuende Person für die Habilitation nicht immer vorgeschrieben ist, sollten Sie darauf für Ihr Habilitationsprojekt nicht verzichten. Der Betreuer oder die Betreuerin unterstützt Sie und wird bei der Fakultät als Ihr:e Fürsprecher:in tätig. Oft handelt es sich dabei um einen Professor oder eine Professorin des Instituts, an dem Sie tätig sind. Wollen Sie extern an einem anderen Institut habilitieren, ist auch dies möglich.
Früher war es üblich, über eine Assistentenstelle bei einem Professor oder einer Professorin zu arbeiten, der damit die Rolle des Habilitationsvaters oder der -mutter übernahm. Im Laufe dieser Zusammenarbeit wurde die Habilitationsschrift erstellt. Noch immer werden explizit Stellen mit der Möglichkeit zu habilitieren oder „zur Erlangung zusätzlicher wissenschaftlicher Leistungen“ ausgeschrieben. Dabei gibt es zwei Möglichkeiten:
- Es wird die Stelle eines Akademischen Rates oder einer Akademischen Rätin geschaffen, und Sie werden als Stelleninhaber:in auf Zeit verbeamtet.
- Sie arbeiten als angestellte:r wissenschaftliche:r Mitarbeiter:in bei Ihrer betreuenden Person. Die enge Zusammenarbeit hat den Vorteil, dass Sie in die Abläufe des Instituts eingebunden sind.
Auch sollten Sie darauf achten, dass zwischen Ihnen und dem Betreuer oder der Betreuerin eine Vertrauensbasis entsteht. Vielleicht können Sie vorab herausfinden, wie viele Habilitationsverfahren er oder sie schon begleitet hat und ob es bei früheren Habilitand:innen Abbrüche oder schwerwiegende Probleme gegeben hat.
Darüber hinaus sollte Ihr:e Betreuer:in in akademischen Kreisen einen guten Ruf haben – nicht zuletzt als Gütezeichen für die Habilitation. Im besten Fall hat er oder sie selbst im Bereich Ihres Habilitationsthemas gearbeitet und kann Ihnen auch inhaltliche Unterstützung bieten.