Hochschulsystem Deutschland
Das deutsche Hochschulsystem: Typen, Abschlüsse, Struktur

Autobahn Symbolbild Hochschulsystem Deutschland

Das Hochschulsystem in Deutschland wird in Mitglieder und Angehörige einer Hochschule unterteilt © manoek / photocase.de

Welche Hochschulen es neben Universitäten noch gibt, welche Abschlüsse erreicht werden können und wie die Hochschulen organisiert sind, erfahren Sie hier.

Veröffentlicht: 16.01.2022

Von: Florian Heil

Die Hochschullandschaft in Deutschland ist vielfältig. Im Wintersemester 2020/21 gab es insgesamt 422 solcher Einrichtungen. Im Vergleich zu den vergangenen Jahren ist diese Zahl leicht rückläufig. Die Einrichtungen lassen sich in fünf grundlegend verschiedene Typen unterteilen:

  • 240 Fachhochschulen
  • 108 Universitäten
  • 52 Kunst- und Musikhochschulen
  • 16 Theologische Hochschulen
  • 6 Pädagogische Hochschulen

Hochschulen sind entweder staatliche oder staatlich anerkannte Institutionen. Ein knappes Viertel dieser Hochschulen ist inprivater Trägerschaft; im Wintersemester 2019/20 waren knapp 270.000 Studierende an privaten Hochschulen eingeschrieben. Bei dem weitaus größten Anteil der deutschen Hochschulen handelt es sich um Fachhochschulen.

Fachhochschulen gewannen im Laufe der 1970er Jahre an Bedeutung, da der Bedarf nach kürzeren und praxisorientierten Studiengängen zunahm. Das Angebot umfasst in erster Linie wirtschaftswissenschaftliche, ingenieurwissenschaftliche und technische Fächer. Hier spielt auch die anwendungsbezogene Forschung eine große Rolle. Viele Fachhochschulen orientieren sich an den Bedürfnissen der lokalen Wirtschaft und des lokalen Arbeitsmarkts. Daneben ist auch der Gesundheitsbereich mit Fächern wie Pflege oder Soziale Arbeit an Fachhochschulen relevant. An speziellen Verwaltungsfachhochschulen werden zudem Nachwuchs­kräfte für den gehobenen nicht­technischen Dienst des Bundes und der Länder (Beamtenlaufbahn) ausgebildet.

Da das Studium an Fachhochschulen deutlich berufsorientierter angelegt ist als an Universitäten, sind Praktika in Industrie, Unternehmen oder anderen einschlägigen Einrichtungen oft obligatorisch. Die meisten Fachhochschulen nennen sich allerdings nicht mehr „FH“, sondern „HAW“ – Hochschule für Angewandte Wissenschaften. Auch der englische Begriff University of Applied Sciences wird in Deutschland mittlerweile oft verwendet.

Dieser Hochschultyp wird in Deutschland immer beliebter: Im Wintersemester 2020/21 waren 1.074.300 Studierende an Fachhochschulen eingeschrieben, das ist ein Anstieg von fünf Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Hinzu kommen noch 57.100 Studierende an Verwaltungsfachhochschulen, ein Plus von sieben Prozent.

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Die deutschen Universitäten bieten im Vergleich zu Fachhochschulen methodisch und theoretisch spezifischer ausgerichtete Studiengänge und einen breiteren Fächerkanon an, der in vielen Fällen die gesamten Geistes- und Naturwissenschaften umfasst. Einige Institutionen konzentrieren sich allerdings auch auf eine Auswahl an Fächern, die oft einen bestimmten Schwerpunkt haben. So gibt es beispielsweise Technische Universitäten oder Medizinische Hochschulen. An den Unis wird viel stärker wissenschaftlich fundierte Grundlagenforschung betrieben. Forschung und Lehre sind an den Universitäten eng miteinander verknüpft. Die Forschung soll hier aber unabhängig von unmittelbaren gesellschaftlichen oder unternehmerischen Interessen betrieben werden, sie dient einzig dem Streben nach Erkenntnis. 

Die Universitäten haben gemeinsam mit den Theologischen und Pädagogischen Hochschulen das Promotions- und Habilitationsrecht inne. Zugangsvoraussetzung ist in der Regel das Abitur. Im Wintersemester 2020/21 waren 1.779.500 Studierende an Universitäten eingeschrieben, die Zahl beinhaltet allerdings auch die Eingeschriebenen an Pädagogischen- und Theologischen Hochschulen.

Kunst- und Musikhochschulen bieten Studiengänge für künstlerischen Nachwuchs sowie angehende Musiker und Musikerinnen an, die eine professionelle Tätigkeit in ihrem Bereich anstreben. Während einige Institutionen eine ganze Reihe von künstlerischen und musischen Tätigkeiten lehren, sind andere Hochschulen auf bestimmte Bereiche fokussiert. Dazu gehören beispielsweise Design und Architektur, Schauspiel, Regie, Drehbuch und Produktion in den Bereichen Theater und Film oder auch Medien und Kommunikation. Voraussetzung für ein Studium ist in der Regel ein besonderes Talent, das die Bewerber in einer Aufnahmeprüfung nachweisen müssen. Im Wintersemester 2020/21 waren rund 38.500 Studierende an Kunst- und Musikhochschulen eingeschrieben. Kunst- und Musikhochschulen verfügen teilweise über ein (eingeschränktes) Promotionsrecht. 

Spezialisierte Institutionen wie die Theologischen und Pädagogischen Hochschulen sind den Universitäten gleichgestellt und verfügen häufig ebenfalls über ein Promotions- und Habilitationsrecht. Sie konzentrieren sich ausschließlich auf ihre Teilgebiete, also im ersten Fall auf theologischen Studien, mit dem vorrangigen Ziel, Geistliche auszubilden. Nicht zu verwechseln sind Theologische Hochschulen mit Hochschulen in kirchlicher Trägerschaft, die sowohl Universitäten als auch Fachhochschulen sein können. 

Pädagogische Hochschulen gibt es in Deutschland ausschließlich in Baden-Württemberg, in den übrigen Bundesländern sind die betreffenden Fächer in die Universitäten integriert. Hier wird primär in den Bildungswissenschaften, den Fachdidaktiken beziehungsweise der Sonderpädagogik geforscht und gelehrt. Neben Lehramtsstudiengängen bieten die Pädagogischen Hochschulen auch Bachelor- und Masterstudiengänge im außerschulischen Bildungsbereich an, beispielsweise im Bereich der Kindheitspädagogik oder der Kultur- und Gesundheitsbildung.

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Im Rahmen des Bologna-Prozesses wurde das einstufige Studiensystem mit Diplom- oder Magisterabschluss schrittweise durch ein zweistufiges ersetzt. Seit 1998 haben die Hochschulen die Möglichkeit, zusätzlich zu oder anstelle von traditionellen Studiengängen gestufte Studiengänge anzubieten, bei denen zwei Abschlüsse auf unterschiedlichem Niveau vorgesehen sind: der Bachelor- und der Masterabschluss. Wer den Bachelor erreicht hat, kann den Master im Anschluss anstreben. Alle Abschlüsse setzen in der Regel eine bestandene Abschlussprüfung voraus. In mehr als 90 Prozent aller Studienfächern ist das zweistufige System heute etabliert.

Mit dem Bachelor wird der erste akademische Grad erworben, der für viele Berufe bereits qualifizierend ist. Die Regelstudienzeit in den Bachelorstudiengängen beträgt zwischen sechs und acht Semestern. Unter Berücksichtigung besonderer Zulassungsregeln kann der Bachelor auch für eine Fast-Track-Promotion qualifizieren. Die häufigsten Bachelorgrade sind Bachelor of Arts, Bachelor of Science und Bachelor of Engineering. Im Prüfungsjahr 2020 haben 236.472 Studierende in Deutschland den Bachelorabschluss erlangt. 

Masterstudiengänge bauen in der Regel auf einem fachähnlichen oder -gleichen Bachelorstudiengang auf und führen nach zwei bis vier Semestern Regelstudienzeit zur Abschlussprüfung. Der Mastergrad ist ein weiterer berufsqualifizierender Abschluss. Er berechtigt zur Promotion. Die häufigsten Mastergrade sind Master of Arts, Master of Science und Master of Engineering. Im Prüfungsjahr 2020 haben in Deutschland 134.532 Studierende den Masterabschluss erlangt.

Immer mehr Hochschulen stellen Diplom- und Magisterstudiengänge ein oder lassen sie auslaufen. An einigen Standorten ist ein solches traditionelles Studium allerdings nach wie vor möglich. Vor allem in den Ingenieurwissenschaften wird manchmal weiterhin der Diplomstudiengang angeboten, in der Theologie ist der Magister noch gebräuchlich. Diese klassischen Studiengänge gliedern sich meist in ein Grund- und ein Hauptstudium. Vorgesehen ist eine Regelstudienzeit von acht bis zehn Semestern. Sowohl der Diplomabschluss als auch der Magister Artium an einer Universität berechtigen dazu, eine Doktorarbeit anzuschließen. 

Studiengänge der Human-, Zahn- und Tiermedizin, der Rechtswissenschaft, der Pharmazie, der Lebensmittelchemie sowie der meisten Lehrämter schließen mit dem Staatsexamen ab. Das bedeutet, dass die Abschlussprüfungen von staatlichen Prüfungsausschüssen abgenommen werden und nicht von der entsprechenden Hochschule. Es gibt ein erstes und ein zweites Staatsexamen. Diese Staatsprüfungen können je nach Fachbereich nach drei bis 6,5 Jahren abgelegt werden, zudem haben Prüflinge bei Nichtbestehen einen Rechtsanspruch auf einen zweiten Versuch. Anders als beim Bachelor ist das erste Staatsexamen jedoch nur in Ausnahmefällen berufsqualifizierend. Das zweite Staatsexamen folgt oft nach einer praktischen Phase und berechtigt zur Promotion.

Wer seine Dissertation geschrieben und erfolgreich promoviert hat, bekommt den akademischen Grad eines Doktors verliehen. In der Regel ist eine Promotion nur an Universitäten und Hochschulen mit vergleichbarer Aufgabenstellung möglich; an Fachhochschulen kann jedoch häufig in Kooperation mit einer Universität promoviert werden. Als groben Richtwert sehen die Promotionsordnungen vieler Universitäten und Hochschulen einen Zeitrahmen von drei Jahren vor. Dieser Wert wird jedoch häufig überschritten. Zu unterscheiden sind strukturierte und individuelle Promotionen.

Der Großteil der staatlichen Hochschulen in Deutschland sind Körperschaften des öffentlichen Rechts. Die Wahl des jeweiligen Strukturmodells obliegt dem Landesgesetzgeber. Generell werden zwei Arten von Einrichtungen unterschieden: zentrale und dezentrale Einrichtungen.

Zentrale Einrichtungen: 

Hierzu zählen

  • die Hochschulleitung, auch Rektorat genannt. Diese besteht in der Regel aus mehreren Mitgliedern: dem Hochschulpräsidenten oder der -präsidentin, auch Rektor oder Rektorin genannt, dem Kanzler oder der Kanzlerin sowie mehreren Prorektoren oder Prorektorinnen.
  • der Senat als Vertretungsorgan der Mitgliedergruppen der Hochschule.
  • der Hochschulrat, der in der Regel mehrheitlich mit Hochschulexternen besetzt wird und Aufgaben eines Aufsichtsrates wahrnimmt.
  • weitere Einrichtungen wie Forschungskollegs, die Universitätsbibliothek oder das Universitätsrechenzentrum.

Dezentrale Einrichtungen: 

Hierzu zählen

  • die Fakultäten sowie die von den Fakultäten verantworteten Einheiten, also zum Beispiel fakultätseigene Forschungsinstitute oder Serviceeinrichtungen. Diese Einrichtungen unterstehen zumindest prinzipiell dem Dekan oder der Dekanin der Fakultät. Diese Fakultätsverantwortlichen können aber auch in einem Abhängigkeitsverhältnis zum Präsidenten der Hochschule stehen.
  • der Fakultätsrat, der neben der Dekanin aus weiteren Mitgliedern besteht, darunter in der Regel Vertreter oder Vertreterinnen von Lehrenden, Studierenden, wissenschaftlich Mitarbeitenden sowie der Frauenbeauftragten.

Zu den weiteren Hochschulangehörigen zählen:


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