Wissenschaftliche Karriere planen: Tipps für eine akademische Laufbahn
Bringt jemand alle Eigenschaften und Fähigkeiten mit, die man braucht, um Wissenschaftler zu werden, geht es darum, diese klug und gewinnbringend einzusetzen. Während die ersten Schritte wie Bachelor- und Masterstudium und Doktorarbeit noch relativ gut planbar sind, ist es der letzte Schritt hin zum Lehrstuhl umso weniger. Mit relevanten Publikationen und einer erfolgreichen Akquise von Drittmitteln können wichtige Rahmenbedingungen geschaffen werden. Auslandsaufenthalte an renommierten Hochschulen können ebenfalls bei der Berufung berücksichtigt werden. Weitere strategische Maßnahmen, die karrierefördernd sein können, sind:
- Schärfung des wissenschaftlichen Profils / Hard Skills
- Sichtbarkeit im wissenschaftlichen Umfeld schaffen
- Networking in der Wissenschaftscommunity
Schärfung des wissenschaftlichen Profils / Hard Skills
Bei der Wahl des Forschungsthemas sollten strategische Aspekte eine Rolle spielen. Woran arbeitet die Industrie, welche aktuellen Entwicklungen gibt es, welche Themen werden in den kommenden Jahren an Relevanz gewinnen und somit eine größere Chance auf Forschungsgelder oder sogar neue Stellen bieten?
Generell ist das akademische Profil in hohem Maße entscheidend, ob man für eine ausgeschriebene Gruppenleitung, Dozentenstelle oder Professur geeignet ist. Vor allem bei einer Professorenstelle – die Anzahl potenziell passender Lehrstühle ist gering und das Berufungsverfahren kompliziert, denn nur der am besten Geeignete darf den Ruf erhalten.
Je spezialisierter der Wissenschaftler oder die Wissenschaftlerin also ist, desto größer ist zwar die Chance, den Ruf für einen exakt entsprechenden Lehrstuhl zu erhalten – desto geringer aber auch die Anzahl passender Ausschreibungen. Wer dagegen breiter aufgestellt ist, hat vielleicht mehr Auswahl, möglicherweise aber aufgrund des Prinzips der Bestenlese eine geringere Aussicht auf Erfolg.
Sichtbarkeit im wissenschaftlichen Umfeld schaffen
Sichtbarkeit ist eine der Kardinaltugenden in der Wissenschaftskarriere. Für Forschende, die Karriere machen wollen, gilt es, sich einen Namen zu machen im wissenschaftlichen Umfeld. Dazu gehört es, Vorträge zu halten, zahlreich und einschlägig zu publizieren, Fachkonferenzen beizuwohnen und bestenfalls vor Ort Kontakte zu knüpfen und letztendlich auch die sozialen Medien geschickt für den eigenen Zweck einzusetzen. Sichtbarkeit geht auch einher mit einer Vernetzung in der wissenschaftlichen Community.
Networking in der Wissenschaftscommunity
Wer eine wissenschaftliche Karriere plant, sollte sich dafür die Erfahrungen und die Expertise anderer zunutze machen. Relevant ist demnach insbesondere ihre Vernetzung innerhalb der wissenschaftlichen Community. Einzelkämpfer haben es oft deutlich schwerer als Forscher, die in verschiedenen Einrichtungen jemanden kennen. Besonders in der Wissenschaft, die durch Netzwerke lebt, sind Förderer und Mentoren ein Muss. Selbst wer exzellente Forschungserfolge vorweisen kann, hat es ohne Unterstützung Dritter schwer, eine Wissenschaftskarriere aufzubauen.
In der Wissenschaft geht es also vermehrt um den Aufbau von Netzwerken. Vielen Menschen fallen die ersten Schritte dafür schwer. Vernetzungsangebote von Hochschulen, Stipendiengebern etc. können jedoch dabei helfen. Zur Vernetzung innerhalb der Wissenschaft gehört auch der Aufbau einer Beziehung zu den betreuenden Professoren. Sie können bei Fragen zu der Erarbeitung eines Forschungsprofils weiterhelfen, geben Ratschläge zur Planung der akademischen Laufbahn und vermitteln geeignete Kontakte.
Auch Mentorenprogramme helfen bei der Vernetzung – und dabei, die eigenen Ziele herauszuarbeiten und strategisch umzusetzen. Mentorenprogramme werden in verschiedenen Formen für den wissenschaftlichen Nachwuchs angeboten. Neben Programmen der Hochschulen und Universitäten gibt es Angebote, die hochschulübergreifend arbeiten sowie außeruniversitäre Angebote, beispielsweise von der Max-Planck-Gesellschaft und der Fraunhofer-Gesellschaft. Der Deutsche Hochschulverband bietet eine Übersicht zu den Programmen an.
Akademische Karriere: Wie sind die Chancen auf eine Professur?
Wie wahrscheinlich es ist, letzten Endes eine Professur zu bekommen? Das ist die drängendste Frage, die sich Nachwuchswissenschaftlerinnen und -wissenschaftler spätestens nach der Doktorarbeit stellen, wenn sie in der Wissenschaft bleiben wollen.
Dabei spielt natürlich eine Rolle, wie viele Mitbewerber es gibt: Während im ersten Jahr nach der Promotion noch 28 Prozent der Promovierten wissenschaftlich arbeiten, sinkt der Anteil mit jedem weiteren Jahr kontinuierlich über 25 und 22 Prozent auf 19 Prozent im vierten Jahr nach der Doktorarbeit. Eine statistisch fundierte Antwort auf die Berufungschance gibt es momentan deshalb nicht, weil es keine verlässlichen Aussagen über die Anzahl von Wissenschaftlern gibt, die grundsätzlich berufungsfähig wären. Einen Anhaltspunkt liefert das Verhältnis von Bewerbungen auf eine Professur zu den tatsächlichen Berufungen: Im Jahr 2018 gab es laut BUWIN 44.947 Bewerbungen auf 2008 Stellen, also rund 22 Bewerbungen pro Berufung.
Akademische Laufbahn mit 40 starten – geht das?
Meist stellt sich erst mit rund 40 Jahren heraus, ob es mit der akademischen Laufbahn weitergeht – wenn überhaupt. Die meisten Habilitierten in Deutschland erhalten erst in ihren Fünfzigern eine Professur – nachdem sie bereits viele Jahre in Forschung und Lehre verbracht haben. Mit 40 Jahren also noch einen Quereinstieg aus der Wirtschaft zurück in eine wissenschaftliche Laufbahn zu schaffen, ist kaum möglich. Am ehesten kann es an einer Fachhochschule gelingen, wenn der Bewerber im einschlägigen Fachgebiet in der Praxis herausragende Leistungen nachzuweisen hat.
Stellt sich anders herum jedoch nach Doktorarbeit und Habilitation mit Mitte 40 heraus, dass es mit der wissenschaftlichen Karriere nicht weitergeht, weil kein passender Lehrstuhl in Sicht ist, kann die Situation ebenfalls schwierig werden. In der freien Wirtschaft nach mehr als 20 Jahren häufig sehr theorielastiger Wissenschaftsarbeit einen guten Job zu finden, glückt nicht allen. Frühzeitig Kontakt in die Wirtschaft zu halten und sich auch dort ein Netzwerk aufzubauen, ist eine gute Idee, um im Fall der Fälle eine Exit-Strategie zu haben.
Die Faktoren Glück und Zufall
Wer Forscher werden möchte, muss in vielerlei Hinsicht sein Bemühen zeigen. Laut der Befragung des Bundesberichts Wissenschaftlicher Nachwuchs 2021 gehören jedoch auch nichtstrategische Momente wie Glück, Zufall, nicht planbare Gelegenheiten und sonstige Unwägbarkeiten fest zur wissenschaftlichen Karriere. Denn nicht nur die Tatsache, dass überhaupt im richtigen Zeitfenster eine passende Professur frei oder geschaffen werden muss, spielt eine Rolle. Selbst bei hervorragender Qualifikation kann es sein, dass beispielsweise aus Gründen der Diversität ein ähnlich geeigneter Mitbewerber bevorzugt wird. Zu bedenken ist auch, dass der Ruf an eine weit entfernte Hochschule häufig mit einem Umzug einhergeht, was besonders für Wissenschaftler mit Familie unter Umständen nur schwer umsetzbar ist.
Was ist bei der Entscheidung für eine universitäre Laufbahn zu bedenken?
Neben der oft fehlenden Planbarkeit nimmt man mit der Entscheidung für eine wissenschaftliche Karriere als Nachwuchskraft ein großes Maß an Unsicherheit auf sich. Einige Dinge sollte man also wissen und berücksichtigen, bevor man sich dessen bewusst und voller Überzeugung in den Wissenschaftsbetrieb stürzen kann.
Die Stellensituation ist prekär, die Bezahlung nicht so hoch wie in vergleichbaren Qualifikationsstufen in der Wirtschaft und wegen befristeter Arbeitsverträge hangeln sich Nachwuchswissenschaftler in der Regel immer wieder von Stelle zu Stelle und von Projektantrag zu Projektantrag. Dass bei vielen zeitaufwändige Karriereschritte anstehen, wenn die Zeit für Familie und Kinder angebrochen ist, macht es nicht leichter. Denn wer Kinder hat, muss einiges tun, Forschung und Familie unter einen Hut zu bringen. Noch immer werden außerdem Frauen durch die gläserne Decke am Aufstieg gehindert.
Vor einer Karriere in der Wissenschaft sollte man sich aber vor allem mit den Auswirkungen des Wissenschaftszeitvertragsgesetz (WissZeitVG) auseinandersetzen. Es besagt, dass nach der Promotion nur sechs Jahre Zeit bleiben, um eine unbefristete Stelle zu bekommen – andernfalls muss die Universität in Richtung freie Wirtschaft verlassen werden. Ausnahmen gelten dabei nur für Mediziner, Postdocs mit Kindern und für Drittmittelangestellte. Unter dem Hashtag #IchbinHanna hat 2021 die Kritik an dem Gesetz Gehör in der Öffentlichkeit gefunden: Junge Forschende fordern eine Systemreform, die für mehr Planbarkeit und Sicherheit in der wissenschaftlichen Karriere sorgt.